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Risiken und Chancen für die Ernährungssicherheit

Landwirtschaft und Tourismus auf den Philippinen


Tourismus als wichtigste Wirtschaftsaktivität ist mit Vor- und Nachteilen verbunden. Auf den Philippinen verdienen einige Einheimische heute zwar daran, doch beeinträchtigt dies ihre Rolle als Versorger der Gemeinschaft. Viele Fischer, die einst für ganze Dörfer Fisch fingen, arbeiten heute als Reiseleiter oder Taxifahrer. Die Menschen vor Ort müssen einen großen Teil ihrer Lebensmittel nun von außerhalb beziehen. 

Auf den Philippinen mussten viele indigene Gemeinschaften in Mindanao großflächigen Tourismusprojekten weichen und wurden von ihrem heiligen, angestammten Land verdrängt. Während die Unternehmen profitierten, verloren die Einheimischen ihre Lebensgrundlage und die lokale Nahrungsmittelproduktion wurde erheblich beeinträchtigt. Im Laufe der Jahre wurde der Sebu-See, die Heimat der T’boli, die auch als Traumweber von T’nalak bekannt sind, zu einem klassischen Beispiel für derartige Vertreibungsprozesse. Der heilige See wurde zu einer vom Tourismus und Kommerz geprägten Region, in der Migranten und ausländische Investoren einen Großteil der Hotelanlagen besitzen. 

Die indigene Bevölkerung der Region wurde reduziert auf eine Rolle als landlose Hotelangestellte und Entertainer. Mit dem Verlust ihres Landes und ihrer Lebensgrundlage gingen Veränderungen im Lebensstil und eine neue gesellschaftliche Dynamik einher. Die Gemeinschaften verloren die Kontrolle über ihre Nahrungsmittelproduktion und die Souveränität über ihr Land. Das einst robuste System des lokalen, nachhaltigen Nahrungsmittelanbaus wurde von eigennützigen Privatunternehmen zerschlagen – auf Kosten der Selbstbestimmung und des Fortbestehens indigener Gemeinschaften. Importe und steigende Lebensmittelpreise. Mit der Kommerzialisierung ganzer Orte gingen Preissteigerungen einher. Der Tourismus hat dazu beigetragen, dass Unternehmen die Lebensmittel und Fischpreise vor Ort diktieren. Auf vielen Inseln können die Einheimischen nicht mehr zu lokalen Preisen einkaufen. Insbesondere auf kleinen Inseln kommt es oft zu Engpässen mit vor Ort erzeugten Nahrungsmitteln. Nahrungsmittel werden importiert, von anderen Inseln oder aus dem Ausland. Durch die zusätzlichen Frachtkosten, den Transport- und Arbeitsaufwand sind diese Produkte teurer als lokal produzierte. 

Bauern ohne Nahrung 

Die Reisterrassen von Banaue im Norden der philippinischen Insel Luzón wurden 1995 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Auf den Terrassen, die das Volk der Ifugaos über Jahrhunderte mit Stolz erfüllt hatten, wächst heute nicht mehr genug Reis, um die eigene Gemeinschaft zu versorgen. Die Landwirtschaft stirbt. Zwar kommen Touristen, um die weltberühmten Reisterrassen zu sehen, doch in der jungen Generation will kaum noch jemand Bauer werden und Reis und Gemüse anbauen. Manche Reisbauern verkaufen ihren biologisch angebauten Bergreis lieber zu einem guten Preis, als dass sie ihn selbst verbrauchen. 

Auswirkungen des Klimawandels 

Auch die Klimaveränderungen beeinträchtigen die Landwirtschaft. Je nach Ernte kommt es zu Überproduktion oder Versorgungsengpässen. Daraus ergeben sich Preisschwankungen. Extreme Wetterereignisse wie Super-Taifune können ganze Ernten zerstören. Der Klimawandel fordert einen Paradigmenwechsel: einen anderen Lebensstil, andere Einstellungen und andere Wege, um zu lernen – auch auf Reisen.

Reisen im eigenen Land 

Auch der Inlandstourismus auf den Philippinen trägt zum Wandel der Nahrungsmittel-Ökonomie bei. Filipinos bringen gerne etwas zu essen als ‚pasalubong’(Mitbringsel) oder Geschenk von einer Reise mit. Das unterstützt die einheimische Wirtschaft, denn philippinische Touristen kaufen lokaltypische Produkte, um sie zuhause mit anderen zu teilen. Von Kleinbauern angebaute Erzeugnisse wie Kaffee, Kakao und Tee finden so neue Absatzmärkte. Kommunalverwaltungen fördern das Konzept ‘eine Stadt, ein Produkt’, um Gemeinschaften vor Ort zu helfen, kreatives Unternehmertum zu entwickeln. 

Auch der kulinarisch motivierte Tourismus hat das Interesse der einheimischen Touristen geweckt. Es gibt zunehmend mehr Hotelanlagen, die Nahrungsmittel für ihren Verbrauch vor Ort selbst anbauen, sowie Pauschalangebote im Bereich des Agrotourismus. Verkostungen verschiedener lokaler Spezialitäten sowie Besuche von Produktionsstätten erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit bei den Filipinos.

Tourismus zur Verbreitung des ökologischen Anbaus 

Reisen kann den Blick der Touristen dafür schärfen, wie ihr Essen auf den Tisch kommt, unter welchen gesellschaftlichen und ökologischen Bedingungen es produziert wird – sowohl im Urlaub als auch zu Hause. Reisende können die gewonnenen Erkenntnisse mit anderen teilen, z.B. über Blogs oder Artikel zum biologischen Anbau. Dabei können sie nicht nur praktische Informationen vermitteln, sondern Geschichten von Menschen vor Ort erzählen, von denen andere Gemeinschaften lernen können. Menschen reisen und die Geschichten können mit ihnen reisen. 

Eines der größten Netzwerke von Reisenden, das mit dem Anbau von Nahrungsmitteln zu tun hat, heißt “World Wide Opportunities on Organic Farms” (WWOOF). Es ist ein Netzwerk von Menschen aus aller Welt, das Freiwillige an Öko-Landwirtschaftsbetriebe vermittelt. Oft spenden die Reisenden einen geringen Beitrag, meist arbeiten sie jedoch in den Betrieben der Gastgeber mit, um für Kost und Logis aufzukommen. Eine der Möglichkeiten, Land und Leute kennenzulernen, besteht darin, bei einer einheimischen Familie zu leben und an der Philosophie und den Prinzipien des biologisch-organischen Anbaus teilzuhaben. Wer so um die Welt reist, kann seine Erfahrungen mit anderen Biobauern teilen. Einige Reisende bleiben vielleicht nur ein paar Tage, andere mehrere Monate. Sie sind Teil einer bewussten Gemeinschaft von Aktiven, die lokale Gemeinschaften beim Anbau ihrer eigenen Nahrungsmittel unterstützen. 

Ma Rosalie Abeto Zerrudo studierte Psychologie und Bildende Kunst. Sie arbeitet und unterrichtet als Multimedia- Künstlerin und verbindet ihre auf bürgerschaftlichem Engagement und philippinischer Kultur basierende Kunst mit Abenteuer, intuitiven Prozessen und Spiritualität. 

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp 

(5.920 Zeichen, März 2017, TW 86)