Sicherheit ist mehr als die Abwesenheit von Terror, auch wenn die Diskussionen rund um die Fußball-Europameisterschaft und vor den bevorstehenden Sommerferien einen anderen Eindruck erwecken. Reiseveranstalter sprechen in diesen Tagen von einem „subjektiven Unsicherheitsgefühl“ und wollen damit deutlich machen, dass die Angst vermutlich größer sei als die reale Gefahr. Politiker und Sicherheitsexperten werden nicht müde zu wiederholen, dass es absolute Sicherheit nicht geben könne – nirgendwo.
Neben unvorhersehbaren und unvermeidlichen Gefahren existieren im Tourismus aber auch systemische, strukturelle Risiken, die vermeidbar wären. Von ihnen ist selten die Rede. Wohl auch weil diese Risiken nicht die Reisenden tragen, sondern die Menschen, die in beliebten Reiseländern leben, in Hotels arbeiten oder Ausflugsprogramme anbieten. Wir möchten in dieser Ausgabe zeigen, wo im Tourismus strukturelle Sicherheitsdefizite liegen. Dazu zählen mangelnde soziale Sicherheit und fehlender Arbeitsschutz, aber auch Risiken die entstehen, weil Einheimische versuchen, den Gästen alle Wünsche zu erfüllen – auch illegale, wie die Beschaffung von Drogen oder das Betreten von Sperrgebieten. Hohe Opferzahlen sind darüber hinaus auf den Großbaustellen der Welt zu verzeichnen, wo für den Bau von Luxushotels und Sportstätten jedes Jahr Hunderte von Arbeitsmigranten ihr Leben lassen.
Frauen und Kinder sind im Tourismus besonders häufig schutzlos dem Risiko sexueller Übergriffe ausgesetzt. Die globale Studie von ECPAT International zur sexuellen Ausbeutung von Kindern im Tourismus gibt leider keine Entwarnung, sondern zeigt, wo im Umfeld des Tourismus neue Risiken entstanden sind. Und der sehr persönliche Bericht eines ehemaligen Waisenjungen in Kenia macht deutlich, wie Kinder in Waisenhäusern für touristische Besuchs- und Freiwilligenprogramme ihrer Würde beraubt werden.
Wie weiter mit diesen Erkenntnissen? Reiseveranstalter sind gefragt, die Sicherheit ihrer Kunden, ihrer Mitarbeiter und der Menschen vor Ort auf eine Stufe zu stellen und endlich gleichen Schutz für alle zu verwirklichen. Als Reisende müssen wir vorsichtiger werden, um unsere Gastgeber nicht unbeabsichtigt in Gefahr zu bringen.
Und was ist mit den Risiken, die vor Ort entstehen, weil Urlaubsländer plötzlich wegen Sicherheitsbedenken seltener bereist werden? Der Aufschrei in Deutschland war groß, als die kanadische Regierung vor einigen Monaten vor Reisen nach Ostdeutschland warnte. Die Menschen fühlten sich bloßgestellt und in Sippenhaft genommen mit unverbesserlichen Rassisten. Gleiches gilt für alle Menschen weltweit, deren Länder als Hort der Gefahr für Reisende dargestellt werden – ohne dass von den friedlichen Gegenbewegungen und sicheren Orten die Rede ist. Je mehr „Unsicherheits“-Informationen wir erhalten, umso genauer müssen wir hinhören, Informationen sammeln und diese besonnen einordnen.
In eigener Sache begrüßen wir in dieser Ausgabe Laura Jäger, die die Arbeitsstelle Tourism Watch als Projektbearbeiterin für Tourismus und Entwicklung komplettiert und bedanken uns bei ihrer Vorgängerin Corinna Rach für ihre langjährige Mitarbeit und ihr Engagement.