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Kampf auf Nairobis Straßen

Für bessere Arbeitsbedingungen im digitalen Taximarkt


Es ist laut, dreckig und voll auf Nairobis Straßen. Zur Rush Hour bilden unzählige Kleinbusse, Autos und Motorräder kilometerlange Staus. Fast das gesamte Verkehrsaufkommen in der kenianischen Hauptstadt wird auf den maroden und unübersichtlichen Straßen abgewickelt. Trotz vermehrter Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur bleibt die Situation in Nairobi chaotisch.

Das starke Bevölkerungswachstum wird das jetzt schon überlastete Verkehrsnetz vor zunehmende Herausforderungen stellen. Und das, obwohl laut einer Studie der Welt Bank Gruppe, bislang nur 13% aller Wege zwischen dem Wohnort und dem Arbeitsplatz in Nairobi mit dem Auto zurückgelegt werden. Weitaus mehr Arbeitswege werden nach wie vor zu Fuß (41%) oder mit  Matatu-Motorrad-Taxis (28%) erledigt. Dementsprechend groß waren die Erwartungen als im Januar 2015 ein neues Zeitalter auf den Straßen von Nairobi begann und der amerikanische Großkonzern ’Uber’ als erster Online-Taxi-Vermittlungsdienst an den kenianischen Markt ging.

Sharing and Caring

’Uber’ bringt mit einer App private Fahrerinnen und Fahrer mit Fahrgästen zusammen. Mit wenigen Klicks werden Fahrerinnen bzw. Fahrer zum Standort der Gäste bestellt, ohne dass dafür ein Anruf nötig ist. Dabei versteht sich das Unternehmen lediglich als Vermittlungsplattform. Im Unterschied zu einem klassischen Taxiunternehmen stellt ’Uber’ keine eigenen Fahrerinnen bzw. Fahrer ein, stellt keine Fahrzeuge zur Verfügung und kann dadurch Transportdienstleitungen deutlich günstiger anbieten.

Der Fahrpreis wird von ’Uber’ festgelegt, und versteht sich inklusive einer Provision in Höhe von bis zu 20 Prozent des Fahrpreises. Im Fall von ’Uber’ wird bemängelt, dass Privatpersonen, die ihre Dienste als Fahrerinnen bzw. Fahrer anbieten, oftmals nicht über die nötigen Personenbeförderungsscheine, Konzessionen oder Versicherungen verfügen. Die privaten Anbieterinnen und Anbieter handeln als selbstständige Subunternehmerinnen und -unternehmer und profitieren daher nicht von Arbeitnehmerrechten wie Kündigungsschutz, Mindestlöhnen oder Arbeitszeitregelungen. Gerichtsprozesse und verschiedene Verbotsverfahren gegen ’Uber’ auf der ganzen Welt verdeutlichen die Brisanz der Diskussion.

Neue Chancen

In Nairobi versprachen sich viele durch den Markteintritt der digitalen Taxiunternehmen eine erschwingliche, sichere und zuverlässige Möglichkeit der Fortbewegung. Auch für die Taxifahrerinnen und -fahrer selbst eröffneten sich Chancen. Um für 'Uber' Fahrten zu übernehmen, braucht man lediglich eine gültige Fahrerlaubnis und einen Personenbeförderungsschein und ein Smartphone. Viele mieten oder leihen ein Auto.

Dadurch dass sowohl Fahrerinnen und Fahrer als auch Fahrgäste ihre persönlichen Daten hinterlegen müssen und die Fahrwege über die App-Betreiber aufgezeichnet werden, sei das Taxigeschäft sehr viel sicherer als zuvor und eröffne für Fahrerinnen und weibliche Gäste neue Möglichkeiten, so die Fahrerin Faridah Khamis. Sie ist eine von rund 200 weiblichen Fahrerinnen in der männerdominierten Taxibranche.

So stieg sowohl die Zahl der digitalen Taxifahrerinnen und -fahrer, als auch die Zahl Fahrgäste in Nairobi rasant an. Bis heute ist die Zahl der digitalen Taxifahrerinnen und -fahrer allein in Nairobi auf rund 12.000 gestiegen. 

Der Hype ums Online-Taxi-Geschäft

Es dauerte nicht lange bis Unternehmen, wie ’Little Cab‘, ’Taxify’, ’Mondo’ oder ’Fone Taxi’ das Geschäftsmodell adaptierten und die Monopolstellung von ’Uber’ auf dem kenianischen Markt angriffen. Es kam zu einem regelrechten Preiskampf unter den digitalen Taxi-Apps.

Leidtragende sind die Taxifahrerinnen und -fahrer, deren Existenz durch sinkende Löhne zusehends bedroht ist. Heute zahlen sie oftmals eine Aufnahme- und eine Grundgebühr und geben bis zu 25% des Fahrpreises als Kommission an die App-Betreibenden ab. Darüber hinaus kämpfen die Fahrerinnen und Fahrer mit steigenden Benzinpreisen und Leihgebühren für Miettaxis. Viele Taxifahrerinnen und -fahrer bedienen mehrere Taxi-Apps gleichzeitig, um ihre Auslastung zu erhöhen und genügend Geld für die Versorgung ihrer Familien zu verdienen. „Die jetzige Situation ist sehr hart. Jeden Tag registrieren sich mehr und mehr Fahrer und neue Apps kommen auf den Markt. Sie [die Apps] müssen niedrige Preise ansetzen. Aus diesem Grund müssen  wir hart arbeiten, […] bis zu 12 Stunden am Tag", sagt Taxifahrerin Faridah Khamis.

Flächendeckender Handlungsbedarf

In den letzten zwei Jahren protestierten die Fahrerinnen und Fahrer gegen die prekären Arbeitsbedingungen. Die Proteste gipfelten im Juli 2018 in einem neuntägigen Streik, der Teile des Verkehrssystems in Nairobi lahm legte. Der Streik mündete in der Unterzeichnung einer Grundsatzvereinbarung („Memorandum of Understanding“, MoU) zwischen dem kenianischen Verkehrsministerium, den Interessenvertretungen der Fahrerinnen und Fahrer sowie den Taxi-Apps. Wesentliche Inhalte dieser Absichtserklärung sind die Neugestaltung der Kommunikation zwischen den App-Betreibenden und den Fahrerinnen und Fahrern, die Verbesserung des Preismodells sowie das Verbot von unangekündigten Preisänderungen. Doch viele Fahrer bleiben skeptisch: „Das MoU war ein großer Schritt in die richtig Richtung. Denn wenn es umgesetzt wird, gibt es gute Chancen für die Arbeitsbedingungen und die soziale Fürsorge der Online Fahrer. Aber es liegt an den Apps, sie müssen Arbeitsrichtlinien und Dienstverträge ändern“, sagt Kim W. Eastlands, der ebenfalls Taxifahrer in Nairobi ist. 

Nach der anfänglichen Begeisterung im kenianischen Transportwesen kehrte schnell Ernüchterung ein. Nur drei Jahre nachdem der erste Vermittlungsdienst an den kenianischen Markt ging, steht die gesamte Taxi-Branche heute vor einer Vielzahl ungelöster Probleme. Dabei wird deutlich, dass der erleichterte Marktzugang zu Beginn als eine wahre Chance zum Eintritt in den Arbeitsmarkt interpretiert wurde, das starke und ungeregelte Wachstum jedoch letztendlich zu weitreichenden negativen Folgen führte. Dabei wird nicht nur die strategische Macht der großen Vermittlungsdienste deutlich, sondern auch die Abhängigkeit der Kleinstanbieterinnen und -anbieter von den operativen Entscheidungen von ’Uber’, ’Little Cab’ und Co. 

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