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Ausstellung Leni Riefenstahl


Zuletzt hatte der Südtiroler Extrembergsteiger Reinhold Messner die alternde Leni Riefenstahl wiederentdeckt und sie "als beste Bergsteigerin ihrer Zeit" in einem mdr-Fernsehfilm hochgejubelt.Das war im August 2002, als sie ihren 100. Geburtstag feierte. Obwohleinst Hitlers "Reichsfilmregisseurin", behauptete die Verdrängungsweltmeisterin gerne, den "Führer" nie gekannt zu haben, "das sind doch alles Legenden". (Vgl. TW28, "Neue Völkerschauen in Europa... Vom Yeti zur Leni".) Riefenstahl, die nur ihr genehme Bilder freigab, starb imSeptember 2003.

Nun ist erstmals eine umfassende Ausstellung möglich, die sich kritisch mit ihrem Leben und ihrer Arbeit während des Dritten Reichs auseinandersetzt. Es ist die erste Ausstellung, die nicht von ihr kontrolliert und autorisiert wurde. Die gezeigten Bilder und Dokumente räumen mit Riefenstahls selbstgeschaffenen Mythen und Legenden gründlich auf. So kommt eine "Leni" zum Vorschein, wie sie bisher nicht zu sehen war. Im Bereich der Fotografie beispielsweise werden als Riefenstahl bekannte Arbeiten nun den Fotografen zugeordnet, die sie wirklich gemacht haben. Auch Riefenstahl als Dokumentarfilmerin wird widersprochen: Erstmals kann gezeigt werden, dass Szenen des Auftragsfilms "Der Sieg des Glaubens" vom Reichsparteitag 1933 in Nürnberg später mit Nazigrößen im Berliner Studio nachinszeniert und nachgedreht wurden.

Die Ausstellung weist nach, dass Riefenstahls Propagandafilme - mit ihrer gewaltigen Bildsprache - zwischen 1933 und 1945 unter der persönlichen Schirmherrschaft Hitlers entstanden und deshalb einzigartige Produktionsbedingungen genossen. Dazu gehörte neben immensen Geldern und einem geplanten "Filmstudio Riefenstahl" auch die Verfügbarkeit von Sinti und Roma in Internierungslagern. Bevor viele von ihnen ins tödliche KZ abtransportiert wurden, "verwendete" Riefenstahl "Zigeuner" als Statisten für ihren Spielfilm "Tiefland". Bis zu ihrem Ableben leugnete sie hartnäckig jede Verstrickung mit den Nazi-Verbrechern. "Realität interessiert mich nicht", pflegte sie zubetonen, sie sei ausschließlich an Kunst, Schönheit und starken, gesunden Körpern interessiert gewesen.

Die fand sie auf zwei Reisen in den 60er Jahren unter dem Volk der Nuba im Südsudan. Auch die Entstehungsgeschichte dieser Bilder, die sie erneut berühmt machten, wird in der Ausstellung - aus anderer Sicht - erstmals dokumentiert. Was aus den Nuba in einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg wurde, lag jenseits ihres Interesses. Im hohen Alter entdeckte sie als tauchende Touristin auf den Malediven die Schönheit der Meeresbewohner und produzierte den Film "Impressionen unter Wasser". Er wurde zu ihrem 100.Geburtstag im Fernsehen ausgestrahlt.

"Die Ästhetik Riefenstahlscher Bilder fasziniert noch immer", schreiben die Ausstellungsmacher. Sie seien "nicht per se faschistisch, sondern heute längst als Allgemeingut einer weltweiten Werbeästhetik zu verstehen".

Der Verfasserin dieser Zeilen jedoch bereitet diese totalitäre Bildsprache größtes Unbehagen. 

"Leni Riefenstahl:  Fotografie - Film - Dokumentation",Kuratoren: Ina Brockmann und Peter Reichelt, Mannheim. Noch bis zum14. November 2004 im "Ernst Barlach Museum Wedel" (bei Hamburg), Mühlenstr. 1, 22880 Wedel, Tel. 04103/918291, http://www.ernst-barlach.de, täglich außer Montag 11 - 17 Uhr.

Weitere Stationen: Anfang Dezember in Prag (Leica Galerie), 2005 inHannover, Berlin, München und Nürnberg.  -tü-

(3.540 Anschläge, 42 Zeilen, Oktober 2004)