Im Hinblick auf Klimaschutz befinden sich die großen Reiseveranstalter momentan in einem Dilemma: Einerseits erkennen sie, dass effizienter Klimaschutz langfristig unverzichtbar für den Erhalt ihres Kernproduktes und somit ihres zukünftigen wirtschaftlichen Erfolges ist. Andererseits würde eine Nettoreduktion ihrer eigenen Emissionen eine grundlegende Umstrukturierung ihres traditionellen Geschäftsmodells bedeuten.
Unter den großen europäischen Reiseveranstaltern sind derzeit deutliche Unterschiede beim Engagement für den Klimaschutz feststellbar. Einige haben damit begonnen, freiwillige Kompensationsanbieter in ihre Buchungsabläufe zu integrieren, das Berichtswesen für ihre Unternehmensemissionen aufzubauen oder interne – jedoch wenig ambitionierte – Reduktionsziele zu formulieren. Andere haben nicht einmal eine für Umweltfragen verantwortliche Stelle eingerichtet.
Effizienzsteigerung allein reicht nicht
In den meisten Ländern wird die Tourismusbranche heute von wenigen starken Akteuren dominiert, die mit ihrer Marktmacht großen Einfluss auf Produzenten und Dienstleister einerseits und Konsumenten andererseits ausüben. Die strategischen Entscheidungen der Marktführer werden deshalb beträchtliche Auswirkungen auf die zukünftige Leistung des gesamten Tourismussektors beim Klimaschutz haben.
Betrachtet man die öffentliche Kommunikation und die Nachhaltigkeitsberichtserstattung der großen europäischen Veranstalter, wie TUI Travel, Thomas Cook, Rewe Touristik, Kuoni Travel, Hotelplan oder Alltours, kann man feststellen, dass Klimaschutzmaßnahmen nur in so weit umgesetzt werden, wie sie der allgemeinen Strategie des ständigen Wachstums und des Ausbaus von Langstreckensegmenten nicht zuwider laufen. Die Maßnahmen zielen deshalb meist auf technische Effizienzsteigerungen ab, wie zum Beispiel Energieeinsparungen im Hotelbetrieb oder die Verringerung des Treibstoffverbrauchs der Flugzeugflotten. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch, dass angesichts der Wachstumsprognosen ein rein technologisch orientierter Zugang die tourismusrelevanten Emissionen nicht reduzieren, ja nicht einmal stabilisieren wird.
Um ihren Treibhausgas-Fußabdruck wirksam zu reduzieren, müssten die großen Reiseveranstalter technologische Maßnahmen mit Veränderungen in anderen Bereichen kombinieren: kulturelle Änderungen des Reiseverhaltens der Konsumenten (näher gelegene Reiseziele, weniger Urlaubsreisen pro Person bei zugleich längerer Aufenthaltsdauer), eine Verlagerung des Personentransports von Flugzeug und Auto auf Bahn und Bus sowie eine ganzheitliche Optimierung der An- und Abreise und der Mobilität vor Ort durch Mobilitätsmanagement.
Bislang wenig Nachfrage nach klimaschonenden Produkten
In diesen Bereichen waren die europäischen Marktführer bislang noch wenig aktiv. Vertreter der Reiseveranstalter argumentieren, dass ihr Wirkungsbereich durch die gegenwärtige Marktsituation eingeschränkt sei. Obwohl die Konsumenten gut über das Problem des Klimawandels Bescheid wüssten und auch Handlungsbereitschaft signalisierten, würden sie in der Realität kaum klimaschonende Reiseprodukte nachfragen und diese auch nicht annehmen, wenn sie ihnen angeboten würden – was sich auch in der geringen Akzeptanz freiwilliger Kompensationsangebote zeigt. Nach wie vor dominiere die Nachfrage nach Langstreckenzielen, Kurzurlauben, Auto- und Flugreisen. Zusätzlich würden Billigflugangebote den Preiswettbewerb der Reiseveranstalter in den Nah- und Mittelstreckensegmenten noch weiter verschärfen. Angesichts dieser Situationsbeschreibung muss in Frage gestellt werden, wie aufrichtig Reiseveranstalter den Einfluss des Tourismus auf den Klimawandel an den Kunden kommunizieren und in welchem Ausmaß sie die derzeitige Nachfragesituation durch ihre eigenen Marketingaktivitäten womöglich noch verstärken.
Verantwortung wirksamer wahrnehmen
Trotz dieser Hindernisse gibt es einige Maßnahmen, durch die Reiseveranstalter ihre Verantwortung beim Klimaschutz wirksam wahrnehmen könnten. So müsste der Klimaschutz als grundlegendes Prinzip in der strategischen Geschäftsplanung der Reiseveranstalter verankert werden, wobei Manager unter anderem anhand ihrer Leistungen bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen gemessen werden. Insbesondere die Auswahl von Zulieferern sollte nach Klimaschutzkriterien erfolgen. Konsumenten müssten im Moment ihrer Kaufentscheidung entweder durch gut ausgebildetes Verkaufspersonal oder durch Ausweis des produktbezogenen Treibhausgas-Fußabdruckes auf die Klimawirkungen ihrer Produktenscheidung aufmerksam gemacht werden. Durch intelligente Reiseverlaufsplanung und energieeffiziente Transportmittel können Produkte klimafreundlich gestaltet und über Umweltzertifikate mit Klimaschwerpunkt vermarktet werden. Außerdem können sich Reiseveranstalter durch transparente Kommunikation ihrer Emissionsentwicklungen, durch Kooperationen mit glaubwürdigen Partnern und die konstruktive Mitwirkung an politischen Lösungen ein "klimafreundliches" Image aufbauen.
Kurzfristig ist es jedoch wahrscheinlich, dass die großen Reiseveranstalter verstärkt auf freiwillige Kompensationsabgaben setzen werden. So können sie Klimaschutzmaßnahmen kommunizieren, ohne strukturelle Änderungen vornehmen zu müssen. Freiwillige Kompensationsabgaben sind vorläufig zwar ein wichtiges Instrument beim Klimaschutz, jedoch bergen sie das Risiko, dass sie von der Tourismusindustrie als Hauptwerkzeug zur "Reduktion" betrachtet werden könnten. Obwohl der Klimawandel mittlerweile in der Branche als ein großes Problem anerkannt ist, scheint die Bereitschaft für strukturelle Änderungen nach wie vor gering zu sein.
Andreas Zotz ist Mitarbeiter von Respect, Institut für integrativen Tourismus und Entwicklung, in Wien. Er studierte Tourismusmanagement an der Fachhochschule Krems und schrieb seine Diplomarbeit über die Rolle der Reiseveranstalter beim Klimaschutz.
(5.693 Anschläge, 76 Zeilen, September 2008)