Blog

Nach dem Bürgerkrieg

Sri Lanka setzt auf Tourismus


Nach dem blutigen Bürgerkrieg in Sri Lanka ruhen nun die Waffen, doch die tiefen Wunden des Konflikts haben noch nicht einmal begonnen zu heilen. Die Wiederwahl von Präsident Mahindra Rajapakse macht es unwahrscheinlich, dass Sri Lanka sich nun auf einen langfristigen Frieden zu bewegt. Durch die Nachkriegspolitik vertieft sich die Kluft zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen. Es gibt keine erkennbaren politischen Bemühungen, aus Sri Lanka einen Staat zu machen, der den verschiedenen Bevölkerungs- und Interessengruppen stärker Rechnung trägt. Gleichzeitig wird der Tourismus vorangetrieben und immer mehr Reisende besuchen das Land.

Nach offiziellen Angaben kamen im ersten Quartal 2010 ca. 160.000 Touristen nach Sri Lanka. Das sind 50 Prozent mehr als im ersten Quartal 2009. Im gesamten Jahr 2010 rechnet Sri Lanka mit über einer halben Million Touristenankünfte. Doch der Demokratieschwund unter Präsident Rajapakse verhindert, dass die Mehrheit der Bevölkerung von der wirtschaftlichen Entwicklung der Nachkriegszeit profitiert. Im Gegenteil, diese Entwicklung wird vor allem Wirtschaftsinteressen dienen.

Um rasch neue Tourismusprojekte auf den Weg zu bringen, hat die Regierung damit begonnen, sich tamilische Gebiete anzueignen und eine Reihe tamilischer Sehenswürdigkeiten dem Erdboden gleich zu machen. Auch haben die Behörden vorgeschlagen, die Häuser von Anführern der "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE) durch Hotels und andere Touristenunterkünfte zu ersetzen. Die srilankische Tourismuswirtschaft schafft neue Ungleichheiten und verstärkt die Konflikte, statt Frieden zu schaffen und interkulturelle Verständigung zu befördern.

Viele Touristen verlassen kaum ihr Hotel und treffen selten Menschen vor Ort. Sie bekommen nicht mit, wie schlecht es um die Menschenrechte in Sri Lanka bestellt ist. Noch immer werden geschätzte 300.000 tamilische Zivilisten in Internierungslagern der singhalesischen Regierung mit Hilfe des Militärs gefangen gehalten. Das Land gilt für Journalisten als das viertgefährlichste Land der Welt, gefährlicher noch als Afghanistan. Viele Journalisten wurden in Sri Lanka verhaftet oder getötet.

Neue Herausforderungen

Die Regierung kündigt touristische Großprojekte und Anreize für ausländische Investoren an. Dem Tourismussektor wird höchste Priorität beigemessen. Die Tourismusentwicklungsbehörde Sri Lankas hat 45 Tourismuszonen ausgewiesen. Die meisten der neuen Projekte sind im Nordosten geplant. Ein südindischer Investor freut sich: Er bekomme von der srilankischen Regierung große Unterstützung, zum Beispiel Subventionen sowie Grund und Boden kostenlos für einen Zeitraum von 35 Jahren. "Manchmal machen sie auch Ausnahmen bei bestimmten Gesetzen und Bestimmungen", erzählt er.

Sri Lanka fördert nach dem Krieg einen hochgradig zentralisierten und kapitalintensiven Massentourismus, ohne Rücksicht auf die Umwelt. In vielen Orten entlang der Küste wurden im Laufe der vergangenen zwanzig Jahre die Mangrovenwälder abgeholzt, um dem Tourismus den Weg zu ebnen. In der Tourismuspolitik Sri Lankas ist an verschiedenen Stellen von Umwelt- und Küstenschutz die Rede, doch in der Realität wird darauf kein Gewicht gelegt. Der Lebensunterhalt traditioneller Gemeinschaften wie der Fischer steht deshalb auf dem Spiel. In vielen Urlaubsgebieten verweigern die Hoteliers ihnen den Zugang zum Strand und dem angrenzenden Land.

Fehlende Transparenz und Beteiligung

Viele Tourismusprojekte sind in ökologisch sensiblen Gebieten geplant. Sie erfordern erhebliche Ressourcen, die für den Lebensunterhalt der Gemeinschaften vor Ort unentbehrlich sind. Die ortsansässige Bevölkerung wird nicht konsultiert und nicht in die Entscheidungsprozesse, die Entwicklung tourismuspolitischer Handlungskonzepte und ihre Umsetzung einbezogen. John Pilla Padmanabhan*, ein Fischer aus Kalpitiya, hat keinerlei Informationen über das Projekt, das dort geplant ist. Seine Gemeinschaft lebt in ständiger Angst, denn sie kann jederzeit vertrieben werden. Derzeit werden hier Straßen gebaut.

"In Batticaloa vergeben sogar Minister Grund und Boden an verschiedene Leute. Es sind darüber keine Informationen verfügbar und diese Deals sind völlig intransparent. Diese Leute nutzen die Nachkriegssituation zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil aus. Die Menschen haben keine Ahnung, was wo entstehen wird. Es gibt nur Gerüchte und die Menschen können nichts dagegen tun", sagt Sunitha Kumari*, eine Journalistin aus Colombo. Niemand will über diese Dinge reden. Die Menschen haben große Angst vor Repressalien durch das Militär oder die Polizei, insbesondere im Nordosten.

Tourismus stützt das Militär

Von jedem Dollar, den ein Tourist in Sri Lanka, ausgibt, geht ein nicht unbedeutender Teil an das Militär und trägt damit zu weiteren Menschenrechtsverletzungen bei. Obwohl der Bürgerkrieg im Mai 2009 offiziell als beendet erklärt wurde, machen die Militärausgaben in Sri Lanka noch immer 15 Prozent des Staatshaushaltes aus. Zur Stärkung der militärischen Besetzung der von Tamilen dominierten Distrikte im Norden und Osten der Insel hält die Regierung einen enormen Militärapparat aufrecht. Die Verteidigungsausgaben für das Jahr 2010 werden auf 1,64 Milliarden US-Dollar geschätzt, nur geringfügig weniger als im Vorjahr, in dem es 1,65 Milliarden US-Dollar waren.

Während des jahrzehntelangen Bürgerkrieges hat Sri Lanka seine aktive Zivilgesellschaft verloren. Diese kann nun keinen Druck mehr ausüben und sich nicht für bessere bürgerliche Freiheiten und Rechte einsetzen. Mit den jüngsten strategischen Veränderungen in der Wirtschaftspolitik verlässt sich Colombo nun mehr auf andere asiatische Länder, wenn es um Waffen, Entwicklungshilfe und Investitionen geht. Dadurch ist die europäische Einflussnahme schwieriger geworden. Doch im Tourismus setzt Sri Lanka nach wie vor auf den westlichen Markt.

*Namen von der Redaktion geändert.

Sumesh Mangalassery ist Gründungsmitglied von "KABANI - the other direction", einer Initiative in Südindien, die sich mit Tourismusthemen auseinandersetzt.

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(5.898 Anschläge, 81 Zeilen, September 2010)