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Eine Reise zum Klimawandel

Wasserknappheit und -management in Peru


Es ist bislang noch keine beliebte Strategie im Tourismusmarketing, eine Destination mit sensiblen oder komplizierten Themen zu bewerben. Doch im gemeindebasierten Tourismus in den peruanischen Anden gehen einige Incoming-Reiseagenturen und Quechua-Gemeinden diesen Weg, um auf ihre Probleme in Folge der Erderwärmung aufmerksam zu machen.

Der Klimawandel wird in den Anden Perus immer stärker spürbar. Die hochgelegenen Quechuadörfer befinden sich fast alle unweit der tropischen Gletschergebiete der Cordillera Vilcanota südöstlich von Cusco. Noch vor ein paar Jahren war klar, welche Reisezeit hier die bevorzugte war: In der Trockenzeit von April bis Oktober war es tagsüber warm, sonnig und es gab pro Monat durchschnittlich höchstens sieben bis acht Regentage. In der Regenzeit von November bis März, hingegen, war mit ungefähr 18 Regentagen zu rechnen. Doch heute zögern die Quechuabauern, wenn man sie nach der besten Jahreszeit für einen Besuch fragt. Die Regenzeit lässt häufiger auf sich warten, es gibt immer mehr Starkregen und Hagelschauer, sogar in der Trockenzeit.

Gemeindebasierter Tourismus mit neuem Konzept

Patabamba, eine Andengemeinde mit etwa 220 Einwohnern, ist ein klassisches Beispiel für erfolgreichen gemeindebasierten Tourismus in der Region Cusco. Der örtliche Tourismusverein mit zwölf Familien bietet Homestays an. Die Gäste helfen auf den Feldern, beim Weideauf- und abtrieb und beim Zubereiten typischer einheimischer Gerichte.

Seit einem knappen Jahr gibt es nun ein neuartiges Reiseangebot: „Wassermanagement und Klimawandel in Patabamba“. Damit reagiert die Gemeinde auf ein Problem, das für die Menschen im Alltag omnipräsent ist: immer extremere und unberechenbare Wetterphänomene. Deren Folgen bekommen nicht selten auch Touristen zu spüren – und fragen nach.

Wasserknappheit in den Anden

Antero Champi aus Patabamba ist seit der ersten Stunde Mitglied des Tourismusvereins. Er berichtet, wie der Qoriqocha (Quechua-Wort für Goldsee) nach und nach trocken fällt: „Der Wasserspiegel des Qoricocha-Sees ist in den letzten 20 Jahren um mindestens 25 bis 30 Meter gesunken“, schätzt Antero. „Irgendwann wird der Qoricocha nur noch eine Legende sein, die wir unseren Kindern erzählen“.

Der Wassermangel wirkt sich gravierend auf das Leben der Menschen aus. „Wir leben von unseren Feldern. Wir produzieren für den eigenen Bedarf und verkaufen unsere Erzeugnisse“, berichtet Antero. „Es gibt keine normalen Anbauzyklen mehr. Wir alle denken daran, andere Feldfrüchte anzupflanzen. Aber was? Alles hängt doch vom Regen ab.“ Und wenn er dann kommt, richtet er immer öfter Schäden an. An immer mehr Tagen im Jahr sind die Zufahrtsstraßen gesperrt oder unpassierbar. Starkregen erodiert die schmalen Feldwege und auch einige Touristen-Jeeps haben schon umkehren müssen.

Klimawandel als Reisethema

Fast alle Besucher, die nach Patabamba kommen, unternehmen Wanderungen zum periglazialen Qoricocha-See. Auf der Tour zu Wassermanagement und Klimawandel erfahren sie auch von der Geschichte des Sees, etwa dass er in den 1980er Jahren ein Trinkwasserreservoir für die Stadt Cusco war. Dass sich trotz der allgemeinen Gletscherschmelze nun der fehlende Regen bemerkbar macht und Wasserknappheit herrscht. Und dass es noch Naturstein-Wasserkanäle aus der Inkazeit in und um Patabamba gibt, die Experten des Kulturministeriums auf die Jahre 1450 bis 1500 datiert haben. Heute sammelt die Gemeinde Regenwasser und hat dazu künstliche Reservoirs zur Bewässerung ihrer Felder angelegt. Versickerungsgräben wurden gezogen, um den Regenabfluss zu kontrollieren und zu nutzen.

Vergütung von Maßnahmen zum Umweltschutz

Seit 2014 gibt es in Peru ein Gesetz zu Vergütungsmechanismen für ökosystemische Dienstleistungen. Es soll sicherstellen, dass die Arbeit von Gemeinden und zivilgesellschaftlichen Gruppen für den Umweltschutz gewürdigt und finanziell gerecht kompensiert wird. Die Auszahlungen werden von den Provinz-Behörden in Cusco geleistet. In den ersten zwei Jahren wurden aber ausschließlich Bauprojekte zur (Ab-)Wasserinfrastruktur in ländlichen Gebieten finanziert. Ein Fortschritt ist die Anerkennung von Maßnahmen zum Erhalt der Weide- und Waldlandschaft in den peruanischen Bergen. Ob eine Maßnahme nach dem Gesetz finanzierungsfähig ist, wird von der Distrikt- und Provinzverwaltung festgestellt. Das macht es für Quechuagemeinden sehr schwierig, ohne professionelle Unterstützung Ansprüche geltend zu machen und Projekte bewilligt zu bekommen. Zu oft wird leider nicht anerkannt, dass die indigenen Gemeinden durch die kleinbäuerliche Landwirtschaft, Bepflanzungen und Wiederaufforstung gelebten Wasserschutz leisten.

Wassersparen – auch im Tourismus

In den Quechua-Gemeinden Tauca und Umasbamba können die Bewohnerinnen und Bewohner ähnliche Geschichten erzählen wie in Patabamba. Der Ort liegt am Ufer des Piuray-Sees etwa 20 Kilometer von Cusco entfernt. Als direkte Anrainer des Sees erhalten die Menschen dort Ausgleichszahlungen für den Landschaftsschutz. Der See versorgt aktuell knapp 50 Prozent der Stadt Cusco mit Wasser, darunter einen Großteil der touristischen Infrastruktur. Es werden im Durchschnitt 260 Liter Wasser pro Sekunde aus Piuray nach Cusco gepumpt. Oft gibt es wegen der überlasteten und veralteten Infrastruktur Rohrbrüche. Nachts werden die Turbinen abgeschaltet, die Wasserversorgung der Stadt wird für sechs bis sieben Stunden unterbrochen. Viele Dörfer bekommen überhaupt nur drei bis fünf Stunden pro Tag Wasser.

Die Touristenunterkünfte in Cusco sind dagegen mit grossen Wassertanks ausgestattet, um Engpässe zu vermeiden. Die meisten Touristen erfahren von der Wasserknappheit nur, wenn sie die Quechua-Dörfer besuchen oder sich mit Einheimischen in Cusco austauschen. Das ist leider nicht immer der Fall. Das Wissen um die Problematik ist jedoch ein erster wichtiger Schritt. Denn Klimagerechtigkeit beinhaltet auch eine Mitverantwortung der Reisenden bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Die peruanischen Anden sind nur eine von vielen zunehmend von Wasserknappheit betroffenen Regionen der Welt, in denen Einheimische wie Gäste mit Wasser bewusst und sparsam umgehen müssen.

Eva Becker ist Geschäftsführerin der Touristikgruppe Hoteles CBC mit drei Hotels und einer Reiseagentur in Cusco. Deren Hauptanteilseigner ist das Centro Bartolomé de Las Casas, eine der ältesten Sozialorganisationen Perus. Zuvor war die Autorin sieben Jahre lang als Entwicklungshelferin in Peru tätig.

(November 2017, TW 89)