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SDG 13: Klimapolitik

Der CO2-Fußabdruck von Reisen und Tourismus


In der Zwischenbilanz zum Klima-Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG) Nr. 13 –"Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen" – schneidet die Reise- und Tourismusbranche größtenteils schlecht ab. Doch die Dekarbonisierung des Tourismus ist realisierbar, zeigt ein an der Universität Breda entwickeltes Szenario. Sie muss nur umgehend umgesetzt werden.

Aktuelle Schätzungen zum CO2-Fußabdruck des Tourismus variieren, meist abhängig davon, welche Emissionen einbezogen werden. Doch insgesamt ist der Tourismus für mindestens fünf bis acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, und zu zehn bis elf Prozent für den gesamten Klimawandel. Etwa drei Viertel der Tourismus-Emissionen entfallen auf den Verkehr. Zweitgrößte Emissionsquelle ist der direkte Energieverbrauch in Unterkünften, z.B. zum Kochen, Heizen oder Kühlen.

Zwar behauptet der World Travel & Tourism Council (WTTC), das Tourismuswachstum habe sich vom Emissionswachstum abgekoppelt, doch das ist äußerst verfrüht. Abgesehen vom pandemiebedingten vorübergehenden Rückgang steigen die Emissionen seit Jahrzehnten stetig an und werden voraussichtlich auch in diesem Jahrhundert weiter ansteigen. Wenn alles so weitergeht wie bisher, werden die tourismusbedingten Emissionen 2050 um 73 Prozent über dem Niveau von 2019 liegen. Lässt man dies zu, würde der Tourismus unglaubliche 66 Prozent des verbleibenden weltweiten CO2-Budgets verbrauchen, wenn man zugrunde legt, dass die Temperatur zwischen 2023 und 2100 nicht über 1,5 °C ansteigen darf.

Dies steht in krassem Widerspruch zu den international vereinbarten Zielen des Pariser Klimaabkommens. Sie spiegeln sich auch in der Glasgow-Erklärung der Welttourismusorganisation (UNWTO) zum Klimaschutz im Tourismus wider, die verlangt, die Emissionen bis 2030 zu halbieren und bis spätestens 2050 „netto null“ zu erreichen, um die globale Erwärmung unter 1,5 °C zu halten. Die vor uns liegenden Herausforderungen sind enorm.

Hoher Handlungsdruck

Da die Tourismusbranche so langsam auf die Klimakrise reagiert hat und die Anzahl der weltweit unternommenen Reisen weiter wachsen wird, müssen wir nun "alles und überall gleichzeitig" tun, wie es UN-Generalsekretär António Guterres ausdrückte. Selbst dann verfehlen wir das Ziel, die Emissionen bis 2030 zu halbieren, und erreichen diesen Meilenstein erst im Frühjahr 2036.

Um die Emissionen so rasch wie möglich stark zu senken und bis 2050 „netto-null“ zu erreichen, dürfen wir nur die Bereiche des Tourismus ausbauen, die kaum Emissionen verursachen oder am ehesten zur Dekarbonisierung bereit sind. Eine Elektrifizierung des Tourismus, die zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist wird, weist in den kommenden Jahrzehnten den meisten Unterkünften und Transportmitteln den Weg zur Netto-Null-Bilanz. Es ist ein gewaltiges Unterfangen, aber im Straßen- und Schienenverkehr, für Schiffe und Hotellerie besteht zumindest die Möglichkeit, auf verfügbare Lösungen zurückzugreifen. Die Schwierigkeiten liegen in der Luftfahrt.

Flugverkehr: besonders umweltschädlich

Der Flugverkehr war 2019 für 55 Prozent der Emissionen des gesamten Tourismus verantwortlich, dabei waren nur 23 Prozent aller Reisen Flugreisen. Insbesondere die Emissionen von Langstreckenflügen werden sich bis 2050 voraussichtlich vervierfachen. Es liegt also auf der Hand, dass zur Dekarbonisierung des Tourismus der Flugverkehr berücksichtigt werden muss.

Leider sind wir noch Jahrzehnte davon entfernt, global über Flotten wasserstoffbetriebener, elektrischer Flugzeuge zu verfügen, insbesondere auf der Langstrecke. Eine signifikante Verringerung der Emissionen wird erst nach 2050 eintreten, obwohl regional eingesetzte Flugzeuge bereits in den 2030er Jahren emissionsfrei werden könnten. Eine schneller verfügbare technologische Alternative ist die Nutzung so genannter nachhaltiger Flugkraftstoffe. Im Jahr 2019 betrug die weltweit produzierte Menge solcher Kraftstoffe jedoch nur 0,1 Prozent der 300 Millionen Tonnen Flugzeugtreibstoff in der kommerziellen Luftfahrt. Mehr Biokraftstoffe und abfallbasierte Kraftstoffe einzusetzen ist problematisch, da Land und organische Abfälle nur eingeschränkt verfügbar sind.

Dekarbonisierung ist möglich: Ein Szenario

In unserem Szenario verwenden wir daher synthetische „E-Treibstoffe“, die durch "Power-to-Liquid"-Verfahren hergestellt werden. Die wichtigste Einschränkung dabei ist die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien zur nachhaltigen Herstellung synthetischer Kraftstoffe, denn die Nachfrage nach erneuerbaren Energien wird in allen Branchen steigen. Auch erschweren die Kosten für E-Treibstoffe die Einführung, denn sie sind vier- bis sechsmal teurer als fossile Brennstoffe.

Die einzige Möglichkeit, in unserem Szenario nachhaltigen Flugkraftstoffen eine Aufholchance zu geben, besteht darin, eine globale Vorgabe für ihre Beimischung anzunehmen. Anfangen sollte es mit einem Prozent bis 2025, vier Prozent bis 2030 und einem raschen Anstieg auf 100 Prozent bis 2050. Außerdem muss das Wachstum der Gesamtzahl an Flügen weltweit begrenzt werden, so dass die Nachfrage nach Flugtreibstoff sich um das Niveau von 2019 stabilisiert.

Kompensation ist keine Option

Es wäre äußerst problematisch, sich auf Kompensation als Ersatz für eine tatsächliche Verringerung der Emissionen und des Verbrauchs fossiler Brennstoffe zu verlassen. Schlimmstenfalls würde dies von Investitionen in längerfristige Strategien zur Emissionssenkung ablenken. Für das Szenario der Dekarbonisierung des Tourismus haben wir deshalb auf Kompensation ganz verzichtet und haben die folgenden Hebel angesetzt:

  • Den vorgeschriebenen Einsatz von E-Treibstoffen in der Luftfahrt bis zu 100 Prozent im Jahr 2050.
  • Investitionen in die Elektrifizierung von Verkehrsmitteln und Unterkünften, neben der massiven Nutzung/Erzeugung erneuerbarer Energien.
  • Investitionen in Technologie und Infrastruktur (z.B. Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologie für Flugzeuge und Hochgeschwindigkeitszüge).
  • Subventionierung der Ticketpreise für nachhaltige Verkehrsmittel.
  • Eine globale Begrenzung der Flüge, um die Nachfrage nach Kerosin auf dem Niveau von 2019 zu halten, bis emissionsfreie Flugzeuge den Himmel erobern und ein erneutes Wachstum innerhalb der planetaren Grenzen möglich wird.

Wie verändert dies den Tourismus?

In unserem Dekarbonisierungsszenario steigen die Gesamteinnahmen, die Anzahl der Reisen und die Gästeübernachtungen in etwa so stark wie bei "Business as usual". Wir können weiterhin reisen und sogar fliegen, um die Welt zu sehen, ohne sie stark zu schädigen. Das künftige Wachstum kommt jedoch aus den Tourismusbereichen, die am ehesten bereit sind, ihren CO2-Ausstoß zu verringern – mit einer Abkehr von Fern- und Flugreisen. Die größten Zuwächse entfallen stattdessen auf Mittel- und Kurzstreckenreisen per Bahn, Straße, Bus und Fähre. Diejenigen, die Fernreisen unternehmen, werden weniger Langstreckenreisen unternehmen, dafür aber mit größerer Wahrscheinlichkeit länger in energieeffizienten Unterkünften bleiben. Fliegen wird viel teurer, aber es wird billigere Alternativen geben (z.B. Hochgeschwindigkeitszüge) und das Reisen in nähere Zielorte bringt hohe Einsparungen.

Für Unternehmen, die sich auf die Dekarbonisierung einlassen, ergeben sich enorme Chancen. Es werden neue Reiseziele entstehen. Durch neue Partnerschaften und digitale Technologien wird es einfach werden, durchgehende Reisen mit mehreren Zwischenstopps und unterschiedlichen Verkehrsmitteln zu buchen. Dies erfordert zwar hohe Investitionen, verspricht aber auch gute Renditen.

Heute handeln

Obwohl die Reise- und Tourismusbranche nur langsam aktiv geworden ist, gibt es immer mehr Anzeichen dafür, dass sich endlich ein echter Wandel vollzieht, dank einer härteren Gangart in der Politik und öffentlichen Meinung. So hat die französische Regierung unlängst Kurzstreckenflüge auf Strecken verboten, auf denen es andere, weniger umweltschädliche Alternativen gibt. Deutschland hat die Steuern auf Tickets für Kurzstreckenflüge verdoppelt und 2021 wurde eine Vereinbarung zwischen Regierung und Industrie getroffen, die Produktion von „Power-to-Liquid“-E-Kraftstoffen zu erhöhen, um bis 2030 ein Drittel der Inlandsflüge damit zu betreiben. Im Juni 2023 beantragte die niederländische Regierung als erste Regierung weltweit aus Umweltschutzgründen eine reduzierte Obergrenze für Flughafenkapazitäten und ab 2026 werden in den Fjorden Westnorwegens nur noch emissionsfreie Elektrofähren, Kreuzfahrtschiffe und Touristenboote zugelassen sein.

All dies geschieht jedoch eher langsam und bruchstückhaft. Damit sich wirklich etwas ändert, müssen die Treibhausgase im Reiseverkehr weltweit vollständig erfasst werden. Derzeit fallen die internationalen Emissionen im Flug- und Schiffsverkehr nicht unter das Pariser Klimaabkommen. Es gibt nun zwei mögliche Lösungen, um den Flugverkehr für die verursachten Emissionen zur Rechenschaft zu ziehen. Die erste besteht in einer globalen Obergrenze für Slots (Zeitfenster) an Flughäfen. Solche Obergrenzen sind eine Chance für eine gerechte Verteilung des Flugverkehrs zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. Weniger entwickelten Volkswirtschaften könnte noch ein gewisses Wachstum an Slots zugestanden werden, die von wohlhabenden Ländern bereitgestellt werden. Die zweite Lösung ist die Einbeziehung der internationalen Flugverkehrsemissionen in die nationalen CO2-Budgets. Damit könnten und müssten die Länder Emissionen aus dem Flugverkehr gegen die aus anderen Branchen und aus Haushalten abwägen.

Es muss sichergestellt werden, dass die Emissionen, die bei der An- und Abreise entstehen, in Tourismusplänen vollständig berücksichtigt werden und als Kosten bei der Produktentwicklung und der Erschließung neuer Märkte einbezogen werden. Eine Studie über US-amerikanische Gäste in Barcelona ergab beispielsweise, dass diese 70 Prozent mehr Geld ausgeben als Europäerinnen und Europäer, aber einen 100 bis 300 Prozent größeren CO2-Fußabdruck haben. Sie müssten also im Schnitt dreimal so viel Geld ausgeben, um auf das gleiche "Einkommen-zu-CO2"-Verhältnis zu kommen, oder drei Wochen länger bleiben.

Paul Peeters ist Professor am Centre of Expertise in Leisure, Tourism and Hospitality (CELTH), Breda University of Applied Sciences in den Niederlanden, Ben Lynam ist Leiter der Kommunikationsabteilung der britischen Travel Foundation.

 

Weitere Informationen:

Peeters, Paul; Papp, Bernadett (2023): Envisioning Tourism in 2030 & Beyond. Hg. Travel Foundation UK; Centre of Expertise in Leisure, Tourism and Hospitality (CELTH) Breda University of Applied Sciences (BUas); European Tourism Futures Institute (ETFI); Netherlands Board of Tourism and Conventions (NBTC).