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Flugverkehr besteuern

Zeit zum Handeln!


Flughafengebäude in Frankfurt

Flughafen Jakarta International Airport (Soekarno-Hatta) 23.11.17.

 

"Brot fuer die Welt"-Reportagereise mit dem Projektpartner Timur Indonesien im Oktober 2017.

 

Foto: Thomas Lohnes / Brot fuer die Welt

Der Flugverkehr ist einer der am schnellsten wachsenden Treibhausgasemittenten und das Verkehrsmittel mit den gravierendsten Auswirkungen auf das Klima. Weltweit haben sich die Flugverkehrsemissionen in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als verdoppelt. Berücksichtigt man zudem die erheblichen Klimawirkungen von Flugzeugen in großer Höhe, die nicht auf CO2 zurückzuführen sind, so ist dieser Sektor für geschätzte 4,9 Prozent der vom Menschen gemachten Erderwärmung verantwortlich.

In Europa haben sich die Flugverkehrsemissionen seit 1990 verdoppelt. Wenn nicht gehandelt wird, könnten sie sich bis 2050 weltweit verdoppeln oder verdreifachen. Wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen sollen, muss sich dieses Wachstum der Emissionen ins Negative verkehren und bis 2050 auf null zurückgehen. Sonst könnte die Zunahme der Flugverkehrsemissionen schnell das begrenzte CO2-Budget aufbrauchen, dass uns innerhalb der 1,5 und 2°C-Ziele von Paris noch verbleibt.

Dringende Aufrufe, die Klimawirkungen des Flugverkehrs anzugehen

Nie zuvor hatte in Europa der Handlungsbedarf, gegen die Klimawirkungen des Flugverkehrs vorzugehen, höhere politische Priorität – ob bei der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, bei ihren Konkurrent*innen während der Europa-Wahlen, die explizit eine Kerosinbesteuerung forderten, oder bei den Wähler*innen selbst, die eine auf die Flugverkehrsemissionen abzielende grüne Welle verursachten. Auf einer Sonderkonferenz, ausgerichtet vom niederländischen Finanzministerium im Juni 2019 in Den Haag, gab es noch nie dagewesene Aufrufe von europäischen Finanzminister*innen, von der OECD, der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds, den Flugverkehr auf gerechte Weise zu besteuern. Und natürlich wird der zunehmende öffentliche Ruf nach Maßnahmen im Flugverkehr lauter werden und sich auf das Denken von Politiker*innen und Regulierer*innen mächtig auszuwirken beginnen.

Es ist klar, dass die Agenda zum Umgang mit Flugverkehrsemissionen auch Optionen wie die Besteuerung von Kerosin – angefangen innerhalb Europas -beinhaltet.  Dazu gehört auch und eine europaweite Stärkung und Ausweitung von Ticketsteuern zum Ausgleich der durch die Mehrwertsteuerbefreiung von Flugtickets entgangenen Milliarden. Nur sechs EU-Länder erheben derzeit solche Steuern. Es war damit gerechnet worden, dass eine aktuelle Studie für die Europäische Kommission zum Thema Flugverkehrssteuern Behauptungen der Wirtschaft bestätigen würde, dass der Sektor zu stark belastet sei und dass eine Besteuerung sowohl der Luftfahrt als auch der Wirtschaft schaden würde. Doch der Schuss ging nach hinten los: Die Studie belegt vielmehr, dass der europäische Flugverkehr zu gering besteuert wird – im Vergleich zu den USA, Australien und Brasilien, wo Klimawandel-Leugner an der Macht sind. Anders als Europa besteuern sie alle ebenso wie Japan, Indien und sogar Saudi-Arabien das Kerosin im Inlandsflugverkehr. Die Besteuerung des Flugverkehrs würde nach Erkenntnissen aus dieser Studie den CO2-Ausstoss um elf Prozent verringern, Einnahmen generieren und auf die europäischen Volkswirtschaften insgesamt keine Auswirkungen haben. Die höheren Staatseinnahmen würden die negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung und Wertschöpfung in der Luftfahrt vollständig ausgleichen, so dass die Folgen für den Arbeitsmarkt und das Bruttoinlandsprodukt vernachlässigbar wären.

CO2 verringern, nicht nur ausgleichen

Und natürlich muss der europäische Emissionshandel verteidigt und gestärkt werden. Es ist der einzige funktionierende internationale Mechanismus zum Umgang mit CO2 im Flugverkehr. Doch die UN-Sonderorganisation für internationale zivile Luftfahrt (ICAO) und die Wirtschaft wollen ihn abschaffen und durch Kompensationsprojekte unter CORSIA (Carbon Offset and Reduction Scheme for International Aviation) ersetzen. Kompensation hat im Pariser Klimaabkommen keinen Platz. Alle Länder und alle Sektoren müssen „entkarbonisieren“, d.h. wesentlich CO2-ärmer wirtschaften. Das bedeutet, dass die Luftfahrt ihre eigenen Emissionen selbst verringern muss und sich nicht auf den Bau von Windrädern in Entwicklungsländern verlassen darf. Solche Projekte müssen jetzt dazu beitragen, dass die Entwicklungsländer ihre eigenen Ziele von Paris erreichen.

Außerdem ist es höchste Zeit, dass über mehr gesprochen wird, als nur über das reine Kohlendioxid. Denn Flugzeuge, die in neun Kilometer Höhe fliegen, verursachen atmosphärische Störungen und führen kurzfristig zu Erderwärmungseffekten, die vielleicht nur wenigen Stunden anhalten, aber in der Summe den Planeten Tag für Tag sehr viel stärker aufheizen als die gesamten Folgen der Flugverkehrsemissionen in der Atmosphäre seit den Gebrüdern Wright. Es ist eine krasse Tatsache, dass das Fliegen bei weitem die billigste, schnellste und schädlichste Art und Weise ist, wie wir alle den Klimawandel vorantreiben können. Und die Regierungen schenken uns allen sogar Steuererleichterungen, um das zu tun. Ein Langstreckenflug kann gut ein Vielfaches des erlaubten Emissionsbudgets eines Europäers und einer Europäerin aufbrauchen.

Grundlegende Veränderungen in der Wirtschaft und Stärkung politischer Handlungskonzepte

Dies hat enorme Auswirkungen auf den Tourismus – ob auf den Wochenend(aus)flug nach Barcelona für 25 Euro oder den langen Urlaub irgendwo in den Tropen. Dieses Thema muss direkt angegangen werden und sollte ein Schwerpunkt der Beratungen auf dem Klimagipfel in New York sein. Eine Verringerung der Nachfrage nach Flugreisen muss Teil der Lösung sein. Nicht nur in Europa sondern auch in Trumps Amerika und den aufstrebenden Volkswirtschaften. Schlussendlich lassen sich durch saubere, nicht fossile Drop-In-Kraftstoffe die Flugverkehrsemissionen drastisch senken. Diese werden synthetisch hergestellt im Power-to-Liquids-Verfahren aus umweltfreundlichem Wasserstoff und aus der Atmosphäre entzogenem CO2. Doch im Vergleich zu Kerosin sind die Kosten hoch und eine ganz neue Kraftstoffindustrie müsse geschaffen werden. Es werden bereits Vorschläge entworfen, die Einnahmen aus der Besteuerung zum Aufbau einer solchen neuen Industrie einzusetzen.

Die neue Präsidentin der EU-Kommission hat bereits signalisiert, dass es einen starken Fokus auf den Flugverkehr geben wird. Doch nicht nur Brüssel muss handeln. Die 28 EU-Staaten haben seit 2003 die Möglichkeit, Kerosin im Inlandsflugverkehr und durch bilaterale Abkommen auch im Flugverkehr zwischen den EU-Ländern zu besteuern. Die Niederlande haben mit der Konferenz im Juni 2019 in Den Haag begonnen, sich erneut auf diese Themen zu konzentrieren. Schweden will Fortschritte machen und Frankreich und andere wollen auf europäischer Ebene darüber reden. Tatsächlich hat Großbritannien die höchsten Flugverkehrssteuern weltweit, so dass die Herausforderung für den Rest der EU in einer Art Umkehr-Brexit besteht: die Air Passenger Duty (APD), die Großbritannien erstmals 1993 eingeführt hat, als Ticketsteuer nachzubilden. Natürlich brauchen wir globale Maßnahmen, aber wir müssen auch sicherstellen, dass Europa damit anfängt, es richtig zu machen. Derzeit ist der Flugverkehr die größte klimapolitische Unterlassungssünde Europas.

Bill Hemmings ist Leiter des Bereichs Flug- und Schiffsverkehr bei Transport & Environment (T&E), Europas führender Kampagnenorganisation für ein sauberes Verkehrswesen. Er ist Gründer der International Coalition for Sustainable Aviation, die beim Committee on Aviation Environmental Protection (CAEP) der ICAO Beobachterstatus hat.