Wie muss Tourismus aussehen, um eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen? Kann Reisen die Welt verbessern? Und wenn ja, wie können Tourismusunternehmen und Reisende dazu beitragen? Jeremy Smith, Blogger und Herausgeber des Travindy-Newsletters, sucht in seinem Buch „Transforming Travel“ Antworten auf diese Fragen.
Smith propagiert eine andere Art des Wirtschaftens, eine neue Einstellung zu Produktivität und Arbeit, zu Ökologie und Umweltschutz. Er zeigt einen Pfad weg von der herrschenden linearen Wirtschaftsweise des „Take, Make, Dispose“ (Nehmen, Herstellen, Wegwerfen) hin zu einer zirkularen Ökonomie, die regenerative und wiederverwertbare Rohstoffe und Produkte nutzt. Smith fordert die Tourismusindustrie auf, mit gutem Beispiel voran zu gehen und eine zirkulare Wirtschaftsweise in ihren Betrieben zu etablieren und so - wie der Untertitel des Buches fordert - das Potential für nachhaltigen Tourismus auszuschöpfen (Realising the potential of sustainable tourism).
Im ersten Kapitel „The Transformative Hotels“, das die Hälfte des Buches ausmacht, benennt Smith zum Teil kleinteilig, fast technokratisch Beispiele und Aspekte des Hotelmanagements. Er springt von der Müllverwertung über CO2-Kompensationsmechanismen zur Wasserversorgung. Darüber hinaus geht es um ökologisches Essen, um Projekte der Hotels mit der umliegenden Bevölkerung sowie um Kommunikations- und Marketingstrategien – alles illustriert mit einer großen Vielfalt an Best-Practice-Beispielen aus aller Welt. Diese sind sicher alle für sich nachahmenswert, erschweren aber in ihrer schieren Anzahl den Blick auf Smiths eigentlich interessante Argumentation: Das Hotelgewerbe könnte aufgrund seiner Innovationskraft ein „progressive hub“, also ein „Drehkreuz für den Fortschritt“ in Richtung Nachhaltigkeit im Tourismus und für die Wirtschaft als Ganzes sein.
Wirklich spannend und inspirierend wird Smith, wenn er über die Transformation der touristischen Erfahrungen und Örtlichkeiten schreibt. Urlaubsgebiete sollten nicht als reine Destinationen vermarktet, sondern als Orte gesehen werden, an denen Einheimische und Fremde zusammenleben. Besucher und Besuchte sind Akteure, die einander begegnen sollen und voneinander lernen können. Eine Regulierung der Gästezahlen, eine Kurtaxe von der alle und nicht nur einzelne profitieren, weniger Verkehr, mehr Sicherheit und Lebensfreude, Freizeitangebote für Gäste und Einheimische, Möglichkeiten der Begegnung und des Erfahrungsaustauschs sowie eine positive und transparente Kommunikation, die „mehr Urlaub ins alltägliche Leben“ bringt – all dies hält Smith für wesentlich, um aus einer Destination für Tourismus einen Lebensraum für Alle zu machen und so eine Transformation des Tourismus in Richtung Nachhaltigkeit zu bewirken.
„Besucher fühlen sich nur dann wohl, wenn sich die Bürger auch wohlfühlen“, zitiert Smith die Marketing-Direktorin der Tourismusbehörde der slowenischen Hauptstadt Ljubljana. „Das können wir nur erreichen, indem wir zusammenarbeiten.“ Ljublijana ist in den vergangenen Jahren zu einem der beliebtesten Ziele für Städtereisen in Europa geworden. Um der wachsenden Zahl der Besucher gerecht zu werden, wurde das Stadtzentrum zunehmend für den motorisierten Verkehr gesperrt sowie ein kostenloser Elektrobusverkehr eingerichtet. Konsequente Müllvermeidung, Bürgerparks, Urban Gardening Projekte und viele andere Initiativen sorgen dafür, dass die Stadt ein attraktiver Lebensraum für Einheimische und Gäste ist.
An einem Punkt scheitert Smiths Vision vom nachhaltigen Reisen: dem internationalen Flugverkehr. Hotels, Reiseveranstalter und die Touristen selbst sind nur selten gewillt, Verantwortung für ihren CO2-Fußabdruck zu übernehmen. Die ökologischen Folgen werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Smith Hinweise auf Bus und Bahn sowie sein Appell an alle am Tourismus Beteiligten, ihre Meilen zu kompensieren, wirken etwas hilflos – wie Smith selbst zugibt.
Tourismus als Impulsgeber für ein nachhaltiges Wirtschaften, bereichernde Erlebnisse und Erfahrungen für Touristen, Urlaubsorte als Lebensraum für Besucher und Einheimische gleichermaßen: Smith Buch zeigt anhand vieler Beispiele, dass diese Ziele realistisch und im Einzelfall häufig schon erreicht sind. Und es lädt zum Nachahmen ein.
Jeremy Smith (2018): Transforming Travel. Realising the potential of sustainable tourism. CABI International, Wallingford (UK). ISBN-13: 9781786394194