Alle wollen nachhaltigen Tourismus: Touristen, Reiseveranstalter, Zielgebiete. Eine gesunde Umwelt, frische Luft, sauberes Wasser und intakte Natur stehen ganz oben auf der touristischen Prioritätenliste. Urlaubs- und Pauschalreisen lassen sich zunehmend auch gut in Form eines nachhaltigen Angebots verkaufen. Viele Menschen sind bereit, dafür durchaus etwas mehr auszugeben.
Wohl kaum ein anderer Begriff hat jemals einen solch inflationären Gebrauch erlebt wie "Nachhaltigkeit". Seit der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 hat sich die Metapher des Nachhaltigkeitsdreiecks durchgesetzt: Ökonomie, Ökologie und Soziales als die drei Säulen der Nachhaltigkeit müssen ausbalanciert werden. Die vielschichtigen Krisen der Weltwirtschaft, der fortschreitende Klimawandel und die Zahl von über einer Milliarde hungernden Menschen zeigen überdeutlich, dass ein zielgerichtetes Verständnis nachhaltiger Entwicklung anders ausgerichtet werden muss. Das Bild von Leitplanken eignet sich besser. Die eine Begrenzung bilden dabei natürliche Ressourcen und ökologische Tragfähigkeit, die andere Leitplanke Gerechtigkeit und Menschenrechte. So verstehen es auch die Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe.
Der Entwurf zur Abschlusserklärung der Nachfolgekonferenz Rio+20 nimmt Bezug auf Tourismus. Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) ist damit allerdings nicht zufrieden und weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass die entwicklungsfördernde Wirkung bestehender Tourismusformen und ‑konzepte überschätzt werde. Tourismus sei eine besonders krisenanfällige Ökonomie und trage über Flug- und Schiffsverkehr massiv zur Klimaveränderung bei. Das prognostizierte Wachstum des Tourismus konterkariere seine Nachhaltigkeit. Aus Sicht von VENRO ist ein Paradigmenwechsel erforderlich: hin zu einem an lokalen Bedürfnissen ausgerichteten und auf den Menschenrechten basierenden Konzept touristischer Entwicklung.
Rio+20 kann die Weichen neu stellen, für einen neuen Tourismus, eine nachhaltige Entwicklung und ein gutes Leben für alle. Den Vorrang von Umwelt und Entwicklung vor wirtschaftlichen Interessen festzuschreiben, wäre ein wichtiger und dringend nötiger Schritt für den blauen Planeten und die Menschen, die ihn bewohnen.