Von Thomas Döhne
Der Patan Durbar Square im Herzen von Lalitpur, Nepal, ist historisch, kulturell und religiös eine der bedeutendsten Kulturerbestätten im Kathmandu-Tal. Er ist heilige Stätte des Hinduismus, Alltagstreff und beliebte Tourismus-Destination. Nach dem schweren Erdbeben von 2015 trug der Tourismus wesentlich zu seinem Wiederaufbau bei.
Historisch gesehen war der Patan Durbar Square der Palastkomplex der Malla-Könige, die Lalitpur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert regierten. Markantes Herzstück ist der Krishna Mandir, ein Hindu-Tempel, der Lord Krishna gewidmet ist, welcher als Inkarnation des Gottes Vishnu verehrt wird. Der Tempel wurde im 17. Jahrhundert von König Siddhinarsingh Malla erbaut. Er zeichnet sich durch seine mehrstöckige Struktur und aufwendige Steinmetzarbeiten aus, die Szenen aus dem Mahabharata und dem Ramayana darstellen, zwei der wichtigsten Epen im Hinduismus.
Restaurierung dank Tourismus
Durch das schwere Erdbeben von 2015 wurden mehrere Bauwerke, darunter auch der Krishna Mandir, stark beschädigt. Die Gesamtkosten für die Restaurierung des Patan Durbar Square betrugen ca. 40 Millionen Euro. Durch gemeinsame Anstrengungen der Regierung, der UNESCO, internationaler Spenden und lokaler Beiträge konnte das Geld für den Wiederaufbau aufgebracht werden. Auch die Wiederaufnahme des Tourismus, der nach dem Erdbeben über ein Jahr zum Stillstand kam, hat einen wichtigen Beitrag geleistet. Europäische und andere Tourist*innen aus dem Westen müssen heute zehn Euro bezahlen, um die Tempelanlage zu betreten.
Durch die aufwändigen Restaurierungsarbeiten konnte das architektonische und spirituelle Erbe des Platzes bewahrt werden. Ein zentraler Aspekt war die Verwendung traditioneller Baumaterialien und -techniken, die die ursprünglichen Methoden der Newar-Handwerker würdigten. Die Handwerker aus dem Kathmandutal wurden von Restaurator*innen angeleitet und beauftragt, Stein- und Holzschnitzereien zu rekonstruieren, von Säulen bis hin zu filigranen Götterfiguren.
Bei den Restaurierungsarbeiten arbeitete die Stiftung Kathmandu Valley Preservation Trust, das Patan Museum Development Committee und das Department of Archaeology eng mit örtlichen Architekten und Handwerkern zusammen. „Die Einheimischen hatten ein gemeinsames Ziel – das Kulturerbe zu bewahren – und wir erhielten reichlich Hilfe“, sagte Raju Roka, Projektmanager der Stiftung. „Die Maurer, die wir beschäftigten, waren sehr erfahren. Ihre Fähigkeiten wurden von ihren Vorfahren an sie weitergegeben.“ Die Steinblöcke des Tempels wurden sorgfältig wieder zusammengesetzt, um das ursprüngliche Design und die Kontinuität seiner spirituellen und künstlerischen Essenz zu erhalten. Dieser Prozess ermöglichte es den Newar-Handwerkern zugleich, sich mit ihrem kulturellen Erbe zu verbinden.
Der Patan Durbar Square in neuem Glanz
Heute ist der Patan Durbar Square wieder ein Ort, an dem spirituelle Hingabe, kultureller Ausdruck und Tourismus zusammenkommen. Übers Jahr sind es vor allem Gläubige aus Patan selbst, die sich dort aufhalten. Für gläubige Hindus ist der Krishna Mandir von großer spiritueller Bedeutung. Ihre Spiritualität und der Tourismus auf dem Platz bilden eine einzigartige Mischung, von der sowohl die Gläubigen als auch die Gäste profitieren. Zugleich ist der Platz zu einem Symbol für die Widerstandsfähigkeit nach Krisen sowie für lokales Engagement geworden.
Der gemeinsame Raum fördert einen respektvollen Umgang, bei dem die Spiritualität die Besuchsqualität bereichert und der Tourismus die Lebendigkeit des Ortes unterstützt. Tourist*innen, von denen viele mit hinduistischen Glaubensvorstellungen und Praktiken nicht vertraut sind, werden von Ortskundigen oder selbsternannten Guides eingeladen und angeleitet, Tempelrituale und -zeremonien respektvoll und mit gebotenem Abstand zu beobachten und – wenn sie möchten – auch zu fotografieren. Die Tempel selbst dürfen von Nicht-Hindus allerdings nicht betreten werden.
Besonders abends, inmitten der von Petroleumlampen beleuchteten Tempel, dem Klingeln der Tempelglöckchen, der von Priestern rezitierten Mantras sowie der rituellen Handlungen der Gläubigen, fühlt sich ein Aufenthalt auf dem Patan Durbar Square wie das Eintauchen in Nepals lebendiges spirituelles Erbe an.
Festivals als besondere Anlässe
Ein besonderes Ereignis ist Krishnas Geburtstag (Krishna Janmashtami), der nach dem gregorianischen Kalender in den August oder September fällt. Zu diesem Anlass versammeln sich auf dem Platz Tausende von Gläubigen. Dann ist der gesamte Platz erfüllt von religiösen Zeremonien, hingebungsvoller Musik und einer lebendigen Atmosphäre kollektiver Anbetung. Dieses tiefe Gefühl von Spiritualität ermöglicht ausländischen Gästen ein besonders intensives Erlebnis. Besucher*innen können das traditionelle Festival-Treiben und das pulsierende Straßenleben von Lalitpur erleben.
Zu weiteren Festivals wie Shiva Ratri im Februar/März kommen neben Tourist*innen auch viele Pilger*innen aus anderen Teilen Nepals und aus Indien. Sie besuchen zu diesem Anlass meist das größte Heiligtum Nepals, Pashupatinath, und bei dieser Gelegenheit häufig auch weitere heilige Stätten wie den Mukhtinath Tempel in Mustang oder den Janaki Tempel in Janakpur und eben auch den Patan Durbar Square. Nicht nur als heiliger Ort, auch als Weltkulturerbe ist der Platz ein Ziel im südasiatischen Tourismus, so dass der Übergang zwischen Gläubigen und Tourist*innen oft fließend ist.
Herausforderungen für das kommunale Management
Da die Tempelanlage in einem dicht besiedelten Stadtgebiet liegt, können Festivals auf dem Platz die lokale Infrastruktur erheblich beanspruchen. Zu den größten Herausforderungen gehören die Lenkung von Besucher*innen und das Abfall- und Verkehrsmanagement. Die Stadtverwaltung und Polizei arbeiten eng mit religiösen Stiftungen, den sogenannten Guthis, sowie lokalen Straßenkomitees, den Tol Samitis, zusammen, um einen sicheren und geordneten Ablauf zu gewährleisten. Dazu gehören die Aufstellung gut platzierter Schilder, mobiler Mülleimer, Trinkwasser-Container und Toiletten sowie Informationsstände, an denen freiwillige Helfer*innen postiert sind, die den Besucher*innen praktische Auskünfte geben können. Freiwillige beteiligen sich nach dem Festival auch an den Aufräumarbeiten.
Auf dem Patan Durbar Square ergänzen sich das Engagement der Einheimischen, die Spiritualität der Gläubigen und der Tourismus gegenseitig. Anwohner*innen und Gläubige bewahren die Identität des Platzes als Heiligtum und Begegnungsort, während der Tourismus seinen Erhalt unterstützt und den Besucher*innen Einblicke in das religiöse und kulturelle Erbe Nepals gewährt.
Thomas Döhne ist Journalist und entwicklungspolitischer Gutachter mit regionalem Schwerpunkt Südasien.