Mit ein paar Klicks um die Welt - Digitalisierung im Tourismus

Digitale Buchungsplattformen verändern die Tourismuswirtschaft und die Art des Reisens rasant ‒ mit gravierenden Auswirkungen gerade für Klein- und Kleinstanbieter im Globalen Süden.


„Wie verändert sich unser Reiseverhalten und wer profitiert von den neuen Trends – diese Frage muss im Zeitalter der Digitalisierung neu gestellt werden!“

Antje Monshausen, Tourism Watch bei Brot für die Welt.

Die Digitalisierung ist einer der mächtigsten Trends im Tourismus. Für immer mehr Menschen beginnt eine Reise auf dem digitalen Weg. Sie informieren sich über Bewertungsplattformen wie TripAdvisor und buchen über Booking oder Airbnb. Buchungsplattformen bieten längst nicht mehr nur Einzelleistungen an, sondern decken zunehmend die gesamte Dienstleistungskette am Urlaubsort ab. Von zu Hause aus lassen sich bequem Anreise, Hotel, Taxi, Restaurant, Tourguide und der Museumsbesuch buchen. Dadurch verändern sich grundlegend die touristischen Wertschöpfungsketten mit Folgen auch für Kleinst- und Kleinunternehmen in den Reiseländern.

Zwischen Hoffnung und Wirklichkeit – Kleinanbieter vor Ort

Für Unternehmen vor Ort ist die Digitalisierung im Tourismus ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kann eine abgelegene Lodge Reisende rund um den Globus direkt erreichen. Andererseits konkurriert sie nicht nur mit dem kleinen Hotel im Nachbardorf, sondern buhlt auch mit globalen Playern online um die Aufmerksamkeit der Touristinnen und Touristen. In der Hoffnung ohne großes Budget neue Märkte zu erschließen, beugen sich viele kleine Anbieter den Konditionen der globalen Plattformen. Trotz vermeintlich geringer Eintrittsbarrieren haben immer mehr kleine Anbieterinnen und Anbieter Probleme, sich in den rasant wandelnden, hoch-technologisierten Wertschöpfungsketten zu behaupten.

The winner takes it all – starke Monopolbildung bei Online-Buchungen

Die Plattformen verbinden die Kunden mit den Anbietern und erhalten dafür eine Kommission vom Buchungspreis. Für die Reisenden ist attraktiv, dass bei den Buchungsplattformen Barrieren wie Sprache oder eingeschränkte Bezahlmodi eliminiert werden. Dank ausgefeilter Algorithmen können sie einfach sortieren nach den besten Beurteilungen von anderen Reisenden oder dem günstigsten Preis. Die Datenmacht der Buchungsplattformen erlaubt es ihnen, gezielt Angebote auszuspielen, die den Präferenzen des Kunden am ehesten entsprechen.

Hohe Gewinnmargen und die Finanzierung mit Risikokapital macht Rabattschlachten möglich. Profiteure sind insbesondere die Buchungsplattformen selbst, die sich auf diese Weise in den vergangenen Jahren erhebliche Marktanteile sichern konnten und immer stärker die Anbieter vor Ort reglementieren. Ein Phänomen ist beispielweise, dass immer mehr Hotels Stornierungen bis zum Anreisetag anbieten, obwohl das bei ihnen mit erheblichen Risiken verbunden ist. In den meisten Fällen haben kleinere Unternehmen jedoch keine andere Wahl, als mit den Onlineplattformen zu kooperieren, denn wer online nicht auffindbar ist, existiert für die Reisenden schlichtweg nicht mehr.


Publikationen

Mit ein paar Klicks in den Urlaub

Wie Online-Buchungsplattformen und Bewertungsportale touristische Kleinunternehmen im Globalen Süden unter Druck setzen

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Techno-disruptions and travel

Examining the impact of platformisation in the Indian tourism sector

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Politik und Unternehmen sind gefragt

Für die Digitalisierung und die damit einhergehende Durchdringung des Tourismusmarktes durch Online-Plattformen sind starke und effektive Regulierungsmaßnahmen erforderlich: Die Datenmacht der Unternehmen muss eingeschränkt und Monopolbildungen entgegengewirkt werden. Lokale und nachhaltig wirtschaftenden Klein- und Kleinstanbietern sollten gezielt gestärkt werden, z.B. im Rahmen des staatlichen Tourismusmarketings. Sie benötigen Unterstützung und Qualifikation, um ihre Verhandlungsmacht gegenüber den Buchungsplattformen nutzen zu können.

Buchungsplattformen selbst sind gefordert, ihre Marktmacht und ihre digitale Innovationskraft für die nachhaltige Entwicklung des Tourismus zu nutzen. Sie könnten gezielter ihre Kunden auf nachhaltige Reiseangebote aufmerksam machen. Gleichzeitig könnten sie ihre Raumdaten zugänglich machen, um lokale Behörden beim Besuchermanagement und im Ressourcenschutz zu unterstützen.

Tipps für Reisende

Die Buchungsplattformen ändern nicht nur die Handelsbeziehungen zwischen globalen und lokalen Unternehmen, sondern auch das Reisen selbst. Sie fördern einen schnelllebigen und immer standardisierten Tourismus: Durchsetzen können sich vor allem Angebote, die dem allgemeinen Geschmack der Reisenden am besten gefallen. Dis Fokussierung auf einige Highlights führt zu Problemen wie Ressourcenknappheit oder Over-Tourism. Die Buchbarkeit von immer mehr Angeboten vor Ort, macht es möglich, dass Reisende keine Zeit mehr einplanen, um ihren Urlaubsort zu erkunden und ungeplantes zu entdecken.

Doch auch im digitalen Zeitalter können Reisende verantwortungsvolle Reiseentscheidungen treffen, die die lokale Wirtschaft stärken, die Umwelt schonen und den Austausch mit den Gastgeberinnen und Gastgebern ermöglichen. Wichtige Tipps dafür sind:

  • Informationen über Land und Leute bei der Reiseplanung zu berücksichtigen und nicht allein auf Buchungs- und Bewertungsplattformen zu vertrauen,
  • Buchungsplattformen verantwortungsvoll auswählen und kleinere, auf Nachhaltigkeit spezialisierte Veranstalter zu nutzen, sowie
  • bei der Planung Raum für persönlichen Austausch und lokale Angebote zu lassen, die nicht über Plattformen gebucht wurden.

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