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UNITAID als innovatives Instrument zur Finanzierung von Entwicklung

Mehr fliegen gegen Aids?


Ein Jahr ist es jetzt her, dass die ″Internationale Fazilität zum Kauf von Medikamenten″ UNITAID (″United to treat those in need”) von Brasilien, Chile, Norwegen und Frank­reich ins Leben gerufen wurde. Dieser so genannte ″innovative Finanzierungs­mechanismus” soll mit einer Solidaritätsabgabe auf Flugtickets in Entwicklungsländern den Zugang der Bedürftigsten zu Medikamenten und Diagnoseverfahren im Kampf gegen Aids, Malaria und Tuberkulose verbessern helfen.

Doch seit ihrer Einführung haben Nichtregierungsorganisationen die UNITAID-Initiative auch kritisch in Frage gestellt. Denn es besteht die Gefahr, dass bereits laufende Anstrengungen dupliziert und die makroökonomischen Ungleichgewichte in armen Ländern verstärkt werden. Die Initiative erscheint für Interessengruppen wie die Pharmaindustrie allzu vorteilhaft. Auch fehlt es bislang an einer Kosten-Nutzen-Analyse.

Offiziell wurde UNITAID im September 2006 von UN-Generalsekretär Kofi Annan auf den Weg gebracht. Eine Pilotgruppe von 44 Ländern hat sich verpflichtet, an einem solchen Finanzierungsmechanismus zu arbeiten, 19 dieser Länder haben erste Schritte zur Einführung der Solidaritätsabgabe auf Flugtickets unternommen. UNITAID wird als ein flexibles Instrument angesehen, das schnell umsetzbar ist.

Wie UNITAID arbeitet

Bei der UNITAID-Initiative geht es im Prinzip darum, den Zugang der Armen zu Medikamenten zu verbessern, indem diese billiger eingekauft werden. Durch eine Solidaritätsabgabe auf Flugtickets soll dies dauerhaft finanziert werden. Frankreich hat die Abgabe zum 1. Juli 2006 eingeführt. Ihre Höhe hängt vom Flugziel und der Reiseklasse ab. Bei Inlandsflügen und innereuropäischen Flügen beträgt der Beitrags­satz einen Euro pro Passagier in der Economy-Klasse und zehn Euro pro Passagier in der Business- und der Ersten Klasse. Bei allen anderen internationalen Flügen sind viermal höhere Abgaben zu entrichten. Insgesamt sollen durch die Abgabe in Frankreich 300 Millionen Euro im Jahr aufgebracht werden. Wenn sich andere Länder beteiligen, sollen es in den nächsten Jahren 400 bis 500 Millionen und länger­fristig eine Milliarde Euro werden.

UNITAID verschafft Privatunternehmen der Pharmaindustrie Aufträge in Millionenhöhe. Es ist offensichtlich, dass die Pharmaindustrie von einer solchen Initiative auf jeden Fall profitieren wird. UNITAID erfordert Transparenz als zentrales Prinzip und es muss sichergestellt werden, dass auch Nichtregierungsorganisationen im Vorstand vertreten sind.

Kann UNITAID ihren Zweck erfüllen?

Was ist der Zusatznutzen der internationalen Fazilität zum Kauf von Medikamenten gegenüber einer Erhöhung und Stabilisierung der Finanzierung für bestehende Initiativen wie den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria? Nichtregierungsorganisationen, die zu Finanzierungsfragen im Bereich Gesund­heit und HIV/Aids arbeiten (darunter Coordination Sud, Ärzte ohne Grenzen), betonen, dass UNITAID die Aktivitäten anderer, bestehender Initiativen gegen HIV, Tuberkulose und Malaria ergänzen muss und auf Gelder zurückgreifen sollte, die diesen Initiativen bislang nicht zu Verfügung stehen. Wenn der Hauptzweck nur darin besteht, Medikamente bereitzustellen, sollte man den Solidaritätsbeitrag auf Flugtickets besser dazu verwenden, den Globalen Fonds zu unterstützen, anstatt Anstrengungen zu duplizieren. Auch betonen die Nichtregierungsorganisationen, dass UNITAID sich darauf konzentrieren sollte, die Preise für Medikamente senken zu helfen. Damit würde ein zusätzlicher Nutzen geschaffen.

Die Behandlungsmöglichkeiten von HIV/Aids müssen allen Menschen zugute kommen, die sie brauchen. Doch wenngleich dieses Anliegen sehr wichtig ist, ist es nur ein kleiner Bestandteil eines umfassenderen Ansatzes. Angst, Stigmatisierung und Diskriminierung gehören zu den Hauptbarrieren bei der Prävention und Behandlung von HIV/Aids und bei der Versorgung und Unterstützung von Betroffenen. Der philippinische HIV/Aids-Experte Jovanni Templonuevo hält antiretrovirale Medikamente für zweitrangig. ″Wir brauchen Geld, um mehr Beratung und HIV-Tests anbieten zu können. Auch für die Reintegration Betroffener in die Gemeinschaft, für Hospize und die Betreuung von Menschen, die mit HIV und Aids leben, müssen wir sorgen”. Selbst in Ländern, in denen HIV/Aids stärker verbreitet ist als in den Philippinen, sind Medikamente nur ein Aspekt einer umfassenderen Strategie.

Zunehmender Flugverkehr als Herausforderung

Einerseits ist es nicht sicher, dass mit dem neuen Finanzierungsinstrument wirklich die dringendsten Probleme im Kampf gegen HIV/Aids angegangen werden. Andererseits gibt es auch andere Problemfelder, die dringend politische Aufmerksamkeit erfordern, und die mit dem Flugverkehr sehr viel offensichtlicher in Verbindung stehen und in Verbindung gebracht werden sollten. Dazu gehört der Klimawandel, der mit dem zunehmenden Tourismus eng zusammenhängt.

Der Flugverkehr ist der am schnellsten wachsende Verursacher der Erderwärmung. Die Luftverschmutzung und andere Umweltkosten spiegeln sich in den Reisepreisen nicht wider. Ein koordinierter und umfassender Ansatz von Regierungen und der Tourismuswirtschaft ist nötig. Umweltgruppen fordern immer wieder eine stärkere Besteuerung. Die Einnahmen daraus könnten die Regierungen für den Umweltschutz einsetzen.

Die Solidaritätsabgabe, die derzeit für UNITAID erhoben wird, ist sehr niedrig und für die Fluggesellschaften absichtlich ″schmerzlos”. Doch es reicht nicht aus, Mittel für Initiativen zur Schadensbegrenzung aufzubringen, sei es für den Kampf gegen HIV/Aids oder für einen anderen unterstützenswerten Zweck. Es ist ebenso nötig, Flug­reisen teurer zu machen, um das Wachstum im Flugverkehr zu drosseln, und sich auf ″Vorbeugung statt Heilen″ zu konzentrieren. Mehr zu fliegen, um HIV/Aids zu bekämpfen, ist keine nachhaltige Lösung.

Informationen über UNITAID im Internet: www.unitaid.eu

Shirley Susan ist Beraterin in der Jugendarbeit zu HIV/Aids bei der Asiatischen Kirchenkonferenz (CCA), Chiang Mai, Thailand, in einem gemeinsamen Programm mit der Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik (UNESCAP)

Redaktionelle Bearbeitung und Übersetzung aus dem Englischen: Christina Kamp

(6.309 Anschläge, 87 Zeilen, Juni 2007)