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Der Tod im Paradies

Unverantwortliche Kataloge aus dem Berner Oberland


Mitte Februar kamen in den Alpen nahezu täglich Skifahrer in Lawinen um. Allein in der Schweiz verlieren pro Wintersaison durchschnittlich 25 Menschen, meistens Touristen, ihr Leben durch Schneebrett-Lawinen, die häufig durch Variantenskifahrer oder -snow-boarder losgetreten werden. Auf den ultimativen Kick beim "Freeriding" abseits der markierten Piste können viele Wintertouristen offensichtlich nicht verzichten.

Im Berner Oberland in der Schweiz fühlt sich dabei die "Spaßgeneration" besonders gut aufgehoben. In typischer Szenesprache fordert das Fremdenverkehrsbüro "Berner Oberland Tourismus (BOT)" die "Adrenalinjunkies" aus aller Welt dazu auf, der geilen "Adventurelust" freien Lauf zu lassen. Rowdys werden ermuntert, über Verhaltensregeln beim Skifahren "zu lachen" und "die letzte Herausforderung abseits der Piste zu finden, wo Sie mit Schneelawinen Wettrennen veranstalten" (!) "Wenn Sie sich die Piste hinunterstürzen, hüpfen Skihäschen quiekend in Sicherheit"....

Eine fünfstufige Totenkopfskala teilt die angebotenen Trendsportarten zwischen "sensationell" und "seicht" ein, eine "Mumm-Bedarf"-Liste unterstützt den Thrill mit "leicht letal" (leicht tödlich), "fast fatal" (verhängnisvoll), "beinah brutal", "nicht normal" und "bloß banal". "Bungy Jumping" und der Fallschirm-"Eiger Jump" werden mit dem höchsten Risiko bewertet, "Canyoning" (auf deutsch "Schluchting", "Schluchtenwandern") mit vier Totenköpfen ("sagenhaft") und der Mumm-Bezeichnung "fast fatal". Es hätte "voll letal" heißen müssen, denn unglücklicherweise starben 21 junge Touristen aus Europa und Australien Ende Juli 1999 beim Canyoning im Berner Oberland.

Ungerührt verschickte das BOT weiterhin die reißerischen Kataloge. Einzig das "Wettrennen mit den Schneelawinen" im Winterkatalog erregte heftigste Proteste. Im Dezember wurde bekannt, das Fremdenverkehrsamt wolle die Textpassage überkleben oder den Katalog neu drucken.

Doch im Text sind überall unverantwortliche, martialische Botschaften eingestreut. Beispiele: "Fly or die" (Flieg oder stirb) auf "geilen Pipes". "Wer bremst, verliert". "Weibliche Cracks duellieren sich". Ein besonders "himmlisches Vergnügen" scheint das "Inferno-Rennen" auf dem "Highway to hell" zu sein: "Auf Teufel komm raus liefern sich Skifahrer, die weder ihn noch den Tod fürchten, heiße Duelle".

Vielleicht sollte man statt dessen ein Wort über den Schutz der Natur in dieser "Postkartenlandschaft" verlieren und auf dümmliche Reizworte wie "Yeti", "Grizzly" und "Lama" im Berner Oberland verzichten. Einen merkwürdigen Humor verrät auch eine Frage im "Großen Pistenhobel-Test": "In der Skihütte setzt sich ein japanischer Feriengast auf Ihre sündhaft teure Sonnenbrille, wie verhalten Sie sich? - Sie setzen sich auf seine Videokamera, um das ökologische Gleichgewicht wieder herzustellen. - Sie überlegen sich, ob sie ihm Ihre Karatekünste demonstrieren oder mit ihm doch lieber über Ihren neuen Mitsubishi plaudern wollen - Sie jodeln ihm ins Gesicht, bis er begeisternd klatschend aufspringt".

Gastfreundschaft beinhaltet Fürsorge und Respekt. An beidem scheint es dem "Berner Oberland Tourismus" mächtig zu mangeln.

(2.815 Zeichen / 43 Zeilen, März 2000)