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Sicherheit für Touristen – Probleme für Zielgebiete

Reisewarnungen und ihre möglichen Konsequenzen


Naturkatastrophen, politische Krisen oder terroristische Gewalt erschüttern immer wieder beliebte Urlaubsdestinationen. Hierbei können auch Touristen Gefahren in den betroffenen Gebieten ausgesetzt sein. Um die Sicherheit der Reisenden zu wahren, geben Außenministerien Reisewarnungen und Empfehlungen heraus, die bei einer Reise beachtet werden sollten. Für die Tourismuswirtschaft hat dies häufig erhebliche Folgen, vor allem in den von der Reisewarnung betroffenen Regionen.

Der Faktor Sicherheit wird im Entscheidungsprozess für oder gegen eine Destination immer wichtiger – insbesondere seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem Arabischen Frühling. Dies bestätigt auch eine Umfrage des ADAC Reisemonitors 2012, die zeigt, dass die Sicherheit für knapp 66 Prozent der Befragten sogar eine herausragende Rolle bei der Wahl des Reiselandes spielt. Viele Touristen erkundigen sich vor Reiseantritt nach potenziellen Sicherheitsrisiken im ausgewählten Zielgebiet.

Länderspezifische Sicherheitshinweise und Reisewarnungen

Eine wichtige Informationsquelle sind die landesspezifischen Sicherheitshinweise der Außenministerien. Das Auswärtige Amt unterscheidet zwischen Sicherheitshinweisen und Reisewarnungen. Diese Informationen können Reisende telefonisch oder auf den Webseiten des Auswärtigen Amtes erhalten. Neuerdings stehen sie auch als kostenlose App für Mobilgeräte zur Verfügung.

Sicherheitshinweise machen auf besondere Risiken aufmerksam, die bei der Planung und während einer Reise beachtet werden sollten. Je nach Einschätzung der Sicherheitslage können sie die Empfehlung enthalten, auf Reisen zu verzichten oder sie einzuschränken. Eine Reisewarnung wird dann ausgesprochen, wenn "aufgrund einer akuten Gefahr für Leib und Leben vor Reisen in ein Land oder eine Region gewarnt werden muss". Sie enthält den dringenden Appell, Reisen ganz zu unterlassen bzw. abzubrechen und bezeichnet somit die höchste Warnstufe. Reisewarnungen werden nur selten ausgesprochen und in der Regel für einzelne Städte oder Regionen erteilt, in wenigen Fällen für das ganze Land. Derzeit besteht eine Reisewarnung bzw. Teilreisewarnung für 23 Länder/Gebiete (Stand: Mai 2013), zum Beispiel für Kamerun. Gewarnt wird vor einem erhöhten Anschlags- und Entführungsrisiko. Laut Auswärtigem Amt suchen kriminelle Banden derzeit gezielt nach ausländischen Touristen zum Zwecke der Entführung. In der Vergangenheit kam es zu Entführungen westlicher Ausländer in der Nähe des Waza-Nationalparks sowie zu bewaffneten Überfällen auf Hotels in Limbe, einer der beliebtesten Küstenstädte Kameruns.

Laut Auswärtigem Amt ist allein die Sicherheit der Reisenden und der vor Ort lebenden Deutschen ausschlaggebend dafür, welche Informationen in die Sicherheitshinweise aufgenommen werden. Sie basieren "auf allen dem Auswärtigen Amt verfügbaren und für vertrauenswürdig erachteten Informationen". Dabei handelt es sich insbesondere um Berichte der zuständigen deutschen Auslandsvertretungen.

Einfluss politischer und wirtschaftlicher Interessen

Für die Reisebranche haben Reisewarnungen erhebliche Konsequenzen. Wird eine solche Warnung ausgegeben, werden Reisen in die betroffenen Zielgebiete eingestellt. Würden sie dennoch durchgeführt, könnte der Reiseveranstalter im Falle etwaiger Unglücksfälle alleinig haftbar gemacht werden. Kunden können bei einer Reisewarnung von dem Recht Gebrauch machen, ohne zusätzliche Kosten von ihrem gebuchten Pauschalurlaub zurückzutreten bzw. umzubuchen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Sicherheit der Reisenden höchste Priorität beigemessen wird. Allerdings vertritt das Auswärtige Amt in seiner Rolle als Bundesministerium die auswärtigen Angelegenheiten sowie die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Bundesrepublik. Während der Unruhen in Ägypten in 2011 bemängelte Markus Tressel, tourismuspolitischer Sprecher der Grünen, eine fehlende Transparenz und Objektivität des Auswärtigen Amtes bei der Bewertung der Sicherheitslage und unterstellte einen zu starken Einfluss wirtschaftlicher Interessen der deutschen Reiseindustrie. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang Außenminister Guido Westerwelle für eine verzögert ausgesprochene Reisewarnung für Deutsche, während andere Länder ihre Staatsbürger bereits evakuierten.

Negative Auswirkungen in Quell- und Zielgebieten

Kritiker und betroffene Destinationen beurteilen die Bewertungen des Auswärtigen Amtes als nicht immer genügend differenziert. Ungenauigkeiten aufgrund mangelnder lokaler Kenntnis der Auslandsvertretungen, insbesondere von abgelegenen Regionen, führten zu inakkuraten Einschätzungen der Sicherheitslage. So würde das Auswärtige Amt zuweilen vor Reisen in Regionen warnen, die von den aktuellen Gefahren im Rest des Landes nicht betroffen sind und nach wie vor sichere Reiseziele darstellen.

Die mit Reisewarnungen einhergehenden Umbuchungen führen oft zu geografischen Verschiebungen der Reiseströme, aus denen andere Länder einen Vorteil ziehen können. Während des "arabischen Frühlings" beispielsweise profitierten die Kanarischen Inseln und die Türkei von den Umbuchungen der Touristen. Für die Regionen, die von einer Reisewarnung betroffen sind, hat es jedoch häufig dramatische Konsequenzen – insbesondere für jene, die wirtschaftlich stark vom Tourismus abhängig sind. Das Ausbleiben der Touristen verschärft die oft schon angespannte wirtschaftliche und soziale Lage in den Zielgebieten. Die teils erheblichen Imageschäden, häufig verstärkt durch die Berichterstattung in den Medien, können dazu führen, dass der anschließende Erholungsprozess sehr lange dauert.

Aber nicht nur die Tourismuswirtschaft in den Zielgebieten, auch die Anbieter in den Quellmärkten nehmen teils erheblichen Schaden. Während große Reiseveranstalter wie TUI und Thomas Cook in Folge des "arabischen Frühlings" zwar Verluste im zweistelligen Millionenbereich zu beklagen hatten, sind diese jedoch nicht existenzbedrohend. Anders ist die Situation bei Spezialreiseveranstaltern. Hier können anhaltende Krisen auch zum finanziellen Bankrott führen.

Für mehr Transparenz und Genauigkeit

Außer Frage steht, dass die Sicherheit der Reisenden oberste Priorität haben muss. Bei der Bewertung von Sicherheitslagen sollte zudem ein Höchstmaß an Transparenz und Genauigkeit angestrebt werden, um den Verhältnissen in den Zielländern gerecht zu werden. Eine Lösung, um einseitige Interessenvertretung zu vermeiden, sehen Tourismuswissenschaftler beispielsweise in der Gründung einer unabhängigen internationalen Organisation, welche mit der Bewertung sicherheitsrelevanter Aspekte betraut wird. Eine solche Instanz könnte als alleiniger Herausgeber von Sicherheitshinweisen und Reisewarnungen den Einfluss nationalstaatlicher Interessen abschwächen und eine objektivere Bewertung der Lage ermöglichen.

Insgesamt bietet das Auswärtige Amt einen guten Überblick über sicherheitsrelevante Aspekte. Darüber hinaus sollten Reisende jedoch zusätzliche Informationsquellen zur Gefahreneinschätzung nutzen, um ein möglichst umfassendes Bild der Lage vor Ort zu erhalten. Dabei können sich Touristen beispielsweise an Reisebüros und Reiseveranstalter wenden und verschiedene Medienbeiträge aus Funk- und Fernsehen oder internetbasierte Reiseportale und Diskussionsforen, zur individuellen Meinungsbildung zu Rate ziehen. (7.291 Zeichen, Juni 2013)

Frauke Wendler und Alin Rößler studieren Nachhaltiges Tourismusmanagement (M.A.) an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Derzeit beschäftigen sie sich im Rahmen ihrer Masterarbeit mit dem Einfluss krisenbezogener Kommunikation auf das touristische Reiseverhalten und die Auswirkungen auf die betroffenen Destinationen am Fallbeispiel Tunesien.