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Thailand: Stärker und besser nach der Krise

Perspektiven zum Inlandstourismus in Thailand


Inlandstourismus_CBT_Thailand_Jaranya Daengnoy

In dieser Zeit, in der die Volkswirtschaften weltweit stark unter der Corona-Krise leiden und der internationale Reiseverkehr praktisch zum Erliegen gekommen ist, wird vielerorts der Inlandstourismus als Ausweg und Chance gesehen. Wir haben Tourismusakteur*innen aus Thailand gefragt, wie ihr Land die Krise bewältigt und wie es dem gemeindebasierten Tourismus (CBT) dabei ergeht.

Chuta Tharachai

Chuta Tharachai, Ph.D, ist Direktorin des Regionalbüros des thailändischen Kongress- und Ausstellungsbüros (Thailand Convention and Exhibition Bureau - TCEB) in der Nordregion.

Nithi Subhongsang

Nithi Subhongsang ist Direktor von Nutty’s Adventures, Ayutthaya – einem Reiseveranstalter, der gemeindebasierten Tourismus unterstützt und dabei einen Schwerpunkt auf barrierefreien “Tourismus für alle” legt, indem er Touren für Menschen mit körperlichen Einschränkungen, zum Beispiel für Rollstuhlfahrer*innen und Blinde anbietet.

Parichat Suntararak

Parichat Suntararak ist Eigentümerin von Paree Travel – einem kleinen Reiseveranstalter mit Schwerpunkt auf gemeindebasiertem Tourismus, Geschäftsführerin der Thai Ecotourism and Adventure Travel Association (TEATA) und Doktorandin im Bereich Tourismusmanagement am National Institute of Development Administration (NIDA), Bangkok.

Wie ist die Corona-Lage in Thailand?

Chuta Tharachai: Das Corona-Virus verbreitete sich im März und viele öffentliche Veranstaltungsorte und Unternehmen wurden angewiesen, zu schließen. Am 26. März rief der Premierminister den Notstand aus und die Mobilität wurde eingeschränkt. Thailand kontrollierte die internationale Übertragung des Virus, indem alle kommerziellen internationalen Flüge ausgesetzt wurden. Bald wurde ein vollständiger Lockdown verhängt. Es gelang, die Anzahl der Neuinfektionen pro Tag im einstelligen Bereich unter Kontrolle zu bringen. Schließlich wurden die staatlichen Restriktionen nach und nach gelockert. Thailand wird nun in verschiedenen Quellen im Umgang mit der Pandemie als besonders erfolgreich genannt. Der Erfolg ist jedoch dem großen Opfer zu verdanken, das die Wirtschaft - und ganz besonders der Tourismussektor - erbracht hat.

Wie ist es der Tourismusbranche ergangen?

Chuta Tharachai: Im Jahr 2019 generierte der Tourismus in Thailand etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 8,3 Millionen Arbeitsplätze. Seit April ist die Zahl der internationalen Ankünfte auf null gefallen. Das traf die gesamte touristische Wertschöpfungskette. Die Regierung ergriff eine Reihe von Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft, darunter zinsfreie Kredite für betroffene Unternehmen. Solange internationale Ankünfte noch immer ungewiss sind, ist der Inlandstourismus wohl der einzige Weg, um das Überleben der Branche zu sichern.

Parichat Suntararak: Überraschenderweise unternahmen schon 2019 thailändische Reisende 167 Millionen Reisen im eigenen Land, also sehr viel mehr als die 39,8 Millionen internationalen Ankünfte. Der Inlandstourismus trug in den vergangenen drei Jahren etwa ein Drittel des gesamten Einkommens aus dem Tourismus bei. Allerdings geben einheimische Touristen pro Tag weniger aus und sind auch weniger lange unterwegs. Die Anzahl der Inlandsreisen ist zwar immer noch niedriger als im Vorjahr, aber es gibt deutliche Zeichen von Erholung. Die Auslastung der Hotels stieg von 13 Prozent im Juni auf fast 28 Prozent im September 2020.

Nithi Subhongsang: Der gemeindebasierte Tourismus ist weniger stark betroffen als einige andere Sektoren. Entscheidend dafür, wie sehr eine Gemeinschaft beeinträchtigt ist, ist ihre Lage und welche Aktivitäten sie anbietet. Gemeinschaften, die von ausländischen Besuchern abhängig waren, haben hohe Einkommensverluste erlitten. Hin und wieder kommen einige wenige thailändische Gäste, doch die geben kaum Geld aus, denn sie sind oft nur Tagesbesucher. Die in der Stadt lebenden Thais besuchen gerne ländliche Gemeinschaften und lernen etwas über deren Lebensstile. Doch sie bestehen darauf, dass die Unterkünfte hohe Standards erfüllen. Die meisten einheimischen Besucher*innen entscheiden sich zum Übernachten für nahegelegene Resorts oder Hotels.

Gibt es besondere Unterstützung für den nationalen Tourismus?

Parichat Suntararak: Die Regierung brachte eine ‘Wir reisen gemeinsam‘-Kampagne auf den Weg. Die beinhaltet kostenlose Reisen für 1,2 Millionen Mitarbeitende und Ehrenamtliche aus dem Gesundheitswesen. Andere Urlauber*innen kommen in den Genuss von Subventionen für Hotelzimmer, Mahlzeiten und Fahrtkosten. Die Regierung subventioniert fünf Millionen Hotelübernachtungen zu 40 Prozent der üblichen Zimmertarife. Die anderen 60 Prozent müssen von den Urlauber*innen bezahlt werden. Außerdem wurden zusätzliche gesetzliche Feiertage eingeführt, um im Juli, Oktober, November und Dezember 2020 verlängerte Wochenenden zu schaffen und damit Anreize zu bieten, damit die Leute mehr reisen.

Profitieren davon auch gemeindebasierte Tourismusprojekte?

Parichat Suntararak: Der ländliche Tourismus wird nicht vernachlässigt. Gemeindebasierter Tourismus ist zu einer nationalen Tourismusstrategie geworden und die Regierung nutzt die Zeit, in der die Gästezahlen niedrig sind, um den Gemeinschaften vor Ort Gelegenheit zu geben, ihr Angebot weiterzuentwickeln. Es wurden neue Kampagnen auf den Weg gebracht, um den Tourismus in ländlichen Gegenden zu fördern, die Qualität des gemeindebasierten Inlandstourismus zu erhöhen, und Vertrauen und Anerkennung auf Seiten der verschiedenen touristischen Zielgruppen zu schaffen.

Das Ministerium für Tourismus und Sport startete die Initiative ‘Gesunde Homestays und sicherer gemeindebasierter Tourismus‘, um den neuen Normalzustand zu bewerben und den Dörfern mehr Einkommen zu ermöglichen. Die Kampagne zielt auf die zunehmende Zahl gesundheitsbewusster Reisender ab. Sie ermutigt die Dorfbewohner*innen, gesundheitsbezogene Elemente in ihr Angebot aufzunehmen, darunter gesunde Gerichte auf der Speisekarte, Meditationskurse oder Heilpflanzen.

Nithi Subhongsang: Viele Gemeinschafen sind Lernorte für andere und aus allen Landesteilen kommen Gemeindevertreter*innen, um von ihren Erfahrungen zu lernen. Seit der Corona-Pandemie haben staatliche Stellen einen großen Teil ihres Budgets dafür eingesetzt, mehr Studienreisen zu organisieren und diese ruhige Zeit dafür zu nutzen, die Basis des gemeindebasierten Tourismus landesweit zu stärken. Dieses Jahr ist die Zahl der Studienreisen mit der vom letzten Jahr vergleichbar und für 2021 wird mit einer Zunahme gerechnet.

Chuta Tharachai: Das thailändische Kongress- und Ausstellungsbüro (TCEB) fördert gemeindebasierte Meetings, Konferenzen und Ausstellungen (MICE). Wenn ein Dorf gut erreichbar ist und genug Platz für Gruppenaktivitäten hat, wird es als MICE-Destination beworben. Ansonsten können lokale Fertigkeiten wie zum Beispiel die Seidenweberei in Hotels oder an Veranstaltungsorten in der Stadt vorgestellt werden.

Konnte mit diesen Anreizen der Inlandstourismus erfolgreich angekurbelt werden?

Nithi Subhongsang: Nur zum Teil. Obwohl die Wirtschaft sich nach und nach erholt, ist das Volumen des Inlandstourismus noch immer erheblich geringer als vor dem Lockdown. In einer Zeit wirtschaftlicher Härte, in der das Geld knapp ist, hat Urlaub für viele Menschen keine Priorität. Viele bei den Thais beliebte Sehenswürdigkeiten wie Pattaya, Phuket, Samui und Chiang Mai haben nach wie vor keine andere Wahl, als ihre Preise zu reduzieren, denn die Kaufkraft der einheimischen Gäste beträgt weniger als die Hälfte dessen, was sich die Gäste aus Übersee leisten können.

Wie könnte die Zukunft aussehen?

Parichat Suntararak: Wir können innerhalb des Landes jetzt wieder frei reisen. Doch der Tourismus wird nicht mehr der gleiche sein. Wir müssen uns an die ‘neue Normalität‘ anpassen, in der wir zur Sicherheit weiter Abstand halten, Masken tragen und uns überall regelmäßig die Hände waschen müssen. Alles ist weiterhin unsicher, wir wissen nicht, wann sich die Situation wieder normalisieren wird. Sicher nicht so lange es noch keine Impfung gibt. Wir müssen weiter achtsam bleiben.

Nithi Subhongsang: So lange die Aussichten in unseren wichtigsten touristischen Herkunftsmärkten noch immer sehr düster sind, wird die thailändische Regierung das Land nicht für ausländische Gäste öffnen. Wir müssen uns anpassen und neue Geschäftsideen entwickeln. Wenn unsere Gäste aus Übersee schließlich wiederkommen, werden viele von ihnen große Hotelanlagen und Menschenmengen meiden wollen. Stattdessen werden sie sich in ruhigere Destinationen zurückziehen und lieber in kleineren Gruppen reisen, nur mit Familie oder Freund*innen.

Chuta Tharachai: In gewisser Weise gibt Corona Thailand die Möglichkeit, sich auf seinen eigenen Tourismusmarkt zu besinnen. In der Neugestaltung der Strukturen des Inlandstourismus und Anpassungen sowohl beim Angebot als auch bei der Nachfrage sehen wir große Chancen für die Zukunft. Wir sind zuversichtlich, dass eine Fokussierung auf das Lokale helfen wird, die zu hohe Abhängigkeit von ausländischen Gästen zu verringern und den inländischen Konsum Schritt für Schritt zu stärken. Was noch wichtiger ist: So lassen sich auch die Gemeinschaften vor Ort stärken, indem sie auf Grundlage dessen, worüber sie vor Ort verfügen, Teil der Wertschöpfungskette werden. Die neue Phase des nationalen Tourismus wird Thailand hoffentlich helfen, sicherer, stärker und nachhaltiger aus der Krise hervorzugehen.

Jaranya Daengnoy ist Direktorin des Thailand Community Based Tourism Institute (CBT-I) in Bangkok. Sie verfügt über 20 Jahre lange Erfahrung in der Unterstützung von gemeindebasiertem Tourismus.

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp