Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
der Schnee-Einfall im November und der mehrtägige Stromausfall im Münsterland inspirierte den Zeichner der "Tageszeitung" (taz, 29.11.2005) zu einer trefflichen Karikatur. Da stöhnen winterfest vermummte Gestalten auf dem Wohnzimmer-Sofa vor brennenden Kerzen: "Mensch, was habe ich mich vor ein paar Wochen noch über die blöden Amis und News Orleans amüsiert!". Bild-Unterschrift: "Klimakatastrophe jetzt auch im Münsterland". Dabei war in der allgemeinen deutschen Aufregung fast untergegangen, dass ein für die Jahreszeit ungewohnt heftiger Tropensturm auch die Stromversorgung auf Teilen der Kanarischen Inseln mehrere Tage lahmgelegt hatte.
In vielen Ecken der Welt, auch in touristischen Feriengebieten, gibt es häufig Stromausfall, insbesondere nach den ersten Böen eines - ganz normalen - tropischen Unwetters im Vormonsun. Oft bleibt der Strom aber auch aus Energiemangel und anderen Gründen aus. Kerzen und Taschenlampen gehören daher zur Standardausrüstung erfahrener Touristen und Fachkräften im Ausland.
Um so schmerzlicher war die schlagartige Erkenntnis ungezählter Landsleute, wie abhängig unser Leben hier von der Elektrizität ist und dass ohne Strom rein gar nichts mehr läuft. Kein Licht, kein PC/Internet, keine Heizung, kein Kühlschrank, keine Tiefkühltruhe. Hunderte wurden krank. Insbesondere die Landwirte waren betroffen. Es fehlte der Strom für die Melkmaschinen. Schweine mussten auf Wärmelampen und Frischluftzufuhr verzichten. Nicht jedes Ferkel überlebte den Kälte- und Miefschock. Wasser konnte teilweise nicht mehr aus Brunnen gepumpt werden. Einige Bäuerinnen schmolzen ihr Wasser aus Schnee. Wohl denen, die noch über alte große Küchenherde verfügten. Ein Holzkohlengrill in der abzugslosen Küche hat ein Ehepaar dagegen fast zu Tode vergiftet.
Für viele Opfer des furchterregenden Erdbebens im Himalaya bedeutet ein Leben ohne Strom - leider - nichts neues. Das ist für sie Alltag. Sie kennen auch keine Heizung, trotz strenger Winter in Höhenlagen. Aber sie hatten vorher für sich und ihr überlebensnotwendiges Vieh ein Dach über dem Kopf, unter dem sich die Bergler - um ein Feuerchen gescharrt - halbwegs warm halten konnten. Die Tiere, deren Dung als Brennstoff oft wichtiger ist als Milch, melken sie per Hand.
Dass die Folgen des Bebens ausschließlich in Gebieten ohne internationalen Tourismus spür- und sichtbar sind, mag ein Grund für die - im Vergleich zum Tsunami - extrem zögerliche Spendenbereitschaft sein. Noch immer mangelt es an winterfesten Zelten, in den schwer zugänglichen Hochtälern vor allem an Wellblech für Dächer und "Wellblech-Zelte", ärztlicher Versorgung und Nahrungsmitteln.
Die Himalaya-Bewohner können den Unbillen des Wetters sehr viel besser trotzen als verwöhnte und verweichlichte, der Natur entfremdete Stadtmenschen, gleichgültig ob aus Asien oder dem "Westen". Reisen sie dennoch ins Gebirge, dann nur mit entsprechender Ausrüstung (je mehr Trends desto besser für die Wirtschaft) und - hoch oben - dick in Daunen gehüllt. Vielleicht haben Sie in diesem Zusammenhang ebenso viel Freude wie wir an der erhellenden Satire "Backpacker in Wilderness" und den Reisetipps von Karl Baedeker. Sie entstanden vor über hundert Jahren, treffen aber - für den Himayala - noch heute fast uneingeschränkt zu.
Wir wünschen Ihnen fröhliche Festtage und einen guten Rutsch!
In der Hoffnung auf ein katastrophen- und terrorfreies Jahr 2006 verbleiben wir mit freundlichen Grüßen
Heinz Fuchs Ludmilla Tüting