Viele Deutsche – ob mit oder ohne Migrationshintergrund, hier geboren oder anderswo - sind es gewohnt, als Touristen Gast zu sein. Dass sie auch häufig Gastgebende sind, beweisen die Statistiken der globalen Tourismuszähler, bei denen Deutschland regelmäßig einen der vorderen Plätze belegt. Viele Menschen hierzulande zeigen seit Monaten, wie Gastfreundschaft auch außerhalb des Tourismus aussieht, indem sie sich für Flüchtlinge engagieren.
In Deutschland sind im Tourismus Menschen aus über 100 Nationen beschäftigt. Unter dem Titel „Wir zeigen Gesicht“ hat die Branche jetzt ein Dossier zum Thema Flüchtlinge veröffentlicht. Sie bezieht damit Stellung für eine Willkommenskultur und liefert starke volkswirtschaftliche Argumente gegen Fremdenhass und Menschenfeindlichkeit.
Das Dossier zeigt auf, wie die Branche Beschäftigungs-möglichkeiten und Integrationspotenziale proaktiv anbieten kann. Es verschweigt aber auch nicht, dass der Tourismus nicht selbstlos vorangehen möchte, sondern auf neue Arbeitskräfte angewiesen ist. Darüber, dass das Hotel- und Gaststättengewerbe als Arbeitgeber einen schlechten Ruf zu genießen scheint und auch 2015 erneut viele Lehrstellen unbesetzt blieben, wird weniger gern gesprochen. Während es in dem Dossier vor allem um Einstiegsmöglichkeiten und Praktika für Flüchtlinge geht, die ohne Zweifel bei der Integration helfen, bleiben Fragen zur Chancengleichheit und den Karrieremöglichkeiten von Beschäftigten mit Migrationshintergrund unbeantwortet.
Auch in Europa sind Beschäftigungsverhältnisse im Tourismus häufig prekär. Noch viel mehr gilt dies für Entwicklungsländer, wo Arbeitsschutz und Sozialleistungen oft nicht gewährleistet sind. Problematisch stellt sich die Situation insbesondere für Migranten dar, die noch gefährdeter sind, ausgebeutet zu werden. Es ist deswegen nicht anachronistisch, dass in Großbritannien jetzt ein Gesetz zur Verhinderung moderner Formen von Sklaverei erlassen wurde, über das wir mit einem britischen Menschenrechtler sprechen. Aus Dubai, Nicaragua und anderen lateinamerikanischen Ländern kommen Berichte zu prekären Arbeitsbedingungen in der Hotellerie. Doch wir betrachten auch weitere Facetten im Kontinuum zwischen Tourismus und Migration. So hat der Zuzug ausländischer Rentner und Rentnerinnen als „Residenztouristen“ erhebliche Auswirkungen auf die einheimische Bevölkerung in Ecuador und führt seinerseits wiederum zu Verdrängungsprozessen und Migration.
Doch zuerst schauen wir nach Paris: Nur drei Wochen nach den verheerenden Terroranschlägen mit 130 Toten fanden dort die Weltklimaverhandlungen statt. Beides hat direkt mit dem Tourismus zu tun. Neben Betroffenheit und Fassungslosigkeit sorgte der Terror in Paris auch dafür, dass Reisewarnungen neu hinterfragt werden – wo sie nun nicht für weit entfernte Länder in Asien oder Nordafrika diskutiert werden, sondern für Länder im Herzen Europas. Auch der Klimagipfel hat sehr viel mit Tourismus zu tun. Endlich standen die Emissionen des internationalen Verkehrs wieder – und stärker – auf der Tagesordnung. Sie konterkarieren nämlich die Vorstellung von einer Welt, in der die Klimaerwärmung beherrschbar ist. Verbindliche Reduktionen und die weitergehende Emanzipation des Tourismus vom Flugverkehr und der Schifffahrt sind Gebote der Stunde – und werden es auf lange Sicht noch bleiben.