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Gemeindebasierter Tourismus in ländlichen Regionen

Vermarktung als zentrale Herausforderung


In Lateinamerika haben in den letzten Jahren viele Initiativen in Gemeinden große Anstrengungen unternommen, ihre Infrastruktur und ihre touristischen Fähigkeiten zu verbessern. Der Tourismus ist für die ländlichen Gemeinden neu. Traditionell widmen sie sich der Landwirtschaft, der Viehzucht, der Fischerei, dem Handwerk oder der Forstwirtschaft. Nicht immer waren und sind die Tourismusaktivitäten wirklich erfolgreich. Eine der größten Schwierigkeiten besteht darin, genügend Besucher anzuziehen, damit die Investitionen und Anstrengungen sich wirtschaftlich rechnen.

Etliche ländliche und indigene Organisationen in verschiedenen Teilen Lateinamerikas haben es jedoch geschafft, ihre Einkünfte durch den Tourismus zu ergänzen und zu erhöhen. Eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür waren spezielle Vermarktungsstrukturen. Um Fragen rund um die Vermarktung gemeindebasierter Tourismusangebote zu diskutieren, organisierte die katalanische Organisation Alba Sud im Oktober 2013 in Katalonien ein Treffen mit Vertretern von acht Reiseveranstaltern aus Argentinien, Chile, Ecuador, Bolivien, Brasilien, Costa Rica, Nicaragua und El Salvador.

Verschiedene Vermarktungswege

Es gibt Gemeinden und Kooperativen, denen es gelungen ist, ihre Angebote direkt zu verkaufen – sowohl an Landsleute als auch an ausländische Besucher, die im Land weilten. Flora Acevedo, Lehrstuhlinhaberin des Studienganges Nachhaltiger Tourismus der Universidad Autónoma de Nicaragua (UNAN-Managua) und Vertreterin des Reiseveranstalters Exode-Nicaragua, besteht in diesem Zusammenhang darauf, die wesentliche Bedeutung des nationalen Marktes für die Konsolidierung des gemeindebasierten ländlichen Tourismus nicht aus den Augen zu verlieren. "Denn", so erklärt sie, "es handelt sich hier um eine nahe Klientel, die fast während des gesamten Jahres kommt und mit vielen Initiativen Bündnisse eingehen kann, indem sie zusätzlich zu den touristischen Angeboten auch ihre Produkte kauft".

In anderen Fällen haben die Gemeinden versucht, mit konventionellen Reiseveranstaltern zu Vereinbarungen zu gelangen. Anfänglich war das nicht einfach – aufgrund der Arbeitsweise vieler privater Unternehmen, die die Absprachen und Funktionsweisen der Gemeinden nicht respektierten, oder die Einzigartigkeit dieses Angebots nicht verstanden und nicht wussten, wie sie es ihren Kunden verkaufen sollten. Oder auch wegen der logistischen Schwierigkeiten mancher gemeindebasierter ländlicher Tourismusprojekte, die schwer zugänglich oder nur mit hohem Kostenaufwand zu erreichen sind. Um diese Art von Angeboten besser zu vermarkten, müssten die Gemeinden über eigene Vermarktungsstrukturen oder über stabile Allianzen mit einigen Firmen ihres Vertrauens verfügen.

In manchen Ländern spielten die Koordinationsnetze der verschiedenen gemeindebasierten Organisationen eine direkte, herausragende Rolle dabei, neue Vermarktungsformen auf den Weg zu bringen. Dies war zum Beispiel beim Netzwerk Tusoco in Bolivien der Fall, wie Koordinator Sandro Saravia erklärte; oder bei ACTUAR in Costa Rica, wie Produkt-Koordinatorin Madelyn Castro ausführte.

In anderen Ländern haben die Anforderungen des alltäglichen Managements des Tourismus die Gemeinden dazu veranlasst, eigene Firmen zu gründen, unter autonomer Leitung, aber unter strategischer Kontrolle der Gemeinden, wie z.B. die Firma Runa Tupari in Ecuador in Zusammenarbeit mit der Unión de Organizaciones Campesinas Indígenas de Cotacachi (UNORCAC). Geschäftsführer Christian Garzón erklärte, dass "diese strukturelle Trennung unter der politischen Kontrolle der UNORCAC den Gemeinden ermöglicht hat, zu wachsen und ihr Verkaufsvolumen zu steigern".

In wieder anderen Fällen haben Nichtregierungsorganisationen eine wichtige Rolle gespielt, indem sie die Vermarktung des gemeindebasierten ländlichen Tourismus mit übernahmen – zum Beispiel bei Travolution in Chile, wie Vertriebsleiter José Gerstle berichtete.

Anderswo haben die organisierten Gemeinden Allianzen mit Firmen eingehen können, zu denen sie vertrauensvolle Beziehungen aufgebaut haben, die ihnen eine langfristige Arbeit ermöglichen. So z.B. in El Salvador, wo der Reiseveranstalter Toururales als Familienunternehmen eine Allianz mit der Mesa Nacional de Turismo Rural Comunitario (TRC) eingegangen ist und die Aufgabe hat, die Tourismusströme zu organisieren und dabei verschiedene Initiativen zu beteiligen, wie die Inhaberin Roxana Flamenco erklärte. Das sei auch bei der Red Campesina de Salta in Argentinien der Fall, die eine stabile Beziehung mit dem lokalen Veranstalter Origins eingegangen ist, berichtete der technische Koordinator des Netzwerkes, Ramiro Ragno.

Bei der internationalen Vermarktung war es für viele Netzwerke von besonderer Bedeutung, dass sie mit der Unterstützung der auf gemeindebasierte Produkte spezialisierten Reiseagenturen rechnen konnten. Mit langfristigen stabilen Beziehungen, gegenseitigem Vertrauen und Unterstützung bei der Gestaltung von spezialisierten Produkten und Dienstleistungen spielen Firmen wie Sumak Travel in Großbritannien oder Exode Viatges in Spanien eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der internationalen Vermarktungsstrategien der gemeindebasierten Initiativen.

Anders als solidarischer Tourismus?

Oft wird die Frage gestellt, ob diese Art von gemeindeorientierten ländlichen Tourismusinitiativen mit dem 'solidarischen Tourismus' nicht zu viel gemeinsam hat und ob nicht eine stärkere Abgrenzung nötig sei. Es ist richtig, dass einige europäische und nordamerikanische Nichtregierungsorganisationen traditionsgemäß Solidaritätsreisen organisieren, um ländliche Gemeinden in Lateinamerika kennenzulernen, um Reisende zu sensibilisieren und Solidarität mit diesen Gemeinden zum Ausdruck zu bringen. Auch verschiedene Formen der Freiwilligenarbeit haben Gemeinden geholfen, zu lernen, wie man Besucher empfängt. Ohne ihre Bedeutung schmälern zu wollen, betonen jedoch die Veranstalter von gemeindebasiertem ländlichen Tourismus, dass die Erschließung wirtschaftlicher Alternativen zur Diversifizierung der Einkünfte der ländlichen Bevölkerung nicht von dieser Art von Initiativen abhängen darf, da diese zwangsläufig sehr klein sind. Auch betonte Roxana Flamenco, Geschäftsführerin von Tourales: "Man kann nicht permanent Objekt der Solidarität anderer sein."

Wenn also manche Gemeinden diesen wirtschaftlichen Weg einschlagen, kann dies nicht geschehen, indem sie Armut verkaufen, sondern muss auf einem Angebot basieren, das interessant und attraktiv ist. Dazu gehört, sich der Herausforderung zu stellen, Vermarktungsstrukturen aufzubauen, die reale wirtschaftliche Alternativen generieren können, ohne dass die Gemeinden die Kontrolle darüber verlieren.

Weitere Informationen:

“Cataluña: Encuentro sobre turismo rural comunitario”, Alba Sud, 08/10/2013. www.albasud.org/noticia/es/504/catalu-a-encuentro-sobre-turismo-rural-comunitario

Videos der Beiträge der acht Reiseveranstalter: www.albasud.org/noticia/es/516/videos-de-las-presentaciones-de-la-jornada-sobre-comercializaci-n-de-trc

Ernest Cañada ist Koordinator der katalanischen Organisation "Alba Sud - Investigation and Communication for Development" und Mitglied der "Group to Research Sustainability and Territory (GIST)" an der Universität der Balearen.

Übersetzung aus dem Spanischen: Sabine Reichert

(6.682 Zeichen, Dezember 2013)