Agenda 2030 und Tourismus

Nachhaltiger Tourismus wird insgesamt vier Mal in der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung erwähnt. Die explizite Nennung des Sektors betont nicht nur seine globale Bedeutung, sondern verpflichtet gleichzeitig dazu, das heute weit verbreitete Tourismusmodell grundlegend zu verändern. Denn viel zu oft werden im Namen der Tourismusentwicklung  Menschenrechte verletzt, Arbeitskräfte ausgebeutet und die Natur zerstört. Kurz: Er steht im scharfen Kontrast zu nachhaltiger Entwicklung.


Die Transformation unserer Welt

Unter dem visionären Titel „Die Transformation unserer Welt“ haben im September 2015 alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen gemeinsam die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) verabschiedet. Die Stärke der Agenda liegt in ihrem ganzheitlichen Ansatz, ihrer Komplexität und in ihrer starken Vision einer grundlegenden Transformation unserer Welt.

Die Agenda 2030 richtet sich an alle Staaten – sowohl an Länder des Südens als auch des Nordens. Während den Ländern des Globalen Südens besondere Unterstützung zukommen soll, fordert die Agenda von Industrienationen, ihren überproportionalen Ressourcenverbrauch zu verringern und ihre Wirtschafts- und Entwicklungspolitik so zu reformieren, dass sie nicht zu Lasten anderer Länder geht. In diesem Zusammenhang ist auch der Tourismus zu sehen.


Die Transformation des Tourismus ist nötig

Obwohl der Tourismus einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige ist, reist nach wie vor nur ein kleiner Teil der Weltbevölkerung, während die Mehrheit direkt oder indirekt von seinen Auswirkungen betroffen ist. Das wirft Fragen der Gerechtigkeit auf. Mangels Regulierung auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene wächst der Tourismus ungebremst und verschärft bestehende Ungerechtigkeiten: Arbeitskräfte werden ausgebeutet, lokale Gemeinschaften vertrieben, Kulturen kommerzialisiert, endliche natürliche Ressourcen verbraucht und die Chancen zukünftiger Generationen gefährdet.

Die notwendige Transformation unserer Welt kann nur mit einer grundlegenden Tourismuswende gelingen.

Transforming Tourism Initiative


Die Agenda 2030 als Referenzrahmen

Damit der Tourismus zu nachhaltiger Entwicklung beiträgt, braucht es eine grundlegende Wende im Tourismus. Business as usual ist keine Option. Menschenrechte und Selbstbestimmung der Gemeinschaften müssen im Mittelpunkt jeglicher Tourismusentwicklung stehen, die Vorteile des Tourismus gerecht verteilt werden. Nur wenn der Tourismus die Lebensbedingungen vor Ort verbessert, unterstützt er nachhaltige Entwicklung.

Die Agenda 2030 fordert mehrfach nachhaltigen Tourismus und bekennt sich zum notwendigen Wandel. Damit bietet die Agenda 2030 einen wichtigen Referenzrahmen, um die Forderungen nach einer grundlegenden Wende im Tourismus wieder in den öffentlichen Diskurs zu bringen.

Dennoch hat die Agenda Schwächen. Einige Ziele und Indikatoren zur Messung der Zielerreichung sind nicht klar genug definiert. Insbesondere die tourismusbezogenen Indikatoren, setzen unreflektiert auf ein unreguliertes Wachstum des Sektors mit erheblichen Nebenwirkungen. Statt die Entwicklung des Tourismus per se zu fördern, müssen Stellschrauben identifiziert werden, die zum Wandel des Sektors beitragen.


Als komplex verzweigter Sektor hat der Tourismus beträchtlichen Einfluss auf die Lebenssituation der lokalen Bevölkerung und Arbeitskräfte sowie auf ihre Umwelt und Kultur. Damit kann der Tourismus maßgeblich zur Erreichung eines jeden SDG beitragen. In einem Online-Kompendium haben Experten aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft die Verbindung von Tourismus und jedem einzelnen SGD analysiert.

In den folgenden Zielvorgaben ist der Tourismus in der Agenda 2030 explizit erwähnt:

Ziel 8: Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern.
Zielvorgabe  8.9:  Bis 2030 Politiken zur Förderung eines nachhaltigen Tourismus erarbeiten und umsetzen, der Arbeitsplätze schafft und die lokale Kultur und lokale Produkte fördert.

Ziel 12: Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen.
Zielvorgabe 12.b: Instrumente zur Beobachtung der Auswirkungen eines nachhaltigen Tourismus, der Arbeitsplätze schafft und die lokale Kultur und lokale Produkte fördert, auf die nachhaltige Entwicklung erarbeiten und anwenden.

Ziel 14: Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen.
Zielvorgabe 14.7: Bis 2030 die sich aus der nachhaltigen Nutzung der Meeresressourcen ergebenden wirtschaftlichen Vorteile für die kleinen Inselentwicklungsländer und die am wenigsten entwickelten Länder erhöhen, namentlich durch nachhaltiges Management der Fischerei, der Aquakultur und des Tourismus.

Publikationen

Profil 20 - Tourismuswende

Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Die Transformation im Tourismus gestalten

Download (PDF)

Tourism Watch fordert:

Politikwende

Alle Staaten sind gefordert, die Agenda 2030 - auch im Tourismus - umzusetzen. Sie müssen dem bisher weitestgehend unregulierten Sektor verbindliche Spielregeln auferlegen und diese  durchsetzen. Auch die UNWTO, die Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Tourismus, ist gefragt, übergreifende Initiativen hierzu zu unterstützen und den Dialog aller Akteure zu fördern. Effektive Mechanismen für die Mitbestimmung von Zivilgesellschaft und lokalen Gemeinschaften bei der Tourismusentwicklung müssen geschaffen und ein menschenrechts-basierter Ansatz im Tourismus gestärkt werden. Globale Strategien zur Verringerung des Verbrauchs von Ressourcen wie Land oder Wasser und der Emissionen, insbesondere aus dem Flug- und Schiffsverkehr, sind dringend notwendig.

Unternehmenswende

Auch Unternehmen sind gefordert, ihre Managementprozesse entlang aller 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung sowie an die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten auszurichten. Sie müssen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten über die gesamte touristische Wertschöpfungskette – von der Anreise bis zu den Aktivitäten vor Ort - wahrnehmen und transparent darüber berichten. Wenn sie Produkte vor Ort einkaufen und lokale MitarbeiterInnen zur fairen Konditionen einstellen, können sie die lokalen Märkte besser integrieren und die Wertschöpfung ankurbeln.

Konsumwende

Zu guter Letzt sind auch die Reisenden gefragt, selbst Verantwortung zu übernehmen, indem sie ihre GastgeberInnen und deren Kultur respektieren, achtsam mit den knappen lokalen Ressourcen umgehen, die lokale Wirtschaft unterstützen und die Würde ihrer Gastgeber achten.

 

Seit mehr als 40 Jahren setzen sich zivilgesellschaftliche Organisationen dafür ein, den Stimmen der vom Tourismus marginalisierten Menschen Gehör zu verschaffen – so auch im Prozess der Agenda 2030. In einem Online-Kompendium analysierten Experten aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft detailliert die Verbindungen zwischen Tourismus und den einzelnen SDGs.

Die Autoren und weitere Vertreter tourismus-kritischer, wissenschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen trafen sich im März 2017 in Berlin, um die Agenda 2030 gemeinsam zu diskutieren. Mehr als 30 TeilnehmerInnen aus 19 Ländern brachten ihre Erfahrung, Expertise und Bedenken ein. Gemeinsam entwickelten sie die Berlin Declaration on "Transforming Tourism". Damit möchten sie weiterführende Debatten und Reflektionen anstoßen und fordern die Umsetzung konkreter, dringend notwendiger Maßnahmen.


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