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Entwicklungsprioritäten verteidigen

Auf dem Weg zu ethischem Freiwilligentourismus in Südafrika


Voluntourismus ist ein schnell wachsender Bereich der Tourismusbranche. Im Laufe der vergangenen 20 Jahre sind die häufig von Nichtregierungsorganisationen vermittelten Freiwilligeneinsätze und der kommerzielle Tourismus immer stärker miteinander verknüpft worden. Dadurch wurden zwar sehr viel mehr Möglichkeiten für Freiwilligeneinsätze im Ausland geschaffen, es hat aber auch zu einer Reihe negativer Auswirkungen, zu Spannungen und Problemfeldern geführt. Die größte Gefahr für den Freiwilligentourismus ist die unethische und offenkundige Kommerzialisierung durch einige Entsendeorganisationen.

Calabash Tours ist ein kleines Sozialunternehmen in Port Elizabeth, Südafrika. In Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Calabash Trust bieten wir auch Freiwilligeneinsätze an. Entsendeorganisationen haben uns gefragt: “Warum habt Ihr Bildungsprogramme? Die sind nicht wirklich etwas Besonderes und wir hätten doch gerne etwas Neues”. Unsere Programme sind jedoch nicht dafür gemacht, die Erwartungen der Freiwilligen an “etwas Neues” zu erfüllen. Unsere Programme entsprechen dem Bedarf der Gemeinschaften, in denen wir arbeiten.

Freiwilligenprogramme müssen von der Gemeindeebene ausgehend entwickelt werden, und dies unter Beteiligung der Gemeinschaften. Allzu oft erleben wir, dass Entsendeorganisationen das verkaufen, was der Markt verlangt – statt dem, was die Menschen vor Ort brauchen. Ein gutes Beispiel dafür sind Freiwilligeneinsätze in Waisenhäusern, die bei Entsendeorganisationen noch immer beliebt sind, trotz der zahlreichen Dokumentationen, die deutlich gemacht haben, dass Waisenhaustourismus Kinderrechte verletzt.

Information und Zustimmung

Eines der Grundprinzipien ethischer Freiwilligeneinsätze ist, dass jedes Projekt, das Freiwillige einsetzt, Informationen bekommen muss und dann auf dieser Basis seine Zustimmung gibt. So muss im Projekt bekannt sein, über welche Qualifikationen die Freiwilligen verfügen und wann sie kommen wollen. Das bedeutet, dass die Freiwilligen eine ausführliche Beschreibung schicken müssen, wer sie sind und was sie können. Das heißt auch, dass die Entsendeorganisationen bereit sein müssen, auf die Zustimmung zu warten, und dass sie keinen Vertrag abschließen können, solange sie die Einwilligung der Partner vor Ort nicht haben.

Nach unserer Erfahrung sind nur wenige Entsendeorganisationen mit diesem Vorgehen einverstanden. Die übliche Antwort lautet: “Wir müssen den Vertrag schnell abschließen – eine Verzögerung geht nicht.” Doch was wirklich nicht geht, ist die Durchführung eines ethischen Freiwilligenprogramms ohne Zustimmung des Projektträgers. Es ist sehr schwierig, Entsendeorganisationen zu finden, die das einsehen.

Wenn Freiwillige mit Kindern oder auch mit Erwachsenen in schwierigen Situationen arbeiten sollen, muss überprüft werden, ob sie für diese Arbeit geeignet sind. In den meisten entwickelten Ländern, aus denen die Freiwilligen kommen, ist das Bedingung. Wenn es aber um Arbeit in einem Entwicklungsland geht, scheint die gleiche Anforderung “lästig” zu sein, auch weil sie einen raschen Vertragsabschluss ebenfalls behindert.

Passende Fähigkeiten

Südafrika hat eine Arbeitslosenquote von fast 30 Prozent. Was wir in unseren Freiwilligenprogrammen brauchen, sind Qualifikationen. Bei Calabash werden die Freiwilligen in den Gemeinschaften entweder in der Sozialarbeit eingesetzt (mit Schwerpunkt auf der privaten Versorgung von Menschen, die mit dem HI-Virus infiziert sind, oder z.B. als Angehörige von HIV/Aids betroffen sind) oder in unseren Schulprogrammen. Beide Programme basieren auf der Idee, dass Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden. Die meisten der Freiwilligen sind Fachkräfte im Ruhestand. Doch es gibt auch Möglichkeiten für Freiwilligeneinsätze ausländischer Studentengruppen, Gruppen mit besonderen Qualifikationen und Schülergruppen.

Die Fähigkeiten unserer Freiwilligen können breit angelegt sein. Dazu können auch “life skills“ im Gegensatz zu akademischen Qualifikationen gehören – aber reinen Arbeitseinsatz brauchen wir in unseren Programmen nicht. Die entsprechenden Kenntnisse aufeinander abzustimmen erfordert eine aktive Beschäftigung mit den Projekten. Was die Freiwilligen mitbringen, muss mit dem Bedarf in den Projekten in Übereinstimmung gebracht werden. Dazu sind persönliche Treffen und Diskussionen erforderlich. Für das Projektmanagement-Team ist es keine leichte Aufgabe, als Mittler zwischen den kommerziell ausgerichteten Entsendeorganisationen und dem Entwicklungsbedarf in den Gemeinschaften aufzutreten. Um dies zu schaffen ist ein hoher zeitlicher und finanzieller Aufwand nötig, z.B. für die Fahrten zu Treffen.

Mit klaren Regeln zum Ziel

Doch auch im Voluntourismus werden immer mehr Verhaltenskodizes entwickelt und es gibt zunehmend modellhafte Beispiele. Bei Calabash Tours lassen wir unsere Freiwilligenprogramme seit fünf Jahren von Fair Trade Tourism zertifizieren. Für uns ist die Zertifizierung ein nützliches Managementinstrument, um sicherzustellen, dass wir uns aller relevanten Faktoren bewusst sind, die potenziell negative Auswirkungen haben könnten.

Nicht alle Entsendeorganisationen opfern Entwicklungsanliegen auf dem Altar des Profits. Einige verstehen die ethischen Anforderungen und sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Doch brauchen wir größere Veränderungen – hin zur Umsetzung sehr guter Praktiken in allen Entsendeorganisationen –, um diesen Sektor glaubwürdiger zu machen.

Paul Miedema ist Direktor von Calabash Tours und Mitbegründer der Entwicklungsorganisation Calabash Trust in Port Elizabeth, Südafrika.

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(5.426 Zeichen, März 2015, TW 78)