Lange Zeit lautete die Devise in den Ferien „Nichts wie raus aus den Städten“. Heute haben sich Städte vom Herkunftsort erholungsbedürftiger Urlauber aus den modernen Arbeiter- und Dienstleistungsgesellschaften zu wahren Touristenmagneten entwickelt. Doch trägt das Tourismuswachstum tatsächlich zur Erreichung nachhaltiger Entwicklung bei? Die Agenda 2030 zeichnet die Vision einer inklusiven, sicheren, widerstandsfähigen und nachhaltig gestalteten Stadt. Massenhafter Metropolen-Tourismus hingegen ist vielerorts zu einer Belastungsprobe für die Einwohner geworden. Eine Stilblüte der besonderen Art ist gegenwärtig der traurige Wettstreit der Hauptstadt-Journalisten aus Berlin und Amsterdam darum, welche der beiden Städte wohl mehr unter dem Tourismus leide.
Überall auf der Welt ist bezahlbarer Wohnraum in attraktiven Innenstadtlagen knapp und begehrt. Wo der Tourismus die Oberhand gewinnt, trägt er zur Verdrängung der Wohnbevölkerung bei. Um bis 2030 den Zugang zu angemessenem, sicherem und bezahlbarem Wohnraum für alle Menschen auf der Welt sicherzustellen, braucht es wirksame politische Handlungskonzepte. Auf einer Konferenz zu nachhaltigem Tourismus in Megacities will die Stadt Seoul Möglichkeiten ausloten, der durch Tourismus angetriebenen Gentrifizierung Einhalt zu gebieten. Zugleich wird die Frage im Raum stehen, ob und wie sich ein sozialverträglicher, gemeindebasierter Tourismus auch im urbanen Kontext realisieren lässt. Denn leider sind Städtereisen im statistischen Schnitt besonders kurz. Viel zu selten kommt es zu wirklichen Begegnungen zwischen Touristen und der Bevölkerung vor Ort – und das obwohl sich Gäste und Gastgeber kaum irgendwo auf so engem Raum treffen.
2050 könnten mehr als 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben – Urbanisierung ist ein Megatrend. Umso erstaunlicher, dass der Weltsiedlungsgipfel „Habitat“ der Vereinten Nationen nur alle 20 Jahre stattfindet. Doch nicht nur das gibt Anlass zur Sorge. Es ist auch die Tatsache, dass viele Themen, die die Menschen in den Städten existenziell beschäftigen, auf dem dritten Gipfel im Oktober dieses Jahres in Quito kaum Raum haben werden. Zivilgesellschaftliche Gruppen sind gezwungen, sich in Nebenveranstaltungen zu organisieren, weil so wichtige Themen wie Verdrängungsprozesse und Vertreibung im offiziellen Programm nicht verhandelt werden. Unser Interviewpartner von der International Alliance of Inhabitants wird in einem solchen Forum daran mitarbeiten, eine „Einwohner-Agenda“ als Gegenentwurf zur „Neuen Urbanen Agenda“ der Habitat-Konferenz zu entwerfen.
Weitere Autorinnen in dieser Ausgabe nehmen uns mit zu städtischen Tourismus-Hotspots und sogar in die untergegangene erste Stadt in Afrika südlich der Sahara, wo auch noch zwischen Ruinen nach konstruktiven Wegen gesucht wird, die Wünsche und Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung und die Interessen der Touristen unter einen Hut zu bringen.
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