Von Lea Thin, freie Autorin
Kenia und Indonesien beherbergen einzigartige Ökosysteme und eine enorme Artenvielfalt – vom Great Rift Valley in Ostafrika bis zu den Regenwäldern Sumatras und Borneos. Doch erfolgreicher Biodiversitätsschutz in diesen Ländern ist bislang auf langfristige Entwicklungszusammenarbeit angewiesen. Die jüngsten Kürzungen der US-amerikanischen Entwicklungsagentur USAID gefährden zentrale Initiativen zum Schutz von Wildtieren, Regenwäldern und alternativen Einkommensquellen zur illegalen Wilderei für lokale Gemeinschaften. Gleichzeitig spielt Tourismus in beiden Ländern eine wichtige Rolle: als Finanzierungsquelle, als Bildungsplattform und zunehmend auch als Träger naturnaher Entwicklungsstrategien. Doch kann er die Lücken internationaler Finanzierung füllen?
Kenia und Indonesien: Artenschutz in der Finanzkrise
Internationale Finanzierung war bisher ein entscheidender Pfeiler, um Biodiversität zu schützen. Die Programme der Masai Mara Wildlife Conservancies Association (MMWCA) in Kenia etwa waren zuletzt zu 80 % von USAID-Finanzierungen abhängig. Die Entscheidung Trumps, die US-amerikanische Entwicklungszusammenarbeit von heute auf morgen einzustampfen, bringt nun die gesamte Struktur ins Wanken. „Die Kürzung der Mittel durch USAID betrifft fast alle Bereiche – von Gemeindeversammlungen über Trainings bis hin zu Umweltprogrammen. Rund 80 Prozent unserer Programme sind betroffen. Auch Personalengpässe entstehen, da Mitarbeitende alternative Einkommensquellen suchen müssen. Der Schutz der Artenvielfalt und die Stabilität des gesamten Ökosystems ist dadurch bereits spürbar gefährdet“, so Emmanuel Etiamansi von der Masai Mara Wildlife Conservancies Association (MMWCA) in Kenia.
In Indonesien ist die Lage ähnlich angespannt. Rudi Putra, Gründer des Leuser Conservation Forum, macht der Rückzug von USAID und die dadurch entstandene Finanzierunglücke große Sorgen: „Unsere Arbeit hängt fast vollständig von ausländischen Geldern ab. Für 2025 fehlen uns rund 250.000 Dollar – das gefährdet vor allem Patrouillen gegen Wilderei, Monitoring und Aufforstungsprojekte.“
Tourismus als Wirtschaftsmodell für die Masai Mara
Internationale Finanzierungen wie durch USAID oder Brot für die Welt ermöglichen nicht nur den direkten Artenschutz, sondern helfen auch dabei Strukturen zu entwickeln, die zu mehr finanzieller Unabhängigkeit der Schutzgebiete führen. So etwa bei der Umsetzung nachhaltiger Tourismuskonzepte, die über rein marktgetriebene Modelle hinausgehen. Tourismus kann so, richtig gesteuert, erhebliche Beiträge zum Erhalt der biologischen Vielfalt leisten. In Kenia stammen rund 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts direkt oder indirekt aus dem Tourismus. 2024 reisten etwa 2,5 Millionen internationale Gäste in das Land, davon vier von fünf Tourist*innen wegen Safaris und Naturerlebnissen.
Gut entwickelte Safari-Angebote in Nationalparks wie der Masai Mara finanzieren dabei nicht nur Schutzgebiete, sondern schaffen auch Einkommen für lokale Gemeinschaften, erklärt Emmanuel Etiamansi: „In der Masai Mara planen wir eine Reihe neue Konzepte, um die Einnahmen langfristig zu diversifizieren. Etwa CO₂-Zertifikate, nachhaltige Tierhaltung oder naturbasierte Unternehmen für Frauen, wie Bienenzucht oder nachhaltige Rinderzucht, um mehr Ertrag für die Landbesitzer*innen zu erzielen“, so Etiamansi. Durch Pachtzahlungen an die Eigentümer*innen wird diese Fläche auch für die Wildtiere gesichert. Brechen diese Einnahmen weg – wie etwa während der Corona-Pandemie – droht der Verlust von über 150.000 Hektar Schutzfläche. Dabei ist die Einbindung der lokalen Bevölkerung essenziell: „Die Landbesitzer*innen sind die Entscheidungsträger*innen – wir informieren sie immer umfassend, bevor wir neue Modelle oder Partner einführen. Sie entscheiden selbst, was mit ihrem Land geschieht und sind über Versammlungen, Seminare und Komitees direkt in die Gestaltung von Tourismusmodellen eingebunden, inklusive kontrollierter Beweidung, um ein ökologisches Gleichgewicht zu sichern“, betont Etiamansi.
Tourismus im Leuser-Ökosystem: Großes Potenzial, fehlende Strukturen
Auch Indonesien profitiert stark vom Tourismus, der rund 5 Prozent zum BIP beiträgt. Auf Inseln wie Bali oder in Westpapua zeigen Ökotourismus-Projekte, wie nachhaltige Alternativen zu Wilderei und Abholzung aussehen können. Auch für den Leuser-Nationalpark sieht Rudi Putra großes Potenzial – trotz aktuell nur rund 4.000 Besuchern jährlich. „Dabei könnte es eine Million sein“, sagt er. „Davon würde nicht nur die lokale Bevölkerung durch neue Arbeitsplätze profitieren, sondern auch durch den Verkauf sogenannter Non-Timber Forest Products – also Produkte wie Honig, medizinische Pflanzen, Rattan und Bambus. Auch die Artenvielfalt profitiert, da die Abhängigkeit von illegaler Wilderei und Abholzung sinkt.“
Doch viele ausländische Fördergelder sind zweckgebunden – Investitionen in wirtschaftlich tragfähige Naturschutzmodelle meist ausgeschlossen. „Viel Geld fließt in nicht-produktive Aktivitäten, während unternehmerische Ansätze unterfinanziert bleiben.“, so Putra. Dabei könnten professionell aufgesetzte Tourismusprogramme sowohl Schutzmaßnahmen finanzieren als auch Einkommen schaffen. Es fehlen jedoch Mittel für Infrastruktur, Marketing und Fachpersonal. Ein weiteres Hindernis ist die Erreichbarkeit: „Die Anreise ins Leuser-Ökosystem ist langwierig, oft nur per Auto über mehrere Tage möglich. Damit ein Besuch nicht zur einwöchigen Odyssee wird, braucht es gezielte Investitionen des indonesischen Staates – insbesondere in Straßen, Verkehrsanbindung und touristische Infrastruktur“, erklärt Putra. Klar ist für ihn aber auch: „Massentourismus wäre der falsche Weg. Gerade für bedrohte Arten wie das Sumatra-Nashorn muss der Schutz Vorrang haben.“ Doch ein klug gesteuertes, umweltverträgliches Tourismusmodell könne einen entscheidenden Beitrag zur Finanzierung und Zukunft des Schutzgebiets leisten.
Tourismus als Teil der Lösung – nicht als Ersatz für Entwicklungshilfe
Internationale Finanzierung ist keine Wohltätigkeit, sondern eine Investition in das globale Gemeingut Natur. Geberländer müssen dies strategisch begreifen und entsprechend handeln – gerade angesichts wachsender Klima- und Umweltkrisen. So wäre jeder gerettete Quadratkilometer Regenwald auch ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz: Bis zu 1.000 Tonnen CO₂ werden pro Jahr gespeichert – doppelt so viel wie ein durchschnittlicher EU-Bürger jährlich ausstößt. Gleichzeitig wächst der Markt für CO₂-Kompensation durch Waldschutzprojekte laut McKinsey bis 2030 auf über 50 Milliarden US-Dollar an – ein Potenzial, das Schutzgebiete wie die Masai Mara oder den Leuser-Nationalpark zu Zukunftsinvestitionen macht. Doch wer auf Marktmechanismen allein setzt, verkennt die Realität vor Ort: Viele Regionen im globalen Süden verfügen nicht über die Infrastruktur oder institutionellen Grundlagen, um ihre Biodiversität wirtschaftlich nutzbar zu machen. Ohne staatliche Unterstützung bleibt Naturschutz dort oft ein Verlustgeschäft.
Nachhaltiger Schutz ist nur möglich, wenn ökologische Maßnahmen mit sozialen Rechten und Entwicklungsperspektiven verknüpft werden. Natur ist für viele lokale Gemeinschaften nicht nur schön, sondern überlebenswichtig. Der Schutz von Biodiversität in Ländern wie Kenia oder Indonesien braucht mehr als Öko-Lodges und Reisebroschüren. Er erfordert langfristige Strategien, die Naturschutz, soziale Gerechtigkeit und internationale Verantwortung verbinden. Tourismus kann dabei hilfreich sein – aber nur, wenn globale Verantwortung und solidarische Finanzierung mitgedacht werden.