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Nachhaltiger Tourismus nun auch international salonfähig

"UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung" verabschiedet in New York umfangreiches Aktionsprogramm


So fordert die CSD zum Beispiel die Staaten auf, durch nationale Pläne geeignete Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Tourismusentwicklung zu schaffen. Dazu gehöre auch die aktive Beteiligung aller wichtigen gesellschaftlichen Gruppen ('Major Groups', gemäß Definition in der Agenda 21) an Planungs- und Entwicklungsprozessen im Tourismus.

Gleichzeitig wird von den Regierungen ein strengeres Vorgehen gegen negative Auswüchse im Tourismus wie Kinderarbeit und Prostitution erwartet. Die Tourismusbranche wird aufgerufen und bestärkt, freiwillige Maßnahmen zu ergreifen, um die Ökoeffizienz ihrer Betriebe zu verbessern, geeignete Managementsysteme zu entwickeln und Umweltbelastungen verringern zu helfen.

Konstruktiver Dialog

Die ersten drei Tage der Konferenz standen im Zeichen des 'multi-stakeholder'-Dialogs der Akteursgruppen. Aus Deutschland waren daran TUI-Umweltdirektor Wolf Michael Iwand für die Tourismuswirtschaft, die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg, Beate Weber, für die kommunalen Verwaltungen, das "Forum Umwelt und Entwicklung" für die Nichtregierungsorganisationen (NROs) sowie Gewerkschaftsvertreter beteiligt.

Folgende vier Themen standen auf der Tagesordnung:

1. Initiativen der Privatwirtschaft für einen nachhaltigen Tourismus,

2. Beeinflussung von Konsumentenverhalten für einen nachhaltigen Tourismus,

3. Förderung einer breit angelegten nachhaltigen Entwicklung durch Tourismus unter Bewahrung lokaler kultureller Integrität und Schutz der Umwelt,

4. Auswirkungen des Tourismus auf Küstenregionen.

Wesentliche Ergebnisse des Dialogs sind in die CSD-Entscheidung eingeflossen. So zum Beispiel die Übereinkunft, eine informelle ad hoc-Arbeitsgruppe einzusetzen, die wichtige gesellschaftliche Gruppen einbezieht. Diese Arbeitsgruppe soll untersuchen, wie sich Devisenabflüsse verringern und die Nutzen aus dem Tourismus für indigene und lokale Gemeinschaften maximieren lassen. Ferner soll sie Informations- und Partizipationsprozesse stärken helfen.

Konstruktiv und konsensfähig war vor allem der Dialog über Maßnahmen, die das Verhalten der Verbraucher beeinflussen können. In den Punkten 2 (g) und (h) werden Aktivitäten und Materialien für die Bildungsarbeit ganz konkret genannt, wie zum Beispiel In-Flight Videos, die die Kooperationsbereitschaft der Tourismusindustrie gezielt herausfordern.

Positive Ergebnisse, einige Schwachpunkte

Insgesamt sehr zufrieden mit dem ausgewogenen und zugleich anspruchsvollen Arbeitsprogramm äußerten sich Vertreter der EU-Delegation unter deutscher Präsidentschaft. Auch aus Sicht von Nichtregierungsorganisationen ist das Ergebnis umfassend und besser als erwartet.

Deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisationen waren an der CSD maßgeblich beteiligt. Zusammengeschlossen in einem ad-hoc-Arbeitskreis Tourismus hatten sie im Vorfeld der Konferenz eine deutsche NRO-Position abgestimmt und als Positionspapier "Tourismus und nachhaltige Entwicklung" des Forums Umwelt und Entwicklung in den internationalen CSD-Prozeß eingebracht. Viele der deutschen Forderungen spiegeln sich in der CSD-Ent-scheidung wieder.

Ein Schwachpunkt sei jedoch, so die Kritik von deutscher wie von internationaler NRO-Seite, daß der CSD-Beschluß ausländische Investitionen fördert, ohne daß umwelt- und entwicklungspolitische Auflagen dazu formuliert werden. Die Problematik der zunehmenden Liberalisierung im Handel mit touristischen Dienstleistungen, vor allem für Länder des Südens, war von NROs auf der CSD mehrfach thematisiert worden. Das GATS-Abkommen (General Agreement on Trade in Services) der Welthandelsorganisation (WTO-OMC) zielt darauf ab, Beschränkungen für ausländische Investoren und Maßnahmen aufzuheben, die bislang den lokalen Dienstleistungssektor geschützt haben. Das CSD-Dokument spart Gefahren der Liberalisierung für lokale und regionale Wirtschaftskreisläufe in den Entwicklungsländern jedoch völlig aus.

Zu kurz kommt aus NRO-Sicht auch die Planungsperspektive zum Tourismus, nach der zuerst die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung definiert werden müßten, und erst dann die Rolle des Tourismus bestimmt werden könne. Der Tourismus müsse in den nationalen Nachhaltigkeitsstrategien, die von allen Ländern zu erstellen sind, explizit berücksichtigt werden. Dieser Vorschlag wurde auch von der EU-Delegation aktiv unterstützt. In vielen Ländern, so auch in Deutschland, steht eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie vorerst aber noch aus.

Weiterarbeit national und international

Diese anzumahnen, wird nur ein Ansatzpunkt für die weitere Arbeit der deutschen Tourismusaktivisten sein. Sie wollen zukünftig sehr genau darauf achten, ob und wie die deutsche Regierung das Arbeitsprogramm von New York umsetzt. In den kommenden Monaten wird der derzeit laufende Erfahrungs- und Informationsaustausch zu Tourismus im Rahmen der Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD) im Vordergrund stehen. Dieser Austausch soll laut CSD-Beschluß zu internationalen Richtlinien für einen nachhaltigen Tourismus beitragen.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich das deutsche Bundesumweltministerium auf der vierten CBD-Vertragsstaatenkonferenz in Bratislava für internationale Richtlinien stark gemacht. Dieser Vorstoß war jedoch auf Widerstand gestoßen, vor allem von Seiten der Entwicklungsländer. Ein Kritikpunkt war, daß die sozialen und kulturellen Belange, vor allem die Auswirkungen des Tourismus auf das Leben der Menschen in den touristischen Ziel-gebieten, im deutschen Vorschlag nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Bemängelt wurde auch, daß eine Partizipation indigener Bevölkerungsgruppen und lokaler Gemeinschaften nicht vorgesehen war, sondern lediglich ihre Interessen "berücksichtigt" werden sollten.

Auf der fünften Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention im kommenden Jahr in Nairobi wird Tourismus wieder auf der Tagesordnung stehen, und dann als eines von drei Hauptthemen. Der deutsche ad-hoc-Arbeitskreis wird auch diese Verhandlungen mit vorbereiten und begleiten und auf eine enge Verzahnung von CSD-Arbeitsprogramm und CBD-Richtlinien zu nachhaltigem Tourismus drängen.

Partizipation fördern - an der Basis und in internationalen Verhandlungen.

Nachdem die Erfahrung auf der CSD gezeigt hat, daß die Partizipationsmöglichkeiten der Süd-NROs an internationalen Verhandlungsprozessen noch sehr unzureichend sind, will sich der deutsche Arbeitskreis besonders dafür einsetzen, daß durch verstärkte finanzielle Unterstützung, verbesserte Netzwerkstrukturen und Informationsaustausch die Einflußmöglichkeiten der Süd-NROs verbessert werden.

Auch der "NGO Tourism Caucus" als internationales Forum der NROs auf der CSD will Beteiligungsmechanismen stärken helfen. In der Beschreibung ihrer zukünftigen Arbeitsfelder betonen die auf der CSD vertretenen Tourismusgruppen die Bedeutung breit angelegter Informations-, Bildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen für die direkte Beteiligung lokaler Gemeinschaften und indigener Bevölkerungsgruppen auf allen Entscheidungsebenen. So wird das "Capacity Building" in den eigenen Reihen den Einsatz der Tourismus-NROs international fordern.

Spätestens im Jahr 2002 wird eine erste Bilanz gezogen werden können. Zu den Kernaufgaben der CSD gehört es, die Fortschritte im Rio-Folgeprozeß zu überprüfen. In drei Jahren soll sie feststellen, inwieweit das Tourismus-Arbeitsprogramm bis dahin umgesetzt wurde.

(7023 Zeichen/112 Zeilen, Oktober 1999)