Tourismuswirtschaft und Regierungen sind sich schnell einig, dass nachhaltiger Tourismus ein Entwicklungsgarant ist. Die Einigkeit wird auch dadurch gestärkt, dass beide, wenn es um Tourismus geht, gerne unter sich bleiben. Bei Strategieberatungen und Planungsrunden bleiben Zivilgesellschaft und die Menschen aus den Zielgebieten meist außen vor. So auch auf der bevorstehenden ITB, wo im Rahmen eines halben Sonder-Kongresstages „nachhaltige Entwicklung“ im Fokus steht. Die Menschen aber, denen diese nachhaltige Entwicklung dienen soll, fehlen bei den Diskussionen. Stattdessen präsentieren sich Minister, Generalsekretäre und Unternehmensvertreter.
Wem aber nutzt das Wachstum des internationalen Tourismus? Für die Menschen in den Urlaubsländern des Globalen Südens ist der Tourismus oft beides zugleich: Entwicklungshoffnung und Armutsrisiko. Volkswirtschaftler weisen darauf hin, dass der Tourismus zum Verelendungswachstum neigt – also der
wirtschaftliche Nutzen geringer sein kann als die gesellschaftlichen und/oder ökologischen Kosten. Belege gibt es viele: Die Proteste der Anwohner gegen Kreuzfahrttourismus in Venedig, Strände in Thailand, die wegen ökologischer Übernutzung geschlossen werden, oder der Aufruf der Karibikinsel Aruba, All-Inklusive-Tourismus zu begrenzen. Zoomt man etwas weiter heraus, fallen auch die globalen Wirtschaftsstrukturen auf: Steuervermeidung global agierender Reiseunternehmen und Korruption gehen gerade ärmeren Reiseländern an die Substanz und verbauen ihnen Chancen auf Entwicklung.
Wenn die Entwicklungspolitik nun auf die Tourismusbranche als Katalysator für nachhaltige Entwicklung setzt – wie dies gerade in Deutschland und anderen Ländern mit starker Tourismuswirtschaft geschieht – ist sie gut beraten, nicht den Bock zum Gärtner zu machen. Manchmal gehen nachhaltiger Tourismusund nachhaltige Entwicklung Hand in Hand. In anderen Fällen stellt sich eher die Frage, wie nachhaltige Entwicklung trotz Tourismus realisierbar ist.
Nachhaltige Entwicklung braucht klare Leitplanken, die die ökologischen und sozialen Kosten mit einbeziehen und den Menschen vor Ort Mitbestimmung und Mitgestaltung ermöglichen. Deswegen freuen wir uns auf die kommenden Tage: Gut 30 Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaft aus mehr als 17 Ländern des Globalen Nordens und Südens treffen sich in Berlin, um im Lichte der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung Perspektiven des Tourismus zu diskutieren. Sie werden auf der anschließenden ITB eine Deklaration präsentieren und ihre Mitsprache einfordern.
Wir freuen uns auf viele interessante Gespräche zwischen dem 8. und 12. März 2017 an unserem ITB-Stand Nummer 221 in Halle 4.1 der Messe Berlin und laden Sie herzlich zu unserer Veranstaltung „Leave no one behind – Participation and decision making in tourism“ am 8. März um 16 Uhr auf der großen Bühne, ebenfalls in Halle 4.1, ein.