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Mehr Raum für Zivilgesellschaft

Tourismus auf dem Asia-Europe People’s Forum 2016


Der wachsenden Ungleichheit in Asien und Europa gerechte Alternativen entgegenzusetzen, hat sich das Asia-Europe People’s Forum (AEPF) auf die Fahnen geschrieben. Als zivilgesellschaftliche Vorveranstaltung zum Asien-Europa-Gipfel (ASEM) fand das 11. AEPF mit über 750 Teilnehmenden Anfang Juli 2016 in der  mongolischen Hauptstadt Ulan Bator statt. Tourismus stand im Rahmen eines „Open Space“-Workshops auf der Agenda.

Wie bereits auf dem AEPF in Laos 2012 und in Italien 2014 war der Tourismusworkshop ein Kooperationsprojekt asiatischer, europäischer und einheimischer (in diesem Fall mongolischer) Organisationen. „Es war einer der demokratischsten AEPFWorkshops zu einem der undemokratischsten Wirtschaftsbereiche“, fasste Sumesh Mangalasseri von der südindischen Organisation Kabani zum Abschluss zusammen. Der Erfolg war auch der aktiven Beteiligung der Teilnehmenden zu verdanken. Viele der Herausforderungen, die von den Referentinnen und Referenten aus Korea, Indien, der Mongolei und Deutschland vorgetragen wurden, spiegelten die eigenen Erfahrungen der überwiegend mongolischen Teilnehmenden wider. Dazu zählten die Überschreitung der Grenzen der Tragfähigkeit mit der Gefahr ökologischer Schäden bei steigenden Touristenzahlen, Kommerzialisierung, Landraub und mangelnde Partizipation der Bevölkerung. Als Schritte in die richtige Richtung wurden die notwendige Regulierung der Tourismusbranche, Fortbildungsmöglichkeiten und Studien für ein besseres Verständnis des Tourismus identifiziert. Wichtig ist auch eine breitere Vernetzung und Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft.

Nutzungskonflikte und Landraub in Asien

Auch in anderen Workshops bestand großes Interesse, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Der Austausch zu Landrechtsfragen machte deutlich, dass  Landraub und Verdrängung in den verschiedensten Ländern und Wirtschaftsbereichen vorkommt, z. B. in der Palmölgewinnung, im Zuge der Verstädterung, beim Ausbau von Infrastruktur und nicht zuletzt im Tourismus, der auf dem AEPF erstmals in diesem Kontext besonders im Fokus stand. Auch in der dünn besiedelten Mongolei sind Konflikte um Land und Ressourcen heute an der Tagesordnung. Nomaden werden verdrängt, Rohstoffe wie Gold, Kupfer und Kohle in großem Stil aus der Erde geholt. Der Boom, den die mongolische Volkswirtschaft noch bis vor einigen Jahren erlebte, beruhte vor allem auf dem Rohstoffabbau durch große Konzerne. Die Menschen und das Vieh, die das Land traditionell nutzen, verlieren wertvolle Weideflächen und Wasserquellen und leiden unter der Verschmutzung von Wasser, Böden und Luft. Wehren sich Betroffene gegen die Verletzung ihrer Rechte und die Zerstörung ihrer Umwelt, wird ihr Widerstand häufig kriminalisiert.

Bedrohungen durch Bergbau

In den Noyon-Bergen im Mandal Sum in der Provinz Selenge will eine kanadische Firma in den kommenden Jahren Gold abbauen. Wie in vielen anderen Gegenden der Mongolei befürchten die Einheimischen auch hier gravierende Auswirkungen auf die Umwelt. „Die Berge sind heilig“, betont Tserennadmid Orsobal, führende  Aktivistin der Save Noyon Mountains Bewegung. Auch gibt es dort seltene Tier- und Pflanzenarten und die Berge sind ein wichtiges Wassereinzugsgebiet. Werden

durch den Goldabbau die Flüsse verseucht, hat das verheerende Konsequenzen für Menschen und Tiere entlang der Wasserläufe bis hinauf zum Baikal- See in  Russland. Zudem wurden in den Noyon- Bergen Hunnengräber aus dem dritten Jahrhundert entdeckt, die noch nicht archäologisch erforscht sind. Denn viele davon liegen im Permafrostboden. Mit der Zerstörung einzigartiger Natur- und Kulturschätze durch den Bergbau verspielt die Mongolei nicht nur ihr wertvolles Erbe, sondern auch Potenziale für eine umwelt- und sozialverträglichere Nutzung in der Zukunft. Beispiele wie die Zusammenarbeit des mongolischen Reiseveranstalters Ger to Ger mit Nomadenfamilien zeigen, dass der Tourismus und die traditionelle Landnutzung der Nomadenfamilien sich auf sinnvolle Weise ergänzen können. Dank des Zusatzeinkommens aus der Gästebetreuung können die Familien sogar Krisen und Katastrophen wie besonders kalte Winter besser bewältigen.

Aus Erfahrungen lernen

In der Mongolei wie auch in anderen Teilen Asiens und Europas werden zivilgesellschaftliche Gruppen in ihrem Artikulationsspielraum immer stärker eingeschränkt. Umso wichtiger war es den AEPF-Teilnehmenden, aus Erfahrungen zu lernen und Erfolgsfaktoren und Strategien für die Zukunft abzuleiten. Dazu gehört, dass Widerstand vor allem dann erfolgreich ist, wenn er sowohl auf lokaler Ebene stark verwurzelt ist, als auch von internationalen Netzwerken unterstützt wird. Eine wichtige Grundlage dafür ist eine fundierte Daten- und Informationsbasis. Ein effektives Monitoring ist mit Herausforderungen verbunden. Denn um nicht nur  Gesamtentwicklungen im Blick zu haben, sondern auch die einzelnen Schritte der Akteure in Wirtschaft und Politik verfolgen zu können, braucht es in der  Zivilgesellschaft mehr Kompetenz und Kapazitäten. Schließlich muss die Öffentlichkeitsarbeit zu kritischen Themen breiter aufgestellt und möglichst kreativ und zielgruppengerecht gestaltet werden.

Zentrale Forderung: Mehr Raum für Partizipation

Die Abschlusserklärung des AEPF betont die Bedeutung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Sie böten Chancen für verbesserte Analysen und ein stärkeres Bewusstsein für die tatsächlichen Vor- und Nachteile des Tourismus sowie für die Entwicklung geeigneter politischer Handlungskonzepte. Die SDGs rufen explizit dazu auf, Monitoring-Instrumente zu entwickeln und einzuführen, um festzustellen, inwieweit der Tourismus zu

nachhaltiger Entwicklung beiträgt. Die Beteiligung der Einheimischen ist von zentraler Bedeutung – nicht nur als Dienstleister, sondern auch als Entscheidungsträger in einem ganzheitlichen Planungsansatz, bei dem die Lebensgrundlagen der Gemeinschaften und Ressourcengerechtigkeit eine zentrale Rolle spielen. Mitte Juli wurde die AEPF-Abschlusserklärung den Staats- und Regierungschefs der ASEM-Staaten übergeben. Die Regierungen werden aufgefordert, die Rechte der Bevölkerung und die geltenden Gesetze – einschließlich anerkannter Gewohnheitsrechte – zu respektieren und der Zivilgesellschaft wieder mehr Raum zu geben.

Weitere Informationen:www.aepf.info

(6.365 Zeichen, September 2016, TW 84)