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Entwicklung des internationalen Tourismus in El Salvador

Eine Bedrohung für Mangroven und Ernährungssicherheit


Bay El Salvsador

Zur Entwicklung des Tourismus wirbt der mittelamerikanische Staat El Salvador um internationale Investitionen. Die Regierung und private Investoren wollen aus der Bucht von Jiquilisco im Südwesten des Landes das ‘Cancun Mittelamerikas‘ machen. Das ist jedoch mit negativen Auswirkungen verbunden: Gemeinschaften vor Ort verlieren den Zugang zu Mangrovenwäldern. Dadurch wird ihre traditionelle Nahrungsmittelproduktion beeinträchtigt und ihre Ernährungssicherheit bedroht.

Laut Tourismusministerium nahm in El Salvador der internationale Tourismus 2018 gegenüber 2017 um 12,9 Prozent zu. In den kommenden Jahren will die salvadorianische Regierung mit einer offensiven internationalen Werbestrategie sowohl die Anzahl der Gäste als auch die Einnahmen erhöhen und dabei sogar den chinesischen Markt erreichen.

Groß angelegte Tourismusentwicklung in Jiquilisco Bay

Die Bucht von Jiquilisco ist eines der beliebtesten Touristenziele, denn sie bietet unberührte Strände, üppige Mangrovenwälder und eine beeindruckende Vielfalt an Vögeln und anderen Tierarten. 2004 veranstaltete die staatliche Tourismusbehörde Salvadoran Tourism Corporation (CORSATUR) eine Konferenz, um ausländische Investoren und internationale Tourismusunternehmen zu gewinnen. Es entstand der Plan, die Bucht von Jiquilisco in das ‘Cancun Mittelamerikas‘ zu verwandeln. Innerhalb von 25 Jahren soll aus der Gegend ein voll ausgestatteter Urlaubsort werden –  mit Flughafen, luxuriösen Hotelanlagen, Einkaufszentren und mehr. Spekulanten raffen so viel Grund und Boden zusammen wie möglich, indem sie ihn entweder zu Niedrigpreisen kaufen oder sich auf illegale Weise öffentliche Flächen aneignen.

Verlust von Zugang zu Küstengebieten und Mangroven

Wenn man das Dorf El Chile im westlichen Teil der Bucht  besucht, sieht man als erstes einen Stacheldrahtzaun, der sich in den Mangrovenwald bis hin zur Flussmündung erstreckt. Manuel Cruz, einer der Dorfvorsteher, berichtet, dass der Strand und die Mangroven von Unbekannten abgesperrt worden seien und den Anwohnerinnen und Anwohnern der Zutritt verweigert werde. Der Lebensunterhalt von 20 Kleinbauernfamilien in El Chile basiert auf der Subsistenzwirtschaft: der Landwirtschaft, der Fischerei und dem Sammeln von Muscheln. Seit Generationen sind die Dorfbewohnerinnen und -bewohner ungehindert im Mangrovenwald und im Wasser der Bucht unterwegs. Ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken verletzt nicht nur ihre Rechte als indigene Bevölkerungsgruppe, es beeinträchtigt auch unmittelbar ihre Ernährungssicherheit und beschränkt ihre Möglichkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. So verschärft sich die Armut und es kommt zunehmend zu Gewalt.

Negative Auswirkungen durch groß angelegte Tourismusentwicklung entstanden auch im Fall einer Hotelanlage, die südlich der Bucht von Jiquilisco gebaut wurde. Laut Jose Santos Guevara, Direktor der Nichtregierungsorganisation ACUDESBAL (Asociación Intercomunal de Comunidades Unidas para el Desarrollo Económico y Social del Bajo Lempa) seien der Strand und der kleine Mangrovenwald in der Nähe des Hotels nun ausschließlich dem Vergnügen der gut zahlenden Urlauberinnen und Urlauber vorbehalten. Die indigenen Familien wurden von dort vertrieben. Einige ließen sich in der nahegelegenen Region Bajo Lempa nieder und arbeiten dort hauptsächlich als Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Zuckerrohrfeldern. Zweifelsohne bedeutet der Verlust ihrer territorialen Wurzeln auch den Verlust von Teilen ihrer Kultur und Identität.

Abhängigkeit von einer intakten Umwelt

Regierungsvertreter und private Investoren versprechen nachhaltige Tourismusprojekte und den Schutz der Umwelt und Kultur. Ihre Behauptungen sind jedoch fragwürdig, denn die von ihnen ins Auge gefassten touristischen Vorhaben können nur umgesetzt werden, indem man dem empfindlichen Ökosystem der Mangrovenwälder in der Bucht schwere Schäden zufügt.

Die meisten Gemeinschaften in Jiquilisco Bay leben vom Anbau von Mais und Bohnen, von der Kleintierzucht, der Fischerei und dem Sammeln von Meeresfrüchten aus den Mangrovenwäldern. Deshalb ist eine intakte Umwelt für ihre Ernährungssicherheit und ihr Wohlergehen unabdingbar. Es wird zudem befürchtet, dass der sich ausbreitende Massentourismus zur Auflösung landwirtschaftlich geprägter Kleinbauerngemeinschaften führen werde, wenn Jugendliche durch einen konsumorientierten Lebensstil abgelenkt werden.

Es gibt einige wenige Familien- und Gemeinschaftsinitiativen, die Unterkünfte und Verpflegung für Touristen anbieten. Bislang haben sie von der Regierung keine technische oder finanzielle Unterstützung erhalten, denn die scheint nur an großen Investitionsprojekten interessiert zu sein.

Respekt für die Bedürfnisse und Interessen der Gemeinschaften

Zweifelsohne kann der Tourismus einen gangbaren Weg zur Entwicklung der Wirtschaft und sogar zum Schutz empfindlicher Ökosysteme darstellen. Um dieses Potenzial zu realisieren, muss der salvadorianische Staat Gesetze zum Umweltschutz erlassen und rigoros durchsetzen. Die Gemeinschaften müssen informiert werden, sie müssen sich organisieren und in Entscheidungen, die sie direkt betreffen, einbezogen werden.

Mabel Barrera, eine Sonderschullehrerin aus Amando Lopez, sagt: „Wir sind nicht gegen Tourismus als Wirtschaftsaktivität, doch wir möchten, dass die Menschen von einem gemeindebasierten und Ökotourismus profitieren. Leider fördert die Regierung einen Tourismus, der von Großunternehmen kontrolliert wird und der gravierende soziale Auswirkungen auf unsere Gemeinschaften haben wird.“

Diese Bedenken spiegelten sich in einer Deklaration wider, die vor einigen Jahren von einer Gruppe von Führungspersönlichkeiten aus den Gemeinschaften von Jiquilisco Bay verabschiedet wurde. Darin heißt es: „Wir fordern Respekt für unser Recht auf Leben und auf eine gesunde Umwelt. Wir wollen, dass die Wälder eine unerschöpfliche Quelle des Lebens bleiben. Wir wollen ausreichend sauberes Wasser haben und wir wollen unsere Nahrungsmittel selbst anbauen und uns angemessen ernähren. Wir wollen unsere Freiheit behalten“.

Jose Roberto Acosta ist Geschäftsführer von „Voices on the Border“. Die gemeinnützige Organisation unterstützt ländliche Gemeinschaften in El Salvador bei ihrem Streben nach sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit sowie nachhaltiger Entwicklung.

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp