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Dekarbonisierung voranbringen

Verringerung des CO2-Fußabdrucks im thailändischen Tourismus


Ob Touren mit Elektrobooten, Dorfbesuche oder Fahrradtouren, bei denen die Gäste „für den Planeten in die Pedale treten“: Thailändische Tourismusakteure haben über 100 ‚klimaneutrale‘ Reiseangebote entwickelt. Das Beispiel Thailand zeigt, wie sektorübergreifende Zusammenarbeit und die Einbindung des Tourismus in eine nationale Klimastrategie funktionieren kann.

Im Zentrum der thailändischen Bemühungen zur Dekarbonisierung steht die Thailand Greenhouse Gas Management Organisation (TGO), die 2007 als eigenständige Organisation unter dem Ministerium für natürliche Ressourcen und Umwelt gegründet wurde. Sie hat CO2-Berechnungstools und Online-Plattformen für Organisationen, Veranstaltungen und Einzelpersonen entwickelt und verwaltet das System zur freiwilligen Emissionsreduzierung in Thailand (T-VER). Außerdem akkreditiert sie Organisationen, die thailändische Kompensationsprojekte zertifizieren und fördert die Vernetzung und Zusammenarbeit.

Sektorenübergreifende Zusammenarbeit

Im September 2021 hat die TGO gemeinsam mit dem Ministerium für Tourismus und Sport die "Klimabilanz-Vereinbarung“ auf den Weg gebracht, um Dekarbonisierung im Tourismus voranzubringen. Daran beteiligt sind acht führende thailändische Tourismusorganisationen einschließlich drei wichtiger Ministerien – dem Tourismusministerium, dem Bildungsministerium sowie dem Umweltministerium. Der nationale Ökotourismusverband (Thai Ecotourism and Adventure Tourism Association - TEATA) ist einer der Hauptunterzeichner aus dem Privatsektor. Die Vereinbarung soll dazu beitragen, öffentliches Bewusstsein für den Klimawandel zu schärfen, klimaneutrale Touren und Aktivitäten zu entwickeln und die Dekarbonisierung in der thailändischen Tourismus- und Veranstaltungsbranche zu fördern.

Seit 2021 arbeiten die Partner konsequent daran, ihren Absichten auch konkrete Taten folgen zu lassen. Die TGO hat Rechner und Apps zur Ermittlung des CO2-Fußabdrucks von Tourismusaktivitäten entwickelt. Sie sind Teil eines integrierten Ansatzes für Produkte, Lebensstile, Reisen und Veranstaltungen. Über den nationalen Emissionshandel sind sie mit über 100 Kompensationsprojekten im ganzen Land verbunden. Die TEATA arbeitet mit der TGO zusammen, um inspirierende neue Tourismusrouten mit geringeren CO2-Emissionen zu entwickeln. Diese Arbeit wird von hoher thailändischer Regierungsebene unterstützt, mit finanzieller und wissenschaftlicher Hilfe durch Thailands Program Management Unit for Competitiveness (PMUC) und Thailand Science Research and Innovation (TSRI). Das Marketing wird von der Tourismusbehörde Thailands (TAT) gefördert.

2022 half das EU SWITCH-ASIA Tourlink-Projekt europäischen und thailändischen Klimaschutzexpertinnen und -experten, Methoden zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks von Tourismusrouten zu vergleichen und anzugleichen. Das TGO-System ist durch Carmacal anerkannt, ein von der Welttourismusorganisation (UNWTO) ausgezeichnetes Tool, das es Reiseveranstaltern und Reiseunternehmen ermöglicht, den CO2-Fußabdruck ihrer Reisepakete umfassend zu messen. Dies verleiht den thailändischen Instrumenten internationale Glaubwürdigkeit. Vor allem ermöglicht das Projekt, dass die von europäischen Gästen oder Reiseveranstaltern gezahlten Kompensationsbeiträge direkt in Projekte vor Ort fließen.

Nicht einfach für Umweltverschmutzung bezahlen

Das TEATA-Team ist sich der Schwächen von Kompensationszahlungen bewusst und arbeitet intensiv daran, das Klischee des "Bezahlens für Umweltverschmutzung" zu überwinden. Jede klimaneutrale Tour wird in einem dreistufigen Prozess entwickelt. Zuerst hilft die TEATA dem Anbieter, die CO2-Bilanz seiner Tour zu messen. Die Berechnung basiert auf den vier wichtigsten Emissionsquellen im Tourismus: Verkehr, Unterkünfte, Lebensmittel und Abfälle.

Im zweiten Schritt wird die Reise angepasst, um die CO2-Emissionen zu verringern. Zum Beispiel können ökoeffizientere Routen gewählt werden. Eine Autofahrt kann durch eine Fahrrad- oder Kajakfahrt ersetzt werden. Verbrenner-Fahrzeuge können durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Die Mahlzeiten können in lokalen Restaurants oder bei Familien eingenommen werden. Klassische Sightseeing-Aktivitäten können durch einen Bio-Markt, einen Dorf-Besuch oder Naturschutz-Aktivitäten ersetzt werden. Der Anbieter kann auch ein umweltfreundlicheres Hotel wählen. Dann werden die Emissionen des Programms erneut gemessen und die verbliebenen Emissionen werden vor Ort durch Projekte unter dem Dach der TGO ausgeglichen.

Um zu vermeiden, dass Kundinnen und Kunden einen falschen Eindruck über die Reichweite des Begriffs Klimaneutralität bekommen, hat TEATA klar definiert, wie weit der Anspruch auf Klimaneutralität geht. Er beginnt am Startpunkt und endet am Endpunkt der Tour. Einbezogen sind alle touristischen Dienstleistungen, die im Reiseplan enthalten sind. Nicht berücksichtigt sind alle zusätzlichen persönlichen Entscheidungen der Gäste (optionale Touren, Souvenirs, An- und Abreise zur Tour etc.).

Alle klimaneutralen Touren werden von lokalen Anbietern durchgeführt, die ihre Programme erfolgreich zur TGO-Zertifizierung eingereicht haben. Nur zertifizierte Anbieter sind von der TGO autorisiert, ihre Touren als ‚klimaneutral‘ anzubieten. Wenn Reisende oder Veranstalter sich für eine Reise nach Thailand entschieden haben, können die Touren helfen, während der Reise innerhalb des Landes den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Die TEATA kann dabei helfen, sie direkt mit lokalen Anbietern in Verbindung zu bringen.

Die TEATA schult auch thailändische Reiseveranstalter darin, die von ihr und der TGO entwickelten Tools zu nutzen, um eigene klimaneutrale Reisen zu gestalten. Die TGO und ihre Partner bemühen sich darum, die Berechnungen des CO2-Fußabdrucks für kleine und mittelständische Unternehmen und für Gemeinschaften zugänglicher zu machen. Dies geschieht durch einfache Handyapps. Erst kürzlich wurde die Zero Carbon App als benutzerfreundliche, kostenlose Anwendung entwickelt. Sie ermöglicht es Reiseveranstaltern, die CO2-Bilanz ihrer Reisen selbst zu erfassen. Veranstalter können ihren CO2-Fußabdruck direkt über die App ausgleichen. Dies fördert nicht nur die Umweltverantwortung, es vereinfacht auch den komplexen Prozess der Dekarbonisierung, da Audits durch Dritte nicht mehr nötig sind.

Die Entscheidung für oder gegen Langstreckenflüge ist schwierig. Die TEATA und ihre Partner respektieren alle Reisenden und Reiseveranstalter, die sich entscheiden, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren, indem sie Langstreckenflüge vermeiden. Doch aus Destinationsperspektive sind klimaneutrale Reisen der konsequente Versuch lokaler Akteure, klimasensiblere Angebote zu machen.

Peter Richards arbeitet seit über 20 Jahren zu verantwortlichem Tourismus in Asien. Er ist derzeit Projektleiter des EU-Projekts SWITCH ASIA Tourlink, das thailändische Tourismusakteure unterstützt, mehr als 125 „klimaneutrale“ Touren anzubieten.

Die Thai Carbon Neutral Tours sind auf der ITB 2024 in Berlin: TAT Stand 217 in Halle 26 B. Gesprächstermine können hier gebucht werden. Switch-Asia ist in Halle 4.1, Stand 213.