Zwischen „Generation easyjet“ und „Generation Greta“

Weniger fliegen – besser reisen?

Antje Monshausen
Schild der Protestierenden mit der Aufschrift: billiges Fliegen kommt uns teuer zu stehen
© Fridays for Future Düsseldorf

Fast drei Viertel der Deutschen wären bereit, für´s Fliegen tiefer in die Tasche zu greifen und befürworten eine Verteuerung von Flugtickets, zeigt eine repräsentative Umfrage im Sommer 2019. Am Rande einer Diskussion von Jugendlichen zum Thema verantwortlich Reisen Mitte August in Berlin, gingen bei dem Vorschlag, Flüge innerhalb Europas ganz zu verbieten, sogar 10 von 15 Händepaaren befürwortend nach oben. So gesehen verwundert es nicht, dass einige Fridays for Future Gruppen in den Sommerferien, ihre Protestorte von den Innenstädten zu den Flughäfen verlegt haben, zum Beispiel in Stuttgart und Düsseldorf. Doch die Realität sieht anders aus: Die Flugwirtschaft verkündet 2019 Rekordzahlen. Die Vertreter der Luftfahrtwirtschaft geben der Presse halb erleichtert, halb trotzig zu Protokoll, dass es keinen „Greta-Effekt“ gäbe und keine Wirkungen zu erkennen seien, die auf die globalen Klimaproteste zurückgingen. Trotzdem merkt man bei Branchentreffen, dass die Nervosität seitens der Luftfahrt und der Reisewirtschaft groß ist.

Mit gutem Grund: Denn das, was Klimaskeptiker und Routineflieger bisweilen als Doppelmoral ausschlachten, nämlich das junge Menschen, die freitags für Klimaschutz demonstrieren trotzdem auch mal fliegen, könnte ein Vorzeichen für eine dringend notwendige Umkehr werden. Immer mehr junge Menschen brechen mit der bequem gewordenen Routine des gedankenlosen Schnell-Mal-Wegfliegens. Sie werden zu rational entscheidenden Multi-Mobilisten in Sachen Reisen, die für das Klima seltener mit dem Flugzeug, dafür öfter mit dem Zug, dem Bus oder der Mitfahrgelegenheit in den Urlaub reisen. Auf Flüge zu verzichten ist für sie kein Komfortverzicht, sondern ein Zugewinn an Glaubwürdigkeit und Reisequalität.  Wird damit ein „weniger fliegen – besser reisen“ möglich?

Wir haben einige Jugendliche und junge Erwachsene gefragt, ob und wie in ihrer Generation das Thema Flugreisen diskutiert wird:

Helen, Abiturientin, 17 Jahre aus Berlin: Klimastolz schlägt Flugscham

„Bei der Abifahrt haben wir im Jahrgang miteinander diskutiert, wohin die Reise gehen sollte. Am wichtigsten war ein günstiger Preis, aber auch die Frage der Anreise wurde diskutiert. Am Ende sind einige von uns mit dem Zug nach Dänemark gefahren. Im Freundeskreis und auf Partys ist die Stimmung ziemlich geteilt: Einigen ist es wichtig, Flüge zu vermeiden, anderen ist das egal. Die Macht der Bilder funktioniert leider eher zugunsten des Flugzeugs und zum Nachteil z.B. für Fernbusse: Schließlich sieht man da selten einen beeindruckenden Sonnenaufgang von oben, sondern eher den verschwitzten Rücken des Vordermannes von hinten. Das Bild aus dem Bus postet man dann lieber nicht. Aber wenn man dann erzählt, wie weit man es vergleichsweise klimafreundlich geschafft hat, ist man schon stolz. Das ist dann auch für andere motivierend, es selbst zu versuchen. Es ist mir wichtig, innerhalb Europas auf Flüge zu verzichten. Damit das für alle möglich wird, sollte Fliegen teurer, Bahnfahren günstiger werden.“

Meret, Schülerin, 10 Jahre aus Berlin: Es kann ruhig mal anstrengender sein

„Ich finde fliegen blöd. Also nicht das Fliegen selbst, das mag ich sogar. Ich bin schon ein Mal geflogen. Aber ich mag nicht, dass es so schlecht für die Umwelt ist. Für mich ist es ok, wenn der Weg in den Urlaub etwas anstrengender ist und man ein paar Tage unterwegs ist, bis man ankommt. Aber ich habe eine Freundin, die lebt in Costa Rica. Irgendwann möchte ich sie mal besuchen und dann muss ich fliegen.“

Marc, Student, 23 Jahre aus Heidelberg: Reisen heißt unterwegs sein von A bis Z, nicht fliegen von A nach B

„Ich beginne im Oktober ein einjähriges Auslandsstudium in Japan. Ich habe lange überlegt, ob ich das mit meinem eigenen Anspruch verbinden kann, möglichst wenig zu fliegen. Aber die Anreise per Zug und Schiff ist einfach zu kostspielig. Meinen Flug habe ich bereits kompensiert. Meine Eltern wollten mir zu Weihnachten einen Rückflug schenken, damit wir zusammen feiern können. Das habe ich abgelehnt und auch den Besuch von Freunden für eine kurze Zeit dort, möchte ich nicht. Innerhalb Europas fliege ich seit Jahren gar nicht mehr, weil ich weiß, wie viele Alternativen es gibt. Auf einer 25-stündigen Zugfahrt dieses Jahr nach Oslo habe ich Menschen aus Deutschland, Dänemark, Schweden und Norwegen kennengerlernt; die hätte ich sonst nie getroffen.  Wenn man einfach von A nach B fliegt, verpasst man so viel. Reisen ist schließlich ein Erlebnis von A bis Z. Ich habe meine Zweifel, dass es in den nächsten 30 Jahren klimafreundliches Fliegen geben wird und selbst dann, denke ich, verpasst man weiterhin viel, wenn man die Anreise einfach überspringt. Ich bin nicht gegen das Fliegen per se, aber es sollte eine seltene Ausnahme sein.“   

Alaya, 13 Jahre, Schülerin aus Berlin: Unsere Eltern sind besorgt, wir nicht

„Ich bin dieses Jahr mit meiner Familie in den Urlaub geflogen. Aber wir hatten alle ein schlechtes Gewissen und haben uns danach vorgenommen, weniger zu fliegen. Weil ich als Kind schon viel geflogen bin, möchte ich jetzt sparsamer leben. Meine Klasse möchte nach Rumänien mit dem Zug reisen. Einige Eltern machen sich Sorgen, dass das zu lange dauert, aber wir wollen es trotzdem machen, weil Fliegen für uns nicht in Frage kommt.“

Ella, 9 Jahre, Schülerin aus Berlin: Für uns ist es einfacher

„Ich liebe Zug fahren. Auf Flüge zu verzichten ist für uns Kinder gar nicht so schwer - wir kennen Zugfahren und machen es gerne. Aber für die älteren Generationen ist das eine große Umstellung, die tun sich schwerer, weil Fliegen für sie normal ist.“ 

Jonas, Student, 22 Jahre aus Hannover: Nicht-fliegen ist cooler als Vielfliegen

„Ich bin in meinem Leben nur zwei Mal geflogen. Früher wurde das eher als Defizit gesehen, da war Vielfliegen cooler und ich war eher ein Exot, wenn ich nicht weggeflogen bin. Heute hätte ich viele Gelegenheiten wegzufliegen, aber ich kann das nicht mehr guten Gewissens tun. Die Einladung von Freunden über Silvester ins Warme zu fliegen, habe ich abgelehnt. Eine Freundin hat sogar eine Fernreise abgesagt. Mit dem Begriff Flugscham kann ich mich identifizieren und ich bin optimistisch, dass meine Generation zukünftig weniger fliegt als bisher.“

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