Blog

Das soziale Gewissen des europäisch-asiatischen Gipfels

Asia-Europe People's Forum (AEPF) in Mailand


Durch den vorherrschenden Entwicklungsansatz der vergangenen Jahrzehnte – mit der Deregulierung der Märkte, der zunehmenden Macht multinationaler Konzerne und multilateraler Institutionen, denen es an Rechenschaftspflicht fehlt – ist es nicht gelungen, den Bedürfnissen und Rechten aller Bürgerinnen und Bürger Rechnung zu tragen. Stattdessen wurden Bedingungen geschaffen, die zu Armut, Ungleichheit, Umweltzerstörung und zunehmenden sozialen Unruhen geführt haben. Diese Bilanz zogen über 400 zivilgesellschaftliche Vertreterinnen und Vertreter aus 42 Ländern auf dem Asia-Europe People's Forum (AEPF) im Oktober 2014 in Mailand.

Alle zwei Jahre bietet das AEPF eine Plattform für zivilgesellschaftliche Gruppen aus Asien und Europa, um drängende Herausforderungen zu diskutieren und sich untereinander besser zu vernetzen.

Europäisch-asiatischer Austausch auf verschiedenen Ebenen

Asien ist wichtig – für Europa. Und Europa ist wichtig – für Asien. Diese einfache Erkenntnis hatte 1996 zum ersten europäisch-asiatischen Gipfel (ASEM) geführt und hat seitdem nicht an Bedeutung eingebüßt. Im Gegenteil: Asien und Europa sind immer stärker miteinander verflochten. Die vielen Beziehungsebenen werden auch rund um den europäisch-asiatischen Gipfel deutlich. Neben den Staats- und Regierungschefs treffen sich im Vorfeld auch Parlamentarier, Wirtschaftsvertreter und die Zivilgesellschaft – letztere auf dem Asia-Europe People's Forum (AEPF), das zu einer Art "sozialem Gewissen" des ASEM geworden ist. In diesem Jahr in Mailand erhielten Vertreterinnen und Vertreter des AEPF erstmals die Gelegenheit, ihre Sichtweisen, Forderungen und Empfehlungen an die Regierungen auf dem europäisch-asiatischen Gipfel (ASEM) persönlich zu präsentieren.

Tourismus auf dem AEPF

Wie bereits vor zwei Jahren in Laos (vgl. TW 69, Dezember 2012) gab es auch in diesem Jahr auf dem AEPF wieder einen Tourismus-Workshop. Einen Schwerpunkt bildeten die verschiedenen Arten von struktureller Benachteiligung, mit denen kleine Tourismusprojekte und Initiativen in vielen Ländern zu kämpfen haben. Auf Druck von Wirtschaftslobbys sind die politischen Rahmenbedingungen oft so gestaltet, das große Unternehmen davon profitieren – nicht selten auf Kosten der Umwelt und der Bevölkerung vor Ort.

Regierungen müssen ihre Regulierungsaufgaben stärker wahrnehmen, um die Tourismusentwicklung in ihren Ländern nachhaltiger zu gestalten und den Sektor auch für gemeinschaftlich organisierte Tourismusinitiativen zugänglich zu machen. Gleichzeitig dürfen sie unter dem zunehmenden Liberalisierungsdruck im Rahmen von Handelsabkommen ihren Gestaltungsspielraum nicht aufgeben, so die Empfehlung aus dem Tourismusworkshop. "Die Regierungen müssen günstige Rahmenbedingungen für innovative Ansätze im Tourismus sicherstellen, bei denen die Menschen im Mittelpunkt stehen, beteiligt sind und durch die die Gemeinschaften gestärkt werden" heißt es in der Abschlusserklärung des AEPF10.

"Systemwandel statt Klimawandel"

Auch der Klimawandel war ein wichtiger Schwerpunkt des AEPF. In der Abschlusserklärung wird auf dringend nötige Systemveränderungen hingewiesen. Konsum- und Produktionsmuster müssen auf einen nachhaltigen und umweltfreundlichen Weg gebracht werden, der die Bedürfnisse der Menschen und nicht die von Großunternehmen erfüllt.

Die zwei Grad Celsius, die die Erderwärmung nicht überschreiten dürfe, seien keine "magische Zahl", sondern eine politische Entscheidung, so Lidy Nacpil von Jubilee South Asien/Pazifik. "Wir haben keine 15 Jahre mehr, um das zu tun, was getan werden muss, bevor es schließlich unmöglich wird." Deshalb müsse das Tempo deutlich erhöht werden.

Auch haben schon heute Menschen unter den Auswirkungen des Klimawandels zu leiden. Auf den Philippinen würden Super-Taifune wie Haiyan zum "neuen Normalfall". Den Opfern solcher Katastrophen könne man nicht sagen, sie sollten auf Systemveränderungen warten.

Die Regierungen müssen ihre Verantwortung zum Klimaschutz erfüllen, ihre ökologischen Schulden gegenüber den armen Ländern begleichen und den Entwicklungsspielraum auf der Erde fair aufteilen. Die EU müsse dazu ihre Bemühungen für eine nachhaltige Energiewende auf Grundlage erneuerbarer Energien, Energieeffizienz und -suffizienz deutlich beschleunigen und intensivieren.

Sombath Somphone noch immer vermisst

Schließlich war auch die Tatsache, dass Sombath Somphone, einer der Hauptorganisatoren des AEPF9 2012 in Vientiane, immer noch vermisst wird, ein wichtiges Anliegen in Mailand. Vor genau zwei Jahren, am 15. Dezember 2014 (s. TW 70, März 2013). verschwand Sombath Somphone nach einer Polizeikontrolle in Vientiane und bis heute fehlt von ihm jede Spur. In ihrer Abschlusserklärung erinnerten die Teilnehmenden des AEPF in Mailand die ASEM-Mitgliedsstaaten an ihre Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte und fordern sie auf, sich dafür einzusetzen, dass Sombath unversehrt zu seiner Familie zurückkehren kann.

Weitere Informationen: http://aepf.info

Die Abschlusserklärung des AEPF zum Download: http://aepf.info/resources/finish/11-other-issues/162-aepf10-final-declaration/0

(4.924 Zeichen, Dezember 2014, TW 77)