Blog

Elektrischer Stuhl als Touristenattraktion


Huntsville/Rom. Die texanische Kleinstadt Huntsville, nördlich von Houston gelegen, hält einen traurigen Rekord. Dort werden die meisten Todesurteile in den USA vollstreckt. Fast ein Drittel der 36.000 Einwohner lebt von der Todesmaschinerie, sei es durch Arbeitsplätze in sieben Gefängnissen, den Verkauf von Produkten, die die 15.000 Insassen herstellen, oder durch einen makabren Todestourismus. Der Bürgermeister bezeichnet die Haftanstalten als "ökonomisch belebende Spritze". Über 1000 Hinrichtungen wurden bisher vollstreckt, im Durchschnitt eine pro Woche.

Wie das 3-sat-Magazin "Kulturzeit" berichtete, bietet der örtliche Verkehrsverein für zwei Dollar sehr erfolgreiche Stadt- und Gefängnisrundfahrten an. Trauriger Höhepunkt sei der Besuch des Hinrichtungsgebäudes mitten in der Stadt und des Friedhofes mit "sattgrünem Rasen", wo die Hingerichteten als Nummern mit einem "X" für "executed" begraben werden. Eine Privatinitiative habe eine maßstabsgetreue Todeszelle erbaut, in der sich die Touristen von einem echten elektrischen Stuhl, der 361 Menschen in den Tod beförderte, "verlustierten". Kinder kletterten darauf herum. Im Gefängnismuseum würden Bilder "erlegter" Verbrecher gezeigt, denen das Blut aus dem Mund rinne.

Margit Sprecher, Autorin des neuen Buches "Leben und Sterben im Todestrakt", zeigte sich vor allem über die unwürdigen Todeszellen schockiert, in der 350 Todeskandidaten auf ihre Hinrichtung warteten. Gerade anderthalb mal zwei Meter seien die Käfige groß, in der die Männer wie Hühner in einer Legebatterie gehalten würden. Der Gefangene werde zum "bloßen Objekt" bzw. "zum Tier degradiert".

Das Touristenziel Colosseum in Rom dagegen wird seit neuestem jedes Mal 24 Stunden lang von innen angestrahlt, wenn irgendwo auf der Welt eine Todesstrafe vollstreckt wird. Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Aktion der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, der italienischen Regierung und dem Vatikan.

(1727 Zeichen / 29 Zeilen, Dezember 1999)