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Wilderei in der Pandemie

Wie die Folgen von COVID-19 Arbeitsplätze und Tierwelt bedrohen


Safaripark Guards

Der weltweite Hunger im Zuge der Corona-Krise betrifft immer mehr Menschen. Damit wächst auch die Versuchung, geschützte Wildtiere zu jagen. Tierschützer*innen, Entwicklungshelfer*innen und NGOs berichten, dass Wilderei in Zeiten des Pandemie-Lockdowns wieder zunimmt. Grund dafür könnten auch fehlende Einnahmen aus dem Tourismus sein. 

Pandemie-Wilderei als Überlebensstrategie 

Nachdem durch Corona viele ihre reguläre Beschäftigung und ihr Einkommen verloren haben, greifen immer mehr Menschen zum Überleben auf die natürlichen Ressourcen in ihrem Umfeld zurück. In manchen Teilen Afrikas und Asiens hat daher auch die illegale Jagd zugenommen, sowohl auf geschützte Arten als auch in Schutzgebieten. Die NGOs WWF und TRAFFIC sprechen in ihrer neuen Broschüre von „Pandemic-Pouching“, also Pandemie-Wilderei: „In manchen Ländern zeigte sich in den letzten Monaten ein ansteigender Trend zur Wilderei für den eigenen Konsum und zur Abfederung eigener Einkommensverluste. In Uganda etwa  scheinen sich die Fälle zwischen Februar und Mai im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt zu haben. In Indien  ist die Wilderei während des Lockdowns um 150% angestiegen. In beiden Fällen handelte es sich vor allem um einen Anstieg von sogenannter Buschfleischwilderei“, sagt Katharina Trump vom WWF. Aber sind die Buschfleischwilderer ehemalige Beschäftigte der Schutzgebiete? Ziemlich unwahrscheinlich, meint Willie Boonzaaier, Programmleiter der “Integrated Rural Development and Nature Conservation“ (IRDNC), einer Partnerorganisation von Brot für die Welt, die die Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung in Naturschutzgebieten Namibias verbessert, indem sie vielfältigere sozio-ökonomische Perspektiven schafft. "Gerade diejenigen, die im Tourismus beschäftigt waren, werden sehr wahrscheinlich nicht wildern gehen. Diese Menschen arbeiten in der Reisebranche, weil sie eine Leidenschaft für Wildtiere haben. Die Reisebeschränkungen durch das Coronavirus haben vor allem kleinere Händler*innen getroffen, die in anderen namibischen Städten und Nachbarländern die Waren für ihren Handel kaufen. Sie hatten große Einkommensverluste, was durchaus zu Wilderei führen kann. Die aktuelle Datenlage reicht jedoch noch nicht aus, um tatsächlich eine Zunahme der Wilderei seit Ausbruch der Pandemie zu bestätigen", sagt Boonzaaier. 

Dr. Richard Thomas von TRAFFIC, einer NGO gegen den Handel mit Wildtieren, sieht vor allem die Abwesenheit von Tourist*innen als eine Herausforderung, um Wilderei während der Pandemie zu verhindern: „Für viele Schutzgebiete entfällt mit dem Tourismus eine zentrale Finanzierungsquelle. Dadurch können sich die Verwaltungen weniger Ranger leisten, die die Wildtierbestände vor Wilderei schützen. Gleichzeitig fehlen die wachsamen Augen der Tourist*innen, die sich sonst durch die Schutzgebiete bewegen. Das macht es für Wilderer einfacher, sich unbemerkt in den Gebieten zu bewegen.“

Präsenz vor Ort zu zeigen, spielt eine entscheidende Rolle. Das weiß auch Safari-Betreiber "Wilderness Safari": "Wilderer könnten die Gelegenheit des pausierten Ökotourismus jetzt für illegale Jagdaktivitäten nutzen. Deshalb arbeiten wir eng mit unseren Regierungspartnern und lokalen Behörden zusammen, damit Wildhüter weiter unsere verschiedenen Schutzgebiete bewachen können", sagt Dr. Neil Midlane, Nachhaltigkeitsmanager der Wilderness Safaris Group. 

Existenzsicherung gegen illegale Jagd

Vom Staat ist aktuell kaum Hilfe zu erwarten. Viele Regierungen, die ohnehin schon mit ausbleibenden Steuereinnahmen kämpfen, müssen ihre knappen Budgets für den Kampf gegen Corona umverteilen. Da bleibt für Artenschutz kaum etwas übrig. Auch für Menschen, die durch die Pandemie ihren Job verloren haben, ist nur wenig Geld da. Das bringt viele Menschen in eine prekäre Lage, besonders wenn man bedenkt, dass etwa in Namibia bis zu sieben Personen vom Einkommen eines Familienmitglieds abhängig sind. Deshalb bieten IRDNC und die KfW der Tourismuswirtschaft finanzielle Unterstützung an, damit deren Mitarbeiter*innen zumindest einen Teil ihres Gehalts weiter erhalten. Durch die Finanzierung der KfW werden Tourismusunternehmen in den Naturschutzgebieten Namibias 25% der Gehaltskosten als Zuschuss gewährt und weitere 50% als zinsfreies Darlehen zur Verfügung gestellt, das erst wieder bei steigenden Touristenzahlen zurückgezahlt werden muss. Initiativen wie diese sind wichtig, um die Lebensgrundlagen der Menschen vor Ort zu erhalten. Denn auch wenn viele Unternehmen aktuell versuchen, sich neu zu erfinden, sind die Jobperspektiven im Tourismussektor während der Pandemie rar gesät. Wilderei zur Sicherung der eigenen Lebensgrundlagen kann daher auch verhindert werden, indem neue und vielfältigere Beschäftigungsmöglichkeiten in den ländlichen Gebieten Afrikas und Asiens geschaffen werden. "Wir sollten die Gemeinden in den Naturschutzgebieten in dieser schwierigen Zeit nicht allein lassen. Mit Alternativen zur Verbesserung ihrer traditionellen Lebensgrundlagen können wir sie unterstützen, etwa durch verbesserte landwirtschaftliche Methoden sowohl für den Ackerbau als auch für die Viehzucht, durch die Förderung des lokalen Tourismus sowie durch Ausbildung und notwendige Ausrüstung. Auch virtueller Tourismus kann erprobt werden. Eine andere Möglichkeit könnte darin bestehen, Reiseleiter*innen vorübergehend als Wildhüter einzustellen. Letzteres könnte besonders entscheidend sein, um die Wilderei einzudämmen während der Tourismus 'nicht hinsieht’", sagt Boonzaaier. 

Neben den Auswirkungen auf den Wild- und Artenschutz, droht eine Zunahme der Wilderei auch den Anbietern von Safari-Tourismus nachhaltigen Schaden zuzufügen. Obwohl sie von den aktuellen Reiseverboten stark betroffen sind, versuchen viele Tourismusunternehmen daher, ihre Mitarbeiter*innen zu halten: "Es ist lebensnotwendig für die Menschen vor Ort, ihre Einkommensverluste durch das Ausbleiben des Tourismus abzufedern- vor allem indem Nahrungssicherheit für diejenigen sichergestellt wird, die es sich nicht mehr leisten können, sich und ihre Familien zu ernähren. Indem wir diese Unterstützung leisten, festigen wir auch gleichzeitig die guten Beziehungen, die wir über Jahre aufgebaut haben. Und wir verringern die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen wildern gehen und damit die Grundlage unseres Geschäftserfolgs aufs Spiel setzen", erklärt Midlane vom Reiseveranstalter Wilderness Safari.


Wilderei nach dem Virus 

Die zunehmende Wilderei ist nicht nur eine Bedrohung für die Tierwelt, sondern sie könnte auch noch lange nach der Pandemie schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Gesunde Wildtierbestände und aktive Gemeinden sind die Grundlage für den Safari-Tourismus, der in vielen Ländern Afrikas und Asiens eine der wichtigsten Formen des Tourismus darstellt. Richard Thomas bleibt dennoch optimistisch: "Es ist klar, dass diejenigen, die durch den Zusammenbruch der Tourismusindustrie ihre Arbeit verloren haben, sich nun anderen Beschäftigungsformen zuwenden müssen. Aber ich gehe davon aus, dass sich die überwältigende Mehrheit eine legale alternative Einkommensquelle suchen wird. Diejenigen, die wildern um sich und ihre Familien zu ernähren, werden das nur vorübergehend tun. Viel wichtiger ist, ob COVID-19 und die wirtschaftlichen Turbulenzen, die das Virus ausgelöst hat, insgesamt zu einem deutlichen Rückgang der Nachfrage nach illegalen Wildtierprodukten führen. Wenn ja, dann wird auch die Wilderei einbrechen", sagt Thomas.