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Neue Pipeline bedroht Artenvielfalt und Tourismus in Ekuador

Nichtregierungsorganisationen bitten um internationale Unterstützung


Das Vorhaben der ekuadorianischen Regierung, eine neue Rohölleitung vom Amazonas über das Hochland bis zur Küste der Provinz Esmeraldas zu bauen, hat Naturschützer und lokale Gemeinschaften in der Hauptstadt Quito auf den Plan gerufen. Zusammengeschlossen im "Comite Pro Ruta Menor Impacto" (Komitee für die Route mit geringeren Auswirkungen) bitten sie die internationale Gemeinschaft um Unterstützung im Kampf um die bessere von zwei vorgeschlagenen Routen.

"Wir haben uns darauf verständigt, daß es nicht darum gehen kann, das Vorhaben an sich zu bekämpfen", erklärt Rodrigo Ontaneda, Präsident der Fundación Maquipucuna und einer der Koordinatoren der Kampagne. "Der Ölexport ist wichtig für unser Land. Aber er soll so geschehen, daß er für die Menschen und die Natur mit möglichst geringen Auswirkungen verbunden ist."

Die geplante Pipeline soll, bis sie das Hochland und Quito (2850 m Seehöhe) erreicht, direkt neben der bereits existierenden transekuadorianischen Pipeline (Oleoducto Transecuatoriano - SOTE) entlang führen. Für die Umgehung Quitos plant das Consorcio Oleoducto de Crudos Pesados - OCP Ltd., ein Konsortium fünf internationaler Ölfirmen, jedoch vorübergehend eine Abweichung von der existierenden Strecke im Süden der Hauptstadt und schlägt eine Route nördlich der Stadt vor. Diese Nordroute, so kritisieren die Naturschützer, führt direkt durch geschütztes Gebiet mit besonders artenreichem Primärwald. Würde diese Strecke realisiert, wären die Auswirkungen auf die Umwelt und die biologische Vielfalt der Region weitaus gravierender als bei der südlichen Route, die von der Firma Williams International geplant ist. Diese Südroute würde nur kurz von der bereits existierenden Route abweichen, um an einigen Stellen soziale und ökologische Auswirkungen zu reduzieren. Zudem wäre die von der OCP vorgeschlagene Nordroute mit 899 Millionen US-Dollar weitaus teurer als die Südroute, die laut Williams 730 Millionen US-Dollar kosten würde. Hinunter zur Küste soll die neue Pipeline später wieder unmittelbar entlang der bereits existierenden SOTE führen.

"Es geht um viel mehr als um das Wohl von 20 Vogelarten gegenüber zwölf Millionen Ekuadorianern, wie uns vorgeworfen wurde", betont Ontaneda. "Das Waldgebiet nordwestlich von Quito, das von der Nordroute betroffen wäre, gehört weltweit zu den fünf 'Hotspots' biologischer Vielfalt." Über 450 Vogelarten (davon 30 einheimische Arten, 13 gefährdete Arten sowie eine Kolibri-Art, die vom Aussterben bedroht ist), mindestens 30 Säugetierarten (darunter der Brillenbär und der Puma), unzählige Amphibien, Reptilien und Schmetterlinge sowie fast 2.000 Pflanzen, darunter Bromelien und Orchideen, kommen hier vor. Der Wald ist die grüne Lunge der wachsenden Zwei-Millionen-Stadt und ein wichtiges Naherholungsgebiet.

In den letzten zehn Jahren haben Nichtregierungsorganisationen und lokale Gemeinschaften begonnen, den Ökotourismus zu entwickeln. Seit 1995 ist die Zahl der Touristen von etwa 500 auf rund 5.000 pro Jahr gestiegen. Neben der kleinbäuerlichen Landwirtschaft bietet der Ökotourismus heute eine wichtige Entwicklungsalternative für die ländliche Bevölkerung, die den Schutz der Natur zunehmend rentabel macht.

Der Bau einer Pipeline zerstört die Landschaft nicht nur entlang des abzuholzenden Abschnitts auf einer Breite von etwa 50 m. Nach den Erfahrungen der ekuadorianischen Naturschützer wäre die Artenvielfalt auf einem bis zu 10 km breiten Streifen (je 5 km auf jeder Seite der Pipeline) betroffen. Hinzu kommen Gefahren durch auslaufendes Öl, Wilderei entlang der Strecke oder gar eine mögliche Umweltkatastrophe im Falle eines Anschlags auf die Pipeline. Mehrere wichtige Flüsse in der Region, wie der Rio Cinto, der Rio Mindo und in Folge der Rio Blanco, wären davon betroffen.

Damit der Bau der neuen Rohölleitung nicht zu langfristigen, irreversiblen Schäden an der Natur führt, haben sich etwa 30 Nichtregierungsorganisationen zum "Comite Pro Ruta Menor Impacto" zusammengeschlossen. Gemeinsam mit lokalen Gemeinschaften in den betroffenen Orten, Tourismusunternehmen, Grundstückseigentümern, regionalen, nationalen und internationalen Umweltverbänden sowie der Regierung der Provinz Pichincha appellierten sie in einem offenen Brief an die ekuadorianische Regierung, die bessere Route zu wählen. "Diese", so heißt es darin, "ist bei gleicher Kostensituation diejenige, die die geringsten Schäden verursacht". Über 2.000 Unterschriften konnten bereits vor Ort gesammelt werden.

 

Auch das ekuadorianische Tourismusministerium unterstützt die Kampagne. Der Tourismus ist der viertwichtigste Exportsektor Ekuadors, nach Rohöl, Bananen und Krabben. 1998 zählte Ekuador nach Angaben der Welttourismusorganisation (WTO) 511.000 internationale Touristenankünfte. Der lateinamerikanische Reiseverkehr macht davon rund die Hälfte aus. Jeweils knapp ein Viertel des internationalen Reiseverkehrs entfallen auf die USA/Kanada und überseeische Herkunftsregionen. Deutschland ist der bedeutendste überseeische Markt. Etwa 60.000 Arbeitsplätze in Ekuador hängen nach Angaben des ekuadorianischen Tourismusministeriums direkt vom Tourismus ab. Nach über zwei Jahren schwerer Wirtschaftskrise steigt die Zahl der Touristen wieder.

Seit mehreren Jahren versucht Ekuador, vor allem den Ökotourismus zu fördern. In der Region, die von der Nordroute der neuen Pipeline betroffenen wäre, werden kleine Ökotourismusprojekte lokaler Dorfgemeinschaften auch vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und anderen internationalen Organisationen unterstützt. Ihre Zukunft hängt wesentlich vom Erhalt der natürlichen Ressourcen der Region ab.

Da die endgültige Entscheidung über den Verlauf der Pipeline innerhalb einer seit dem 6. November laufenden Dreimonatsfrist, d.h. bis spätestens 5. Februar 2001, gefällt werden soll, bittet das "Comite Pro Ruta Menor Impacto" dringend, die Kampagne auch international durch Unterschriften und durch Schreiben an die ekuadorianische Regierung zu unterstützen. Der Entwurf eines solchen Schreibens (s.u.), Fotos sowie weitere Informationen in spanischer Sprache können auf der Internetseite von "Turismovision" (www.kate-stuttgart.org) unter der Rubrik "Aktuelles" abgerufen werden oder sind erhältlich bei KATE-Stuttgart (Kontaktstelle für Umwelt & Entwicklung)

Blumenstr. 19

70182 Stuttgart Tel.: 0 711 / 24 83 97-0

E-mail: turismovision@kate-stuttgart.org.

Kontakte in Ekuador: Comité Pro Ruta Menor Impacto Koordination: Rodrigo Ontaneda Fundación Maquipucuna Baquerizo E9-153 y Tamayo Quito, Ekuador E-mail: corredor@maquipucuna.org Tel.: 00593 - 2 - 50 72 00 Fax: 50 72 01 und Guido Rada Corporación Ornitológica del Ecuador (CECIA) La Tierra 203 y Shyri Quito Ekuador E-mail: cecia@uio.satnet.net Tel.: 00593 - 2 - 46 43 59

(6.944 Anschläge / 88 Zeilen, Dezember 2000)