Ob in einer Firma oder in einem Zielgebiet – Kleinanbieter im Tourismus beginnen mit der Entwicklung von Angeboten oft mit großem Interesse und Eifer. Tendenziell nimmt ihre Motivation jedoch sehr bald ab, denn es gibt unzählige Herausforderungen, die den Tourismus beeinträchtigen und Entwicklungshemmnisse darstellen. In Bandarban in der Hügel- und Berglandschaft von Chittagong in Bangladesch zeigt ein aktuelles Pilotprojekt zur Destinationsentwicklung und zu nachhaltigem Tourismus, wie die Entwicklung einer Zielgebietsmarke Kleinanbietern helfen kann, nicht den Fokus zu verlieren.
Vielen kleinen Akteuren fehlt das Verständnis, wie der Tourismus funktioniert und wie verschiedene Beteiligte und verschiedene Faktoren zusammenwirken. Sie sind daher oft nicht in der Lage, jede Maßnahme und Initiative entsprechend auszurichten. Deshalb brauchen sie zuerst ein klares Verständnis der touristischen Wertschöpfungskette. Damit ist alles gemeint, was notwendig ist, damit Tourismus funktionieren kann: Neben Regulierung und Planung auch Arbeitskräfte, Beförderungsmittel, Unterkünfte, Gastronomie, Aktivitäten, Einkaufsmöglichkeiten und Unterhaltungsangebote. Stellt man die in einem Zielgebiet oder einer Gemeinschaft vorhandenen Angebote in jeder dieser Kategorien graphisch dar, können alle Beteiligten leicht sehen, welchen Platz im Gesamtbild sie jeweils einnehmen.
In Bandarban in den Hügeln von Chittagong, Bangladesch, wurden mit Hilfe einer graphischen Darstellung der touristischen Wertschöpfungskette schnell die ‘niedrig hängenden Früchte’, identifiziert. Es wurde entschieden, einen ersten Schwerpunkt auf diese leicht umzusetzenden Aktivitäten zu legen. Dazu gehören die Entwicklung und Einbeziehung landwirtschaftlicher und kunsthandwerklicher Produkte. In diesen Bereichen können besonders viele Menschen einbezogen werden. Ein Markenversprechen „Bandarban – Mensch und Natur im Einklang” wurde entwickelt, um dies widerzuspiegeln. Dann wurde ein Prozess auf den Weg gebracht, um sicherzustellen, dass alle Anstrengungen darauf ausgerichtet sind, dieses Versprechen in die Realität umzusetzen.
Die Bereiche, wo neue Unternehmen mit einbezogen werden können, wurden in der graphischen Darstellung ganz deutlich. Das Vorgehen in Bandarban zeigte Möglichkeiten auf, durch die Produktion, Verarbeitung und das Marketing biologisch angebauten Kaffees, der im Tourismus unmittelbar nachgefragt wird, die Lebensgrundlagen vor Ort auf eine breitere Basis zu stellen.
Überprüfung von Zielvorgaben
Visualisiert man die Entwicklungspotenziale können sich dadurch dieZielvorgaben oder Strategien verschieben. In Bandarban bestand das Ziel zunächst darin, den Beitrag des Tourismus zum Haushaltseinkommen um 50 Prozent zu erhöhen. Nach dem Visualisierungsprozess wurde dieses Ziel beibehalten, doch die Strategien wurden geändert. Statt zu versuchen, die reine Wertschöpfung bei bestehenden Angeboten zu erhöhen, geht es nun stärker darum, die Aufenthaltsdauer der Touristen zu verlängern. Es entstanden Ideen für neue Wanderwege, ebenso wie Möglichkeiten zur Gründung neuer Unternehmen.
Ein neuer Wanderweg zu einem Wasserfall wurde initiiert, mit der Möglichkeit zum Mittagessen im Dorf und einer Bootsfahrt. So war die graphische Darstellung sehr hilfreich, um mehr Inklusivität sicherzustellen, die für nachhaltigen Tourismus von zentraler Bedeutung ist. Die Beteiligten bekamen eine Vorstellung davon, was lokal ist und was nicht. Jeder Prozess konnte dann modifiziert werden, um einen größeren Nutzen vor Ort sicherzustellen.
Nachhaltigen Tourismus auf integrierte Art und Weise zu entwickeln braucht Zeit. Das HIMALICA Pilotprojekt wurde 2014 vom International Centre for Integrated Mountain Development (ICIMOD) und dem Tourismusministerium von Bangladesch gemeinsam auf den Weg gebracht.
Inzwischen entwickelt sich ein Gastronomie-Festival mit Schwerpunkt auf einer vor Ort entwickelten Speisekarte zu einem großen Ereignis in der Region. Ein Markenaufkleber wird allen Herstellern von Kunsthandwerk in der Gegend zur Verfügung gestellt. Die Hoteliers verinnerlichen nach und nach das Markenversprechen und nehmen Elemente von Natur und Kultur in ihren Betrieben auf. Auch die Guides machen sich die Marke zu eigen. In den Aus- und Fortbildungen, die sie durchlaufen, liegt ein Schwerpunkt auf den praktischen Aktivitäten, mit denen sie sicherstellen können, dass das Markenversprechen allen Gästen vermittelt wird. Dieser Schwerpunkt auf einer Nachhaltigkeitsmarke, die mit kleinen vorzeigbaren Initiativen alle Akteure entlang der touristischen Wertschöpfungskette einbezieht, verändert die Destination in ihrer Gesamtheit zum Positiven.
Entwicklungshemmnisse
Eines der größten Hemmnisse für den Tourismus in Bandarban ist die Überbetonung der Sicherheitsprobleme durch die Streitkräfte. Dass der Ort an der Grenze zu Myanmar liegt, bringt eine komplizierte, als problematisch wahrgenommene Sicherheitslage mit sich. Dies hat dazu geführt, dass Armee, Polizei und Grenzschutz drei unterschiedliche, nicht zusammenhängende Kontrollstrategien für den Tourismus verfolgen.
Die gemeinsame Entwicklung einer Vision und Konsultationen mit den verschiedenen Akteuren, darunter auch den Sicherheitskräften, haben gezeigt, dass es inzwischen ein besseres gemeinsames Verständnis der Rolle des Tourismus in der nachhaltigen Entwicklung gibt. Allerdings müssen die Kleinanbieter noch viel über den Tourismus lernen. Das gilt auch für die Regierung – den Bandarban Hill District Council als federführende Behörde. Wenn jedoch der Fokus auf ‚Mensch und Natur im Einklang’ in Bandarban weiterverfolgt wird, werden sich die Entwicklungshemmnisse Stück für Stück auflösen.
Raj Gyawali ist Gründer des Reiseveranstalters Socialtours Nepal in Kathmandu und Berater zu nachhaltigem Tourismus.
Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp
(5793 Zeichen, Dezember 2016, TW 85)