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Von Träumen zu Alpträumen

Kinder als Opfer im Sextourismus auf Bali


Für Millionen Touristen aus aller Welt ist Bali ein Paradies. Im Süden und im Zentrum der Insel wimmelt es von Hotels, Restaurants und anderen touristischen Einrichtungen. Nicht wenige balinesische Frauen, die im Tourismus arbeiten, haben auch sexuelle Beziehungen mit ausländischen Touristen. Führen diese zu Schwangerschaften, stehen die Frauen und Kinder am Ende oft allein da. Die indonesische Arek Lintang Stiftung (ALIT) hat sich der Herausforderung angenommen und hilft solchen Kindern.

Viele balinesische Frauen, insbesondere aus der niedrigsten Kaste (Sudra), haben Jobs im Tourismus, für die sie kaum formelle Qualifikationen brauchen: die Herstellung oder den Verkauf von Kunsthandwerk, das Nähen billiger Kleidungsstücke oder Massage-Dienstleistungen. Diese Frauen sind meist aus dem Norden oder Osten Balis, zwei Regionen, die im balinesischen Massentourismus wenig beworben werden. Nicht viele Touristenorte sind so entwickelt wie Denpasar, Badung oder Gianyar.

Abgesehen von ihrer Arbeit im Tourismus haben balinesische Frauen zum Teil auch sexuelle Beziehungen zu Touristen und nicht wenige von ihnen haben Touristen geheiratet. Ein Beispiel: In Ubud, einer Kleinstadt im Hochland von Bali, gibt es drei Mädchen, deren balinesische Mutter aus Singaraja stammt und einer niedrigen Kaste angehört. Der Vater der Mädchen war Holländer und ist inzwischen verstorben. Ende der 1990er Jahre kam er als Tourist nach Bali und lernte ihre Mutter kennen, die damals in einem Massagesalon arbeitete. Heute leben die Mutter und ihre Kinder in einem heruntergekommenen Haus zur Miete. Die Halbwaisinnen bleiben dem Schulunterricht fern und helfen stattdessen ihrer Mutter beim Putzen in Privatvillen, die Ausländern gehören. Außerdem sammeln sie seit fünf Jahren Plastikflaschen. Die Mutter hat mehrere Freundinnen mit ähnlichem Schicksal: Ihre Vergangenheit mit Ausländern führte zu Schwangerschaften, für die die Männer jedoch keine Verantwortung übernahmen, so dass viele der Kinder aus solchen Beziehungen heute in Armut leben.

Das "Cinderella-Syndrom"

Für die Indonesier selbst ist Bali das wichtigste Reiseziel. Man ist stolz darauf, Orte besucht zu haben, an denen internationale oder indonesische Berühmtheiten ebenfalls waren. Das Cinderella-Syndrom – einen ausländischen Traumprinzen heiraten zu wollen – ist in den vergangenen zehn Jahren unter jungen Mädchen zu einem gängigen Phänomen geworden, insbesondere bei Mädchen aus Gebieten unweit von Bali. Diese jungen Mädchen, einige von ihnen aus armen Familien, sind meist Berufsschülerinnen mit Schwerpunkt Tourismus. Sie sehen in Bali die Chance, touristische Sehenswürdigkeiten zu besuchen und unter den vermeintlichen Prinzen im Land einen Ehepartner zu finden.

Diese Teenagerinnen, die sich für ein Praktikum in Bali entscheiden, sind meist zwischen 15 und 17 Jahren alt und werden dort als Zimmermädchen eingesetzt. So machen sie leicht Bekanntschaft mit ausländischen Touristen und können anbieten, diese in die Vergnügungszentren wie Kneipen, Nachtclubs und Strandclubs oder einfach auf Spaziergängen in Bali zu begleiten. Die jungen Frauen bevorzugen den Umgang mit ausländischen Touristen, die sehr viel älter sind als sie. Vielen ist die Unterstützung ihrer Familien sicher, denn ältere Touristen gelten als wohlhabender und loyaler und werden deshalb jungen Männern vorgezogen.

Eine Möglichkeit für Teenagerinnen, ihren Status unter ihren Freundinnen im Dorf zu verbessern, sind Fotos in den sozialen Medien, auf denen sie in beliebten teuren Clubs zu sehen sind und teure Markenkleidung tragen. Die Bekanntschaft mit älteren Touristen verschafft ihnen diesen Status. Ein Mädchen erzählte mir, dass eine ihrer Freundinnen nun mit 15 schwanger sei – und sie ist nicht die einzige.

Kinder unterstützen: Die Arek Lintang Stiftung (ALIT)

Als wir 2016 die drei Mädchen der ehemaligen Masseurin in Ubud fanden, die dünn, schmutzig und stinkend entlang der Straße in der Gegend des Marktes Plastikflaschen sammelten, begannen wir bei der ALIT-Stiftung, uns mit Kinderschutz in Bali zu beschäftigen. Die ALIT-Stiftung ist eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Surabaya. Sie wurde 1998 gegründet und ist Mitglied von ECPAT, einem internationalen Netzwerk zur Beendigung der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern im Tourismus.

Vorher schon war ALIT Kooperationen mit Handwerkern in Bali eingegangen. Durch die Zusammenarbeit mit einheimischen Künstlern bekommen wir eine Menge Informationen über Kinder, die im Sextourismus arbeiten. ALIT führt Bewusstseinskampagnen durch und kümmert sich um Kinder, deren Mütter mit Ausländern verheiratet sind. Dabei geht es insbesondere um den rechtlichen Status der Kinder und die elterlichen Fürsorgepflichten der Väter.

Wir kommunizieren mit religiösen Einrichtungen von Hindus und Christen. Durch die diplomatischen Verbindungen der katholischen Kirche können Verbindungen in die Herkunftsländer der Väter zurückverfolgt werden. ALIT hat die drei indonesisch-holländischen Mädchen begleitet, die nun mit Unterstützung zum Lebensunterhalt durch holländische Familien ein neues Leben beginnen konnten. Dies gelang durch Koordination von ALIT mit der Familie ihres verstorbenen Vaters in den Niederlanden. Außerdem schützen und unterstützen wir ein schwangeres Mädchen, das Opfer eines ausländischen Touristen wurde. Schließlich betreiben wir weiterhin Lobbyarbeit bei balinesischen Regierungsbehörden und traditionellen Führungspersönlichkeiten in Bali, damit diese dabei helfen, Kinder von den Gefahren des Sextourismus fern zu halten.

Oleh Yuliati Umrah ist Direktorin der Arek Lintang (ALIT) Stiftung in Indonesien.

Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp