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Für Guides wird es noch schwieriger

Interview mit Recep Yavuz, NBK Touristic, Antalya


Reiseleiter mit Mund-Nasen-Schutz bei einem Seminar zu Corona Maßnahmen

Türkei Juni 2020 Reiseleiter Seminar Corona Maßnahmen

 

Impfungen spielen eine wesentliche Rolle, um besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen vor dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen. Die Türkei hat durch die prioritäre Impfung von Hotelpersonal an der türkischen Riviera Schlagzeilen gemacht. Doch wie ist die Situation für Reiseleiter:innen in der Türkei zu Beginn der diesjährigen Urlaubszeit? Danach fragten wir Recep Yavuz, der lange als Reiseleiter gearbeitet hat. Heute ist er Geschäftsführer der türkischen Incoming-Agentur NBK Touristic in Antalya.

TW: Wie ist die Lage in der Türkei zum Beginn der Sommersaison 2021?

Recep Yavuz: Wie alle anderen Länder musste die Türkei einen Kampf gegen die Pandemie führen. Die Türkei hat ebenso viele Einwohner wie Deutschland, doch die Mehrheit sind junge Menschen. Zuletzt waren ab Mitte März die täglichen Inzidenzen ständig gestiegen. Daraufhin wurde für den Monat Mai ein harter Lockdown verhängt. Dadurch sanken die Inzidenzen und seit Anfang Juni gilt die Türkei nun für deutsche Gäste nicht mehr als Hochrisikogebiet.

Im Jahr 2019 hatten wir in der Türkei noch fast 52 Millionen Gäste. Mit Einnahmen in Höhe von 34 Milliarden US-Dollar war 2019 das beste Jahr aller Zeiten und die Türkei sicherte sich ihren Platz unter den zehn populärsten Urlaubsländern der Welt. Diese Zahlen hatten Unternehmen ermutigt, noch mehr in den Tourismus zu investieren. Es wurden neue Hotels und Resorts mit moderner Infrastruktur gebaut, Flughäfen wurden erweitert oder neu gebaut, Straßen wurden modernisiert und an den Tourismus angepasst.

Durch die Corona-Pandemie wurde alles für mehr als ein Jahr stillgelegt. Doch Beschäftigte durften nicht entlassen werden und ca. 60 Prozent ihrer Bezahlung wurde vom Staat übernommen. Dies gilt noch bis Ende Juni. Freiberuflich arbeitende Reiseleiter:innen, und das sind die meisten, konnten davon aber nicht profitieren.

TW: Welchen Stellenwert hat der Tourismussektor in der Impfkampagne in der Türkei?

Recep Yavuz: Der Impfprozess begann Mitte Januar zuerst mit den über 65-Jährigen, Krankenhaus-Angestellten, Beschäftigten in risikoreichen Berufen und chronisch Erkrankten. Es wurden der chinesische Impfstoff Sinovac und Biontech-Impfdosen verabreicht. Mit Stand vom 23. Juni 2021 haben mehr als 44 Millionen Menschen die erste Impfung bekommen. 17,5 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft.

Im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass ab Mitte Mai der Tourismus wieder beginnen würde und Urlaubsländer die Tourismusangestellten impfen sollten. Mehr als 1,5 Millionen Menschen sind in der Türkei direkt im Tourismus tätig. Am 7. April hat die Türkei begonnen, die Angestellten im Tourismus gezielt zu impfen. Dazu gehören die Angestellten in Hotels und Resorts mit ‘Safe Tourism Certification‘, in Restaurants und Kaffeehäusern, bei Reiseveranstaltern, Transportfirmen mit ‘Safe Tourism Certification‘ (zwei Busfahrer pro Bus). Ebenfalls geimpft werden Reiseleiter:innen, die Mitglieder im Reiseleiterverband sind, und die Angestellten von Freizeitparks und Unternehmen im Seeverkehr. Bis zum 1. Juni sind ca. eine Million Beschäftigte im Tourismus geimpft worden.

TW: Das Zertifizierungsprogramm für ‘sicheren Tourismus‘ bezieht sich also auf mehr als nur die Unterkünfte? Dient es auch der Sicherheit von Reiseleiter:innen und ihren Gästen?

Recep Yavuz: Das umfangreiche ‘Safe Tourism Certification Program’ wurde in der Türkei im Sommer 2020 eingeführt. Es umfasst vier Bereiche: die Gesundheit der Gäste und der Mitarbeitenden und Maßnahmen in den Hotels und im Bereich Transport. Es wurden ca. 200 Kriterien festgelegt, von denen die Punkte, die Busfahrten und Besichtigungen betreffen, für die Guides relevant sind. Mehrere in- und ausländische Unternehmen wurden beauftragt, die Einhaltung der Kriterien ständig zu prüfen und zu zertifizieren. Das war sowohl für die Gäste als auch für die Einheimischen eine große Erleichterung. Man sah eindeutig, wie ernst die Sache genommen wurde.

TW: Welche Bedenken bestehen noch bezüglich der verbleibenden Gesundheitsrisiken?

Recep Yavuz: Die Risiken bestehen weiter und niemand kann die Entwicklung voraussagen. Immer wieder gibt es neue Erkenntnisse, die weitere Maßnahmen erfordern. Daher sollten alle Unternehmen die Entwicklungen verfolgen und ihr Personal entsprechend weiterbilden, sodass die Risiken beseitigt werden. Nach anderthalb Jahren möchten die Gäste während ihres Urlaubs das Gefühl haben, dass alles okay sei. Doch es ist in sozialer Hinsicht korrekter, Einheimische und Gäste im Land gleichzustellen, wenn es um bestimmte Verbote geht. Am Anfang gab es Beschränkungen für Einheimische, während die Maßnahmen für die Gäste schon etwas gelockert wurden. Inzwischen hat sich das aber geregelt.

TW: Wird der Tourismus dieses Jahr und nach der Krise anders aussehen?

Recep Yavuz: Selbstverständlich. Eine Normalisierung im Tourismus wird noch einige Jahre brauchen. Nicht nur die Ankunftszahlen, sondern auch die Inhalte des Tourismus werden neu geschrieben. Daher halte ich diesen Sommer für sehr wichtig, um zu sehen, wie der Tourismus in den Urlaubsländern laufen wird. Die Erkenntnisse werden dazu dienen, den Tourismus nach Corona neu aufzustellen.

Reiseleitung gibt es nur, wenn es auch geleitete Touren gibt. Es reicht nicht, dass die Urlauber kommen und die Hotels füllen. Ob die Tourist:innen ihre Hotels verlassen oder nicht, hängt nicht nur mit Corona zusammen, sondern mit der Einstellung der Gäste, dem All-Inclusive-System und den super modernen Hotels, die den Urlauber:innen alles bieten. Es wird noch dauern, bis wieder Menschen zusammen in einem Bus lange Fahrten unternehmen. Daher sehe ich, dass die Tätigkeit der Reiseleiter:innen weiter stark beschränkt sein wird. Zum ersten Mal denken viele darüber nach, sich andere Arbeit zu suchen.

Wir mussten uns in der Corona-Zeit sehr anstrengen, um am Leben zu bleiben. Selbst die eigenen Kinder durfte man nicht umarmen. Das war eine sehr schlimme Situation. Da möchten wir nach den gebrachten Opfern nicht gleich wieder alles aufs Spiel setzen. Auch nach Corona wird es schwierig, aber für Guides wird es noch schwieriger.