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Für Gleichberechtigung im indonesischen Tourismus

Algorithmen Verantwortung beibringen


 ‘Rinjani Women Adventure’ bieten als erste Frauen in Lombok Wandertouren an

Der Tourismus ist ein vielversprechender Wirtschaftsbereich, in dem Frauen Arbeit finden können. Kürzlich berichtete die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO), dass die Lohn- und Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen in der globalen Tourismuswirtschaft geringer seien als in anderen Sektoren. In Indonesien besteht jedoch noch immer eine erhebliche Kluft. Wenn Frauen am Tourismus teilhaben wollen, sind sie auch heute noch mit Problemen konfrontiert. Das gilt insbesondere in Bezug auf digitale Technologien.

In Indonesien hat die Regierung ehrgeizige nationale Pläne verabschiedet, um im Tourismus mehr Gleichberechtigung herbeizuführen. Jedoch ist nicht klar, in welchem Umfang Mittel für dieses Ziel bereitgestellt wurden und die staatliche Unterstützung scheint auf allen Ebenen unzureichend zu sein. Zwar gilt Indonesien tendenziell als sehr gut an das Internet angebunden, weil der Internetzugang hier günstig ist. Doch bei der Nutzung des Internets gibt es immer noch Unterschiede zwischen Frauen und Männern.

Dennoch ist der Tourismus ein vielversprechender Beschäftigungsbereich für Frauen in Indonesien. Es gibt eine wachsende Zahl an Geschäftsinhaberinnen und immer mehr Gemeinschaftsinitiativen, die Ausbildungs- und Arbeitsplätze speziell für Frauen anbieten. ‘Rinjani Women Adventure’ ist das erste von Frauen betriebene Unternehmen von Fremdenführerinnen, die Wandertouren in Lombok anbieten. Seit 2015 bildet das Unternehmen Frauen vor Ort aus. Wandergruppen zu führen ist traditionell kein Frauenberuf in Lombok. Daher sind die weiblichen Guides mit vielen Hindernissen konfrontiert. Mangels Erfahrungen in der Gestaltung von Webseiten oder der Nutzung von Internet-Plattformen war und ist es für sie nicht leicht, zur Förderung ihrer Geschäfte digitale Technologien zu nutzen. Bewertungen von Gästen haben ihnen geholfen, ihre Position in der Gemeinschaft zu behaupten. Das reicht jedoch noch nicht, insbesondere nicht im Hinblick auf digitale Plattformen.

Geschlechterungleichheiten überwinden

Zwar verfügen viele indonesische Frauen über Internetzugang, doch Unternehmerinnen und berufstätige Frauen hinken in Bezug auf ihre digitalen Fertigkeiten hinterher. In Ubud auf Bali besitzen und managen mehr Frauen als Männer Privatunterkünfte, Massagesalons und kleine Restaurants. Viele der Frauen haben zwar ein eigenes Handy oder einen eigenen Computer, doch überlassen sie die Nutzung der Geräte für betriebliche Zwecke häufig lieber ihren Söhnen oder Männern. Einige Frauen brauchen sicher tatsächlich Unterstützung, um sich digitale Fähigkeiten anzueignen und Zugang zu den Geräten zu bekommen, doch es gibt auch andere, kulturelle Probleme. Dazu gehören zum Beispiel traditionelle Rollenbilder im Umgang mit Technologien, die in diesem Zusammenhang Geschlechterungleichheiten verfestigen.

In Bezug auf Internetportale müssen wir den allgemeineren Tourismuskontext betrachten, um zu erkennen, wie unterschiedlich Frauen und Männer davon profitieren. Aufgrund von Fotos, die von Tourist*innen gemacht und geteilt werden, tragen in Pringgasela und Masbagik in Lombok qualifizierte Kunsthandwerkerinnen wie die Weberinnen und Töpferinnen in erheblichem Maß dazu bei, dass ihre Region auf Plattformen so beliebt ist. Doch die Nutznießer dieser Beliebtheit sind wohl eher die männlichen Reiseveranstalter, Fahrer oder Besitzer von Boutiquen. Sie bewerben oder verkaufen ihre Angebote, die Frauen zu besuchen, auf Plattformen. Mit großer Wahrscheinlichkeit erhalten die Frauen nur wenig aus dem Verkauf ihrer Handwerksprodukte. Von den Reiseveranstaltern bekommen sie normalerweise kein Geld.

Es braucht einen neuen Ansatz in der Plattform-Wirtschaft, um mit der fehlenden Gleichberechtigung umzugehen. Wir müssen ganzheitlich und aus der Sicht von Frauen und Kleinunternehmer*innen denken. Das Hauptziel muss darin bestehen, auf die Plattformanbieter im Tourismus Einfluss zu nehmen. Denn sie kontrollieren, welche Informationen gesammelt und welche wem und wie angezeigt werden. Momentan werden nur die Präferenzen der Kundschaft berücksichtigt. Algorithmisch erstellte Rankings und Modelle, die auf Grundlage künstlicher Intelligenz maschinell lernen, verstärken bestehende Ungleichheiten zwischen internationalen und lokalen  bzw. neuen und etablierten Anbietern. Diejenigen, die bislang weniger Bewertungen und Interaktionen hatten, sind unter Umständen nicht in der Lage, es an die Spitze der Rankings zu schaffen.

Internetportale auf Nachhaltigkeit ausrichten

Diese technische Entwicklung steht im Widerspruch zu den meisten politischen Handlungskonzepten zur Verringerung der digitalen Kluft zwischen Frauen und Männern. Zum Beispiel setzen sich viele Initiativen für die Überwindung dieser Ungleichheiten ein, indem sie Frauen darin unterstützen, sich die nötigen Fähigkeiten anzueignen oder indem sie dafür sorgen, dass die Frauen sich technisches Gerät und Software leisten können. Doch das Wissen allein, wie man Plattformen nutzt, hat unter Umständen nicht mehr die gewünschte Wirkung. Sein Unternehmen auf einer digitalen Verkaufsplattform einzustellen und sicherzustellen, dass man von den Kund*innen positive Bewertungen erhält, garantiert nicht mehr, dass das Unternehmen in den Rankings weiter nach oben rückt. Die Arbeitsweise maschineller Lernalgorithmen ist wie ein riesiger Topf Suppe, die aus tausenden von Zutaten besteht und von der jede*r eine etwas andere Mischung erhält. Unternehmer*innen wissen nicht, worauf sich der maschinelle Lernalgorithmus konzentriert. Geht es darum, wie familienfreundlich das Angebot eingestuft wurde? Ist es die Lage? Sind es die Kosten? Außerdem weiß man wenig darüber, wie diese Algorithmen neue Marktteilnehmer*innen behandeln. Es braucht also mehr, um den Wettbewerb für Kleinunternehmen fair zu gestalten.

Mit Unterstützung der Regierung muss es darum gehen, im Regulierungsprozess zur Aufnahme und Kategorisierung von Unternehmen denjenigen Priorität zu geben, die Indonesiens Nachhaltigkeitsziele im Tourismus stützen. Dazu gehören Strategien und Aktivitäten, die deutlich machen, was Gleichberechtigung im Tourismus in verschiedenen Teilen Indonesiens bedeutet und mit denen die Ursachen der Ungleichheit zwischen Frauen und Männern angegangen werden. Um das Problem zu lösen, sollte Indonesien Plattformen überwachen und sie dahingehend beeinflussen, dass diese ihrerseits Tourismusunternehmen in die Verantwortung nehmen. So könnten Nachhaltigkeitsratings zusätzlich zu den Kundenratings einbezogen und Unternehmen bestraft werden, die sich nicht an die vor Ort geltenden Regeln halten. Will zum Beispiel Lombok der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Bezug auf die faire Verteilung des wirtschaftlichen Nutzens Priorität geben oder geschlechtsbedingte Verzerrungen im Tourismus verringern, könnte die Kommunalverwaltung vorschlagen, dass diese Indikatoren im Rahmen der Einträge und Rankings auf Plattformen erfasst und überwacht werden.

Caitlin Bentley forscht am ’Agency, Autonomy, Assurance (3A) Institute’ an der Australian National University zum Thema gesellschaftliche Inklusionspolitik und -praxis im Zeitalter künstlicher Intelligenz.

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp