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Den informellen Sektor stärken

Ein gambischer Ansatz für inklusiven Tourismus


Wie in vielen anderen enklavenartigen Zielgebieten hat sich der Tourismus in Gambia so entwickelt, dass er den Armen kaum Chancen zur Beteiligung bietet. Traditionell sorgt der formelle Sektor für die Unterkunft und Beförderung der Touristen. Die Armen sind in ihren sichtbarsten Rollen Straßenhändler, die um die Reisebusse herum ihre Waren verkaufen wollen, oder ‘Bumsters’ am Strand, die versuchen, sich mit den Touristen anzufreunden und ihre Dienste als Guides anzubieten. Doch ein innovativer Ansatz half in Gambia den Tourismus inklusiver zu gestalten und dem informellen Sektor besseren Zugang zu Marktchancen zu verschaffen.

Der Tourismus in Gambia findet zentralisiert in Clustern statt. Eine Studie, die auf ausländische Direktinvestitionen in die Infrastruktur abzielte, empfahl in den 1970er Jahren diese Entwicklung. Doch sie führte zu Interessenkonflikten zwischen dem marktorientierten Enklavencharakter der Branche und den Beteiligungsbestrebungen des formellen und informellen Sektors und anderer nicht-touristischer Bereiche der Wirtschaft. Für Guides ohne Lizenz, ‘Bumsters’ und Obst-, Saft- oder Souvenirverkäufer war es schwierig, die Touristen zu erreichen, mehr zu verkaufen, bessere Preise zu erzielen und so mehr zu verdienen. Es gab Misstrauen und Konflikte. Der formelle und der informelle Sektor gaben sich gegenseitig die Schuld daran, dass die Branche insgesamt so schlecht abschnitt.

Den formellen und informellen Sektor zusammenbringen

Im Jahr 2000 initiierte die Tourismusbehörde in Gambia eine Strategie zur Einbeziehung verschiedener Interessengruppen, um gemeinsame Lösungen zu finden. Guides mit und ohne Lizenz, ‘Bumsters’, Obst- und Saftverkäufer, Inhaber von Ständen mit Kunsthandwerk, Taxifahrer, Hoteliers, Reiseveranstalter und ihre Mitarbeiter vor Ort kamen zusammen. In Workshops wurde jede dieser Gruppen ermutigt, offen über ihre Probleme zu sprechen und praktische Initiativen zu entwickeln, durch die sich ihre Marktposition verbessern ließe.

Es gab so viele Unstimmigkeiten, dass es nötig war, in einem erweiterten Konsultationsprozess für alle Bereiche der Branche die jeweilige Situation zu ermitteln. Unterstützend wurden die Einkommen und die Probleme im informellen Sektor erhoben. Viele kleine Akteure befanden, dass der formelle Sektor den Touristen nicht die “richtigen” Informationen über ihre Angebote vermittelte. Um auch die Nachfrageseite zu verstehen, wurden Daten von Touristen erhoben. Akteure aus dem formellen Sektor wurden zu ihren die Ansichten in Bezug auf die informellen Angebote befragt.

Es fanden eine Reihe von Workshops statt, sowohl mit den einzelnen Gruppen des informellen Sektors als auch mit dem informellen Sektor insgesamt und dann mit dem informellen und formellen Sektor gemeinsam. Der Dialog und die offene Meinungsäußerung halfen dabei, Argwohn zu überwinden, zum Beispiel in Bezug auf das, was die Mitarbeiter der Hotels und Reiseveranstalter den Touristen in den Willkommenstreffen über den informellen Sektor erzählen. Dabei ging es unter anderem um fehlende Qualitätsstandards, die Bedrängung von Touristen und das Feilschen.

Konkrete Verbesserungen

Die Konsultationen und Workshops waren nötig, um zu einem gemeinsamen Verständnis der Herausforderungen in Gambia zu kommen. Schließlich wurden eine Reihe von Maßnahmen identifiziert, um dem informellen Sektor Legitimität zu verleihen, darunter Lizenzen, Regulierungen zur formalen Anerkennung ihrer Angebote als respektierte Unternehmer, Namensschilder, wo nötig Versicherungen sowie Aus- und Fortbildungen im Kundenservice, im Bereich Lebensmittelsicherheit, etc.

Zu den in der Praxis erfolgreichen Maßnahmen gehören Lizenzen und das Marketing der Angebote der Armen in den Hotels sowie eigene Verhaltenskodizes, die vom informellen Sektor selbst geschaffen wurden und überwacht werden. Dienstleistungen von Guides, Touristentaxis, etc. werden nun an den Informationstafeln in den Hotels beworben.

Kooperation statt Konkurrenz

Eine der wichtigsten Erfahrungen war, dass Gambia im starken Wettbewerb mit anderen Sonnen- und Stranddestinationen steht. Die Gambier in der Branche müssen zusammenarbeiten, um Touristen anzulocken, statt aggressiv miteinander zu konkurrieren. Es braucht einen gesunden Wettbewerb auf der Grundlage von Qualität und eine faire Zusammenarbeit auf Basis gemeinsamer Werte, um des guten Rufs der Destination willen.

Der partnerschaftliche Ansatz in Gambia zeigt, wie die wirtschaftliche Beteiligung der Einheimischen angegangen und in der Praxis umgesetzt werden kann. Für einen funktionierenden Dialog war es nützlich, die Vereinigung von Kleinunternehmen im Tourismus (Association of Small Scale Enterprises in Tourism – ASSET) als eine Organisation mit im Boot zu haben, die anerkannt ist und mit einer gewissen Autorität für den informellen Sektor spricht. ASSET richtete darüber hinaus auch eine Gruppe für Konfliktlösungen sowie eine Gruppe zur Entwicklung neuer Produkte ein.

In Gambia dauerte es acht Jahre, bis die Regierung 2011 schließlich eine Gesetzgebung zum Tourismus und ein Regelwerk verabschiedete, durch das informelle Unternehmen formal anerkannt werden. Einige der ‘Bumsters’ wurden mittlerweile offiziell als Guides eingestellt. Doch die Frage einer einträglichen Beschäftigung ist noch nicht angemessen gelöst.

Adama Bah hat 2008 das Institute of Travel and Tourism in Gambia mitbegründet und ist seitdem dessen Vorstandsvorsitzender. Dieser Artikel basiert auf Beitrag “Improving Access for the Informal Sector to Tourism in The Gambiavon Adama Bah und Harold Goodwin in “Pro-Poor Tourism”, London, 2003und reflektiert auch aktuelle Entwicklungen.

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(5381 Zeichen, Dezember 2016, TW 85)