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Philippinische Seeleute fordern mehr Rechte

Gestrandet in prekären Arbeitsverhältnissen


Kreuzfahrtschiff auf See

Selbst Ende Juli sitzen weltweit noch immer mehr als 300.000 Seeleute auf ihren Schiffen fest. Eine Rückkehr in ihre Heimat scheint in weiter Ferne zu liegen - viele Schiffe können wegen unzureichender Besatzung nicht fahren, und die Hafenbehörden weigern sich, die Mitarbeiter*innen an Land gehen zu lassen.  

Unter ihnen sind auch viele philippinische Seeleute, die mehr als ein Viertel der weltweiten Flotte bemannen. Infolge des Lockdowns haben große Kreuzfahrtreedereien den Betrieb eingestellt, wodurch mehr als 100.000 philippinische Kreuzfahrt-Mitarbeiter*innen ihre Arbeit verloren haben. Trotzdem dürfen sie vorerst nicht nach Hause. Viele von ihnen müssen seit Monaten auf ihrem Schiff, in fremden Städten oder in Quarantänestationen auf den Philippinen warten, bevor sie zu ihren Familien zurückkehren dürfen.  

Keine Hilfe vom Staat, kein Gehalt

Obwohl die philippinische Regierung Arbeiter*innen im Ausland, einschließlich der Seeleute, eine einmalige Sozialhilfe von 200 US-Dollar versprochen hat, wartet seit März mehr als die Hälfte des Kreuzfahrtschiff-Personals vergeblich auf diese staatliche Unterstützung. Das Budget sei bereits erschöpft, sagt die Regierung, und eine zweite Tranche lässt weiter auf sich warten. Besonders hart trifft es diejenigen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben. Da sie theoretisch Anspruch auf diese staatliche Coronahilfe haben, wird ihnen die Auszahlung ihres Arbeitslosengeldes verweigert. Infolgedessen befinden sich die Besatzungsmitglieder und ihre Familien nun in ernsten finanziellen Schwierigkeiten.  

Neben dem Staat kommen auch die Reedereien ihren Verpflichtungen nur schleppend nach. Es gibt lange Verzögerungen bei der Auszahlung von Gehältern, Defizite in der medizinischen Versorgung und kaum Krisenhilfe vor Ort. Letzteres wäre jetzt besonders wichtig, um die psychische Gesundheit und Betreuung der Seeleute sicherzustellen. Während der langen Quarantäne sind sie großem Stress ausgesetzt. Einige haben dabei ein Trauma erlitten und mussten mit der Angst vor Ansteckung und dem Verlust ihrer Lebensgrundlage ausharren. 

Philippinische Regierung bietet unzureichenden Schutz

Die Philippinen verzeichnen die höchste Infektionsrate von COVID-19 in Südostasien und im Pazifik. Dennoch mangelt es nach wie vor an angemessenen Quarantäneeinrichtungen, einem sicheren Transport vom Flughafen zu den Heimatstädten, Zugang zu Massentests, der zeitnahen Mitteilung von Testergebnissen und medizinischer Versorgung. Corona-Tests sind für viele unerschwinglich – nicht zuletzt aufgrund von Korruption und Profitgier.

Die Besatzungsmitglieder der Great Princess etwa wurden aus den USA zurückgeholt und auf der philippinischen Clark Air Base unter Quarantäne gestellt. Während ihrer fast einmonatigen Isolation wurden sie weder getestet noch erhielten sie Geld. Stattdessen wurden sie von dort in die Hauptstadt Manila gebracht, wo viele von ihnen erneut wochenlang unter Quarantäne gestellt wurden. Selbst diejenigen, die getestet wurden, wurden nicht darüber informiert, ob sie tatsächlich mit dem Coronavirus infiziert waren. Mit dieser Ungewissheit wurden sie schließlich nach Hause geschickt und liefen Gefahr, ihre Familien anzustecken. 

Gerade bei Besatzungsmitgliedern von Kreuzfahrtschiffen ist die Infektionsrate besonders hoch. Selbst bei einem bestätigten Infektionsfall an Bord, musste die Crew in der Regel weiter arbeiten. Wer sich weigerte, dem wurde mit Entlassung gedroht, und damit, nicht wieder eingestellt zu werden. Dasselbe passierte auch der Besatzung der Diamond Princess, die in Yokohama, Japan, gestrandet war. Die Mitarbeiter*innen mussten weiterhin die Passagiere bedienen, das Essen zubereiten und die Kabinen reinigen - ohne medizinische Betreuung oder angemessene Hygienestandards. Auf der Grand Princess führte dieser unverantwortliche Umgang mit dem Virus sogar zum Tod des Schiffselektrikers - leider kein Einzelfall.

Keine Rückkehr zur Normalität: Zeit für Arbeitsrechte

Infolgedessen hat die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) alle Seeleute aufgefordert, bis zum 15. Juni 2020 ihre Arbeit niederzulegen und ihre Rechte einzufordern. Vorausgesetzt sie haben ihren vereinbarten Vertrag erfüllt, haben sie das Recht, nach Hause zurückzukehren. Ist dies nicht möglich, müssen sie an Bord wie Passagiere behandelt werden. Viele Seeleute hatten jedoch Angst davor, sich an dem Streik zu beteiligen. Da viele von ihnen nur befristete Verträge haben, befürchten sie, dass sie ihre Chancen auf eine Wiedereinstellung verlieren, wenn sie sich über ihre prekären Arbeitsbedingungen beschweren, wie etwa unzureichende medizinische Versorgung oder verspätete Lohnzahlungen. 

Aufgrund der aktuellen Krise haben aber auch einige erkannt, dass sie nicht gehört werden, wenn sie ihre Stimme nicht erheben. Daher fordern nun immer mehr Seeleute, auch von Kreuzfahrt-, Fracht- und Fischereischiffen, ihre Rechte ein. Um der Welt zu zeigen, unter welchen Bedingungen sie arbeiten müssen, haben sie sich auf verschiedenen Social-Media-Plattformen organisiert. Sie fordern Reformen, wie zum Beispiel die Verabschiedung eines neuen Gesetzes, das Seeleuten nach der Pandemie unbefristete Arbeitsverträge garantiert. Für sie ist die Pandemie ein Wendepunkt, ein "Zurück zur Normalität" kommt nicht in Frage.

Edwin Dela Cruz ist Präsident des International Seafarers Action Center (ISAC) Philippines Foundation. Als Anwalt setzt er sich seit 20 Jahren für die Rechte von Seefahrern und Migranten ein. Er ist Repräsentant der Seefahrer im Global Council of Migrante International.