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Gewerkschaftskampagne für menschenwürdige Arbeitsbedingungen

Lateinamerikanische Erfahrungen aus dem Housekeeping


Mit einer Aktionswoche in vielen Teilen der Welt machten Anfang November 2015 Zimmermädchen und Roomboys auf ihre Tätigkeit und ihre inakzeptablen Arbeitsbedingungen aufmerksam. Die Aktionen waren Teil der internationalen Gewerkschaftskampagne „Für einen sicheren und geschützten Arbeitsplatz“.

Organisiert wurde die Kampagne von der Internationalen Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant-, Café- und Genussmittelarbeiter-Gewerkschaften (IUL). Die IUL ist ein globaler Gewerkschaftsbund mit ca. 2,6 Millionen Mitgliedern aus über vierhundert Mitgliedsorganisationen in 126 Ländern.

In Lateinamerika beteiligte sich Hotelpersonal aus Argentinien, Brasilien und Nicaragua an der Aktionswoche zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Zimmerpersonals. Wie viele andere nahm auch Mercedes Sosa aus Nicaragua daran teil. Elf Jahre lang hat sie als Zimmermädchen in einigen der bekanntesten Hotels ihres Landes gearbeitet. Derzeit ist sie Dozentin an der Nationalen Hotelfachschule. In einem Interview, aufgezeichnet von Giorgio Trucchi in der Regionalstelle der IUL, erklärte sie: „Ich kenne die Arbeitsbedingungen der Zimmermädchen sehr gut. Die enorme Anzahl an Zimmern, die sie in immer kürzerer Zeit betreuen müssen, die niedrigen Löhne sowie den Mangel an Sicherheitsmaßnahmen und Schutzbekleidung und die Schwierigkeiten, sich gewerkschaftlich zu organisieren. All das hat schwere Krankheiten zur Folge – von psychischen Störungen bis hin zu lebenslangen gesundheitlichen Schäden.“

Wachsender Tourismus, sinkende Löhne

Während einer Veranstaltung der argentinischen Hotellerie- und Gastronomiegewerkschaft UTHGRA in Salta, Argentinien, wies der lateinamerikanische Regionalsekretär der IUL, Gerardo Iglesias, auf den Widerspruch zwischen dem Wachstum des Tourismus und den sich immer weiter verschlechternden Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in diesem Sektor hin: „Die Tourismusbranche wächst und wächst, kaum ein Tisch kann die Riesen-Torte noch tragen. Aber dies spiegelt sich nicht in den Arbeitsbedingungen und den Löhnen derjenigen wider, die im Tourismus arbeiten. (…) Zwar beziehen diese Arbeitskräfte einen Lohn, können aber dem Teufelskreis der Armut nicht entkommen. Dem Tourismus geht es bestens, während Tausende von Zimmermädchen weltweit tagtäglich geschunden werden und unter Strapazen, Schmerzen, Stress, Krankheiten und Depressionen leiden.“

Für eine Präventivkultur in Hotelbetrieben

Auch Patricia Mantovano, Gewerkschaftsführerin der UTHGRA in Argentinien und treibende Kraft der internationalen IUL-Kampagne, unterstreicht die schweren gesundheitlichen Folgen: „Die Arbeit der Zimmermädchen wird als leichte Arbeit angesehen, aber tatsächlich verursacht das Heben schwerer Lasten, die ständig wiederholten Bewegungsabläufe und besonders der schnelle Arbeitsrhythmus schwere Gesundheitsschäden.“ Deswegen fordert sie vehement eine Präventivkultur in den Betrieben, durch die die tägliche Situation tausender Hotelmitarbeitender verbessert werden soll.

Mercedes Sosa in Managua sagt: „Über die Arbeitsbedingungen der Zimmermädchen ist allgemein sehr wenig bekannt. Deswegen möchte wir mit unserer Kampagne auf die Situation aufmerksam machen und ein Bewusstsein für diese Realität schaffen.“ Und tatsächlich haben die Aktionen der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie der Gewerkschaftsorganisationen deutlich gemacht, dass man kaum von Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung der Unternehmen im Tourismus reden kann, solange nicht menschenwürdige Arbeit für alle Beteiligten im Tourismussektor garantiert wird – eine Aufgabe, die leider noch vor uns liegt.

Ernest Cañada ist Koordinator der katalanischen Organisation "Alba Sud – Investigation and Communication for Development" und Mitglied der "Group to Research Sustainability and Territory (GIST)" an der Universität der Balearen.

Übersetzung aus dem Spanischen: Sabine Reichert-Rubio

(3.730 Zeichen, Dezember 2015, TW 81)