Die Armut auf der Welt zu verringern und dabei alle Menschen „mitzunehmen“ bleibt oberstes Ziel auf der internationalen Entwicklungsagenda. Der Tourismus spielt dabei oft eine ambivalente Rolle. Damit er Entwicklungsprozesse nicht sabotiert, sondern gezielt unterstutzt, sind verschiedene Voraussetzungen und Prioritatensetzungen notig. Ein gelungenes Beispiel dafur ist die Kibale Association for Rural and Environmental Development (KAFRED) in Bigodi (Uganda), die in diesem Jahr mit dem TO DO! Preis für sozialverantwortlichen Tourismus ausgezeichnet wird. In den 1990er Jahren zahlte Bigodi im Westen Ugandas zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Regionen des Landes. Mit Hilfe der Einnahmen aus dem Tourismus und den am Gemeinwohl orientierten Entscheidungen seiner Bewohner wurde es zu einem überzeugenden Beispiel von Eigeninitiative im gemeindebasierten Tourismus und erzielte beachtliche Entwicklungserfolge.
Schutz biologischer Vielfalt als Chance
In den 90er Jahren nahmen die Abholzung der Urwaldgebiete und die Erschließung neuer Agrarflachen in Uganda schnell zu. Doch das Sumpfgebiet von Bigodi war noch weitgehend intakt, als 1993 der nur wenige Kilometer entfernte Kibale Natur- und später Nationalpark ausgewiesen wurde. Das Sumpfgebiet wurde nicht in den Park integriert. Es stellt ein völlig anderes Biotop dar, mit acht Primaten-, über 200 Vogel-, mehr als 25 Libellenarten und einzigartiger Vegetation. Die Anwohner beschlossen, diese Vielfalt vor ihrer Haustür langfristig zu schützen und das Feuchtgebiet mit kleinen Holzwegen für Touristen zuganglich zu machen. So ließ sich das Ökosystem erhalten und wurde zur Start- und Entwicklungshilfe für die ganze Region.
Partizipation als Schlüssel
Partizipation ist der Dreh- und Angelpunkt, um den Interessen der Mehrheit der Bewohner Rechnung zu tragen. Als KAFRED vor 25 Jahren gegründet wurde, hatte die Organisation allerdings zunächst viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Auch heute sind immer wieder Entscheidungen erforderlich, um die Fortführung des Projektes abzusichern. Die meisten Bauern verfugen nach wie vor über sehr wenig Geld. Da ist die Verlockung gros, zum Beispiel durch illegalen Holzeinschlag schnelles Geld zu verdienen. KAFRED versucht zu vermitteln, zu schlichten und die Leute verstärkt in die Organisation und in lokale Gruppen einzubinden. Gelegentlich muss klargestellt werden, dass Überschüsse aus der Projektarbeit nicht in den privaten Konsum fliesen, sondern dem Gemeinwohl dienen sollen. Die Bewohner von Bigodi entscheiden gemeinsam, was mit den Einnahmen aus dem Tourismus geschehen soll. Die Prioritäten, die sie setzen, schließen Lücken in der Grundversorgung in wesentlichen Entwicklungsbereichen.
Bildung
Als erstes wurde der Bau einer Sekundarschule in Angriff genommen, die 1993 eröffnet und später erweitert werden konnte. Bis heute wird sie mit Einnahmen aus dem Tourismus finanziert. Bis dahin hatte es im Ort nur eine Primarschule gegeben. Der Besuch einer weiterführenden Schule war praktisch nicht möglich, denn die nächste Sekundarschule war fast 40 Kilometer entfernt, die Straße war nicht asphaltiert und in den Regenzeiten oft unpassierbar. Ihre Kinder im Internat unterzubringen, konnte sich kaum eine Familie leisten. Inzwischen werden in der Sekundarschule von Bigodi jährlich 320 Schülerinnen und Schuler unterrichtet, besonders begabte erhalten Stipendien. Trotz Schulunterricht können die Kinder im Haushalt mithelfen, sodass ihre Eltern den Schulbesuch erlauben. Seit der Gründung absolvierten über 1.000 Jugendliche die Sekundarschule in Bigodi. Der Ausbildungsstand in der Gemeinde ist gestiegen und damit auch die Chancen der Absolventinnen und Absolventen auf Beschäftigung.
Wasserversorgung
Als zweites großes Projekt wurde die Wasserversorgung verbessert. Vor allem die nicht direkt im Zentrum wohnenden Familien waren zuvor gezwungen, ihr Wasser in Kanistern im Ort zu kaufen. Das Wasser war teuer, oft verunreinigt und musste mühsam transportiert werden. Durch das KAFRED- Wasserprojekt konnten bisher rund 80 Haushalte an das Wassernetz angeschlossen werden. Seit 2014 gibt es nun auch in abgelegenen Ortsteilen eine direkte Wasserversorgung. Die Familien erhalten sauberes Wasser ins Haus, das zudem billiger ist als in Kanistern. Im Durchschnitt spart ein Haushalt so ca. 100 Euro pro Jahr. Zudem ist es für die Frauen eine wesentliche Erleichterung ihres Arbeitsalltags.
Gesundheit, Energie, Ressourcenschonung
Neben der kleinen Klinik im Ort wurde mit den Einnahmen aus dem Tourismus ein Gebäude für Hebammen gebaut. Die Hebammen bleiben jetzt auch über Nacht erreichbar und schwangere Frauen müssen zur Entbindung oder bei Komplikationen nachts nicht mehr in die Klinik ins 40 Kilometer entfernte Fort Portal gebracht werden. In Zusammenarbeit mit dem Kibale Fuel Wood Project wurden in der Gemeinde rund 100 energiesparende Lehmöfen gebaut. Im Vergleich zum traditionellen Drei-Steine-Feuerplatz braucht man für diese Lehmöfen zwei Drittel weniger Feuerholz. Somit werden die Baumbestände geschont und jeder Haushalt spart umgerechnet etwa 100 Euro im Jahr.
Herausforderung Vulnerabilität
Es ist in Bigodi gelungen, durch Tourismus gemeinschaftlich Mittel für Entwicklungsprojekte zu generieren, durch die die Armut in der Region in verschiedenen Dimensionen verringert werden konnte. Doch der noch nicht überwundene Rückgang des Tourismus in Folge von Ebola seit 2013 zeigt die Anfälligkeit und Unsicherheit des touristischen Geschäfts. Die Rückschläge ebenso wie Strukturveränderungen im Tourismus wirken sich auch in Bigodi aus. Rucksacktourismus prägte das Reisen in Uganda bis in die 2000er Jahre. Seitdem dominieren Gruppenreisen und die Ansprüche der Touristen an die Unterkünfte sind gestiegen. Die Tourismuseinnahmen in Bigodi konnten seit 2013 nicht mehr gesteigert werden. Zeitweise waren sie sogar rückläufig und KAFRED musste Projekte zurückstellen. Eine Zeit lang konnten die Gehälter an die Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarschule nur sehr verspätet gezahlt werden. Es wurde deutlich, wie wichtig es ist, die Abhängigkeit vom Tourismus zu verringern und Mindereinnahmen durch Diversifizierung und Entwicklung neuer Produkte auszugleichen. Gleichzeitig muss der Staat stärker in die Pflicht genommen werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung steht bevor: Ab 2017 will der Staat die Gehälter der über 20 Lehrkräfte der Sekundarschule übernehmen.
Dietmar Quist war als Gutachter im Auftrag des Studienkreis für Tourismus und Entwicklung in Uganda und hat die Preiswürdigkeit der Arbeit von KAFRED für den TO DO! Wettbewerb sozialverantwortlicher Tourismus überprüft.
Weitere Informationen: www.todo-contest.org, www.bigodi-tourism.org
(6.521 Zeichen, März 2017, TW 86)