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„Wie war Ihr Aufenthalt in…?“

Die Bedeutung von Bewertungen im Internet


Um Tourismus und digitalen Wandel geht es beim diesjährigen Welttourismustag am 27. September. Auch für Kleinanbieter und sozialverantwortliche Initiativen im Tourismus bringen neue Technologien, neue Anwendungen und neue Online-Kommunikationsformen und -plattformen neue Chancen mit sich – aber auch Risiken. So genannte „nutzergenerierte Inhalte“ können über das Schicksal von Unternehmen entscheiden. Umso wichtiger ist das Verantwortungsbewusstsein der Reisenden bei der Abgabe und Einschätzung von Bewertungen touristischer Angebote im Netz.

Bevor das Internet zum ’Web 2.0’ wurde, waren es ausgebildete Experten, die auf Grundlage ihres Wissens um touristische Angebote und Zielgebiete Empfehlungen abgaben und Reisen über den Counter verkauften. Heutzutage sind aus vielen Konsumenten reiseerfahrene „Prosumenten” geworden, die im Internet eigene Inhalte erstellen. In sozialen Medien, Foto- und Videoportalen geben sie Feedback ab, auf Bewertungs- und Buchungsplattformen teilen sie ihre Erfahrungen aus erster Hand.

Solche Inhalte sind bei Reiseinteressierten eine beliebte Informationsquelle, die über die Angebotsbeschreibungen der Anbieter hinausgeht. Es ist eine moderne Art von Mund-zu-Mund-Propaganda, die großen Einfluss auf das Reiseverhalten haben kann. „Heute würde jeder Veranstalter alles dafür geben, positive Bewertungen zu bekommen, denn die Touristen lesen sie, bevor sie ihre Buchung bestätigen”, sagt Cyprien Semushi von Lobelia Tours in Ruanda.

Gästebewertungen können ein Maßstab für die Kundenzufriedenheit sein. Doch erfasst werden meist nur die extremen Enden des Zufriedenheitsspektrums: „Es gibt zwei Fälle, in denen Touristen Bewertungen abgeben: Wenn die Tour außergewöhnlich gut oder außerordentlich schlecht war”, so Semushi. Denn vor allem in solchen Fällen nehmen sich Touristen Zeit, ihre Erfahrungen online mitzuteilen.

Mit Kritik umgehen

Die Kritik von Gästen erweist sich oft als konstruktiv, wenn ein Anbieter berechtigte Beschwerden ernst nimmt. Der Druck sei extrem gestiegen, sagt Semushi. „Eine negative Bewertung kann unser ganzes Geschäft in Gefahr bringen”. Doch dieser Druck habe auch sein Gutes: „Er zwingt uns, unsere Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern.”

Raj Gyawali von Socialtours in Kathmandu, Nepal, findet eine schlechte Bewertung ebenso wertvoll wie eine gute. „Es ist eine Gelegenheit, sich zu erklären und das Menschliche am Geschäft deutlich zu machen. Wie man reagiert ist wichtig, davon hängt alles ab.“ Zudem traut er Interessierten zu, die Bewertungen anderer Reisender realistisch einschätzen zu können: „Niemand glaubt an eine perfekte Erfolgsgeschichte. Und auch bei besonders schlechten Bewertungen ist man generell skeptisch, denn man weiß ja, dass einige Leute ein bisschen neben der Spur sind.”

Der Trend zur Profilierung

„Zum Teil geht es Touristen mit ihren Bewertungen auch um Selbstdarstellung“, sagt Mariana Madureira, die in Brasilien zu diesem Thema promoviert. „Einige geben sich wirklich Mühe, eine Bildergalerie aufzubauen, für ihr Feedback belohnt zu werden und eine Karte mit ’besuchten Orten’ vorzuweisen. Einige Plattformen haben einen Spielifizierungsmechanismus, der die Nutzer dazu bringt, um Statusnachweise zu wetteifern. Ich vermute, dass einige Leute nur Bewertungen abgeben, um selbst besser eingestuft zu werden. Sie liefern keine relevanten Informationen“.

Sinkende Hemmschwellen durch Anonymität

„Bei AirBnB sind die Bewertungen offen lesbar (anders als zum Beispiel bei Uber, da sieht man nur das Gesamturteil)“, so Madureira. „Ich denke die Touristen fühlen sich nicht wohl dabei, ganz ehrlich zu sein, und sind tendenziell netter. Bei Airbnb können sich Gastgeber und Gäste nicht hinter Spitznamen verstecken. Bei Tripadvisor kann jeder anonym Bewertungen abgeben.” Anonyme Bewertungen geben Internetnutzern die Möglichkeit, zu schreiben, was immer sie wollen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Das öffnet Tür und Tor für Manipulation.

Die Gefahr unechter Bewertungen

Bewertungen können Unternehmen zu Erfolg verhelfen, können ihnen aber auch erheblich schaden. Letzteres gilt besonders für fingierte Bewertungen und solche, die provozierend, verletzend oder absichtlich geschäftsschädigend formuliert sind.

„Ja, einige Bewertungen können unfair oder sogar gekauft sein“, sagt Cyprien Semushi. Er habe schon von konkreten Fällen gehört, in denen Touristen sich beim Anbieter nur beschwert hätten, um Geld zurück zu bekommen. Raj Gyawali hat selbst Erfahrung mit fingierten Bewertungen: „Zum Beispiel hat jemand, der nie bei uns gebucht hat, eine Bewertung mit falschen Anschuldigungen abgegeben.“ Doch Gyawali sieht das sportlich: „Das gehört dazu“.

In der Mongolei kämpft dagegen Zanjan Fromer von Ger to Ger erbittert und öffentlich gegen Betrüger und Cyber-Trolle. „Betrüger im Tourismus schaden allen“, sagt Fromer. Der “unethische Wettbewerb”, unter dem sein Unternehmen zu leiden habe, treffe auch die Nomadenfamilien, mit denen Ger to Ger als Veranstalter zusammenarbeitet.

Erwartungen und Prioritäten

Umso wichtiger ist es, mit Bewertungen im Internet verantwortlich umzugehen – beim Schreiben wie beim Lesen. Hinter Bewertungen können kommerzielle Interessen stecken – oder reale Erfahrungen der Reisenden. Unzufriedenheit resultiert meist aus unerfüllten Erwartungen, die jedoch sehr subjektiv sein können. In Indien profitiert Kabani Community Tourism and Services davon, dass die Gäste in der Regel auf persönliche Empfehlung kommen. „Dadurch kommen sie mit den passenden Erwartungen, das verringert Kulturschocks“, sagt Sreejith Nair von Kabani. „So bekommen wir kaum negatives Feedback”.

Ebenso subjektiv wie ihre Erwartungen sind die unterschiedlichen Prioritäten der Reisenden, die sich darin widerspiegeln, welche Aspekte überhaupt Eingang in Bewertungen finden. „Meiner Erfahrung nach bewerten die Touristen eher, wie unterhaltsam der Guide war, als was die Tour inhaltlich geboten hat”, sagt Cyprien Semushi. Nicht selten stellen Anbieter fest, dass die Bewertungen sich auf Aspekte konzentrieren, die ihnen selbst kaum wichtig erscheinen. „Das passiert ständig”, sagt Raj Gyawali. „Doch das ist okay. Es kommt auf die Vielfalt der Bewertungen und Punkte an, aus denen die Matrix entsteht, die dann ein Bild des Unternehmens abgibt. Das ist es, was zählt“.