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Thailand: Wege zu einer ressourcenschonenden Gastronomie

Interview mit Food Waste-Botschafter Daniel Bucher, Bangkok


Food Waste

Ein Drittel der für den menschlichen Verzehr produzierten Nahrungsmittel wird nach Schätzung des Welternährungsprogramms verschwendet oder geht entlang der Wertschöpfungskette verloren. Nahrungsmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren, ist eines der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Der umsichtige Umgang mit Lebensmitteln angesichts von Inflation und Nahrungsmittelkrisen ist ein dringendes Gebot der Stunde, auch im Tourismus. Anregungen zur Umsetzung gibt Daniel Bucher, der sich als Küchenchef und Nachhaltigkeitsberater in Bangkok für eine ressourcenschonende Gastronomie stark macht.

TW: Die Corona-Pandemie, unterbrochene Lieferketten und steigende Einkaufspreise machen der Gastronomie zu schaffen. Bekommen Nachhaltigkeitsanliegen dadurch neuen Schub?

Daniel Bucher: Am Anfang der Pandemie gab es in der Nachhaltigkeitsszene einen Moment des andächtigen Schweigens und wir haben gehofft, dass es zu einem Umdenken kommt. Das ist aber in dem Maße, wie wir es erwartet hatten, nicht eingetroffen. Was jedoch eingetreten ist: In Thailand gibt es immer mehr gute lokale Produkte.

Käse, Speck oder Schinken zum Beispiel, die international entweder gar nicht mehr erhältlich oder unglaublich teuer sind, sind jetzt auf einmal auf dem lokalen Markt gefragt. Durch COVID-19 haben sich in ganz kurzer Zeit auch die Logistikunternehmen in Thailand massiv umorientiert. Es gibt dadurch jetzt Möglichkeiten, Produkte lokal einzukaufen, die es früher nicht gab. Oft sind es nun die einzigen Produkte, die erhältlich sind.

TW: Wird dies auch über die Krise hinaus Bestand haben?

Daniel Bucher: Bei Milchprodukten vielleicht nicht, denn die europäischen sind dermaßen subventioniert, dass lokale Produzentinnen und Produzenten nicht mithalten können. Aber bei Fleisch oder Gemüse sicher. Der ‘go local‘-Trend war schon vor Corona deutlich zu spüren. Wenn es ein gleichwertiges lokales Produkt zum gleichen Preis oder günstiger vor Ort gibt, würde heute kein Unternehmen in Asien mehr sagen, es importiere trotzdem lieber.

TW: Wie lässt sich die Lebensmittelverschwendung angehen? Welches sind die typischen „undichten Stellen“ in der Gastronomie, wo Lebensmittel im Müll landen?

Daniel Bucher: Als erstes im Einkauf. Zum Beispiel ist es schwierig, bei Obst aus dem Großhandel in Asien Qualitätskontrollen zu machen. Was ich deshalb geändert habe: Ich biete weniger verschiedene Obstsorten an. Das bedeutet ein höheres Volumen der Sorten, die ich anbiete, bis zu dem Punkt, wo ich Produkte direkt von Farmen beziehen kann. Direkte Lieferketten und das Vertrauensverhältnis führen dazu, dass wesentlich weniger weggeworfen wird, weil die Qualitätskontrolle am Eingang funktioniert. Und es lässt sich zudem viel Verpackung reduzieren.

Dann in der Küche und am Buffet. Wir haben gemessen und Daten erhoben, zum Beispiel mit Fotos vom Inhalt des Mülleimers. Am Buffet sind wir jede Speise einzeln durchgegangen und haben festgelegt, welche minimal akzeptierte Menge jeweils enthalten sein muss, damit es gut aussieht. Das haben wir fotografiert, ein Standardbuch erstellt und es an die Köche verteilt, die das Buffet auffüllen. Das nimmt die Angst, dass es nicht gut aussieht.

TW: Und auf den Tellern der Gäste?

Daniel Bucher: Die Gäste sind meine „last frontier“, die schwierigste Sache. In Singapur ist es mittlerweile üblich, dass Buffet-Restaurants Gäste am Schluss finanziell abstrafen, wenn sie Lebensmittelreste auf dem Teller haben. Mein persönlicher Ansatz ist das nicht.

Ich versuche den Gästen gegenüber interessant zu kommunizieren, ohne erhobenen Zeigefinger. Es gibt gewisse Gerichte, um Lebensmittelreste weiterzuverwenden. Ein typisches Beispiel sind Croissants im Bread-and-Butter-Pudding – den aber fast niemand isst. Ich habe also den Buffet-Aufbau etwas verändert und den Pudding gesondert präsentiert. Handgeschriebenen Info-Tafeln weisen darauf hin, dass man, wenn man diesen Pudding isst, dabei hilft, dass so-und-so-viele Croissants nicht im Müll landen. Das funktioniert wirklich gut und wird nur positiv wahrgenommen.

Nachdem wir alles getan haben, was wir leichter kontrollieren können, entfallen heute 70 Prozent unserer Lebensmittelverschwendung auf die Gästeteller. Vorher waren es 50 Prozent. Dabei wurden nicht die Gäste verschwenderischer, wir wurden einfach besser.

TW: Wie lassen sich die Mitarbeitenden mit ins Boot holen?

Daniel Bucher: Am Anfang muss man viel motivieren und anschieben, aber es wird immer einfacher und läuft irgendwann von selbst. Wir haben zum Beispiel als Team jede Woche gemeinsam die Reste vom Buffet analysiert. Das bringt massive Verbesserungen.

Um meinem Team einen anderen Zugang zu Nahrungsmitteln zu vermitteln, habe ich auf dem Hoteldach mit meinen Köchen einen kleinen Dachgarten angelegt. Wir haben ein paar Kräuter angebaut, die schwer zu kaufen sind, und haben sogar Hühner und Bienen gehalten. Wer als Koch oder Köchin in der Stadt arbeitet und nicht mit der Landwirtschaft aufgewachsen ist, hat oft keine Ahnung, wo Nahrungsmittel herkommen. So kann mein Team mit einem ganz anderen Selbstvertrauen vor den Gästen stehen.

TW: Bemüht sich die Gastronomie um einen höheren Anteil pflanzlicher Nahrungsmittel statt Fleisch?

Daniel Bucher: Eine Umstellung auf pflanzliche (‘plant-based‘) Fleischersatz-Produkte im Bereich der westlichen Küche wurde in Thailand versucht und war vor der Pandemie eine Zeit lang trendy. Aber jetzt ist es kein Thema mehr. Ich sehe aktuell niemanden in unserem Markt, der versucht, ‘plant-based‘ als Strategie anzuwenden, um ressourcenschonender zu kochen. Es geht eher darum, überhaupt wieder Leute ins Restaurant zu bekommen. Aktuell sind vor allem ‘Comfort classics‘ wie französische Backwaren, Pasta oder Pizza gefragt.

TW: Wie realisiert man die größten Sparpotenziale durch nachhaltiges Nahrungsmittelmanagement, vor dem Hintergrund steigender Einkaufspreise?

Daniel Bucher: Die schnellsten und größten Erfolge mit finanziellem Vorteil hat man durch Training und Bewusstseinsbildung mit dem Personal. Alles, was man nicht einkauft, ist sofort finanzieller Erfolg. Wie hoch die Einsparpotenziale sind, hängt sehr vom einzelnen Unternehmen ab. Aber es gibt keines, wo Food Waste kein Problem wäre. Wir haben mal versucht, mit einem Datenabgleich herauszufinden, wie viel sich durch Food-Waste-Management einsparen lässt, und sind auf fünf bis zehn Prozent der Einkaufskosten der Lebensmittel gekommen. Die spart das Unternehmen am Ende direkt und das lohnt sich auf jeden Fall!

Unser Tipp für Sie aus dem One Planet Guide:

"Ich setze auf Gastronomie mit flexibler Speisekarte und vermeide so Lebensmittelabfälle."

Weitere praktische Tipps und Anregungen können Sie im One Planet Guide sammeln. Probieren Sie es aus!