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Landrechte und Unternehmensverantwortung beim Neustart des Tourismus beachten


Dokumentation des Online-Seminars beim Asia – Europe People‘s Forum, 18.5.2021

Gemeinsam mit der indischen Partnerorganisation Equations und dem britischen Netzwerkpartner Fresh Eyes hat Tourism Watch bei Brot für die Welt im Rahmen des Asia Europe Peoples' Forum, einem internationalen zivilgesellschaftlichen Netzwerk, ein Schlaglicht auf Landrechtsverletzungen und Vertreibungen im Zuge touristischer Entwicklungen geworfen.  

In der Hoffnung auf eine, möglichst baldigen, Neustart des Tourismus nach der Corona-Pandemie beschleunigen Regierungen, Investoren und Unternehmen den Ausbau des Tourismus. Sie fördern dabei weiterhin ein extraktives Tourismusmodell, das oft auf der Ausbeutung der Menschen in den Destinationen und unseres Planeten basiert.

Zu Beginn des Onlineseminars gab Andreas Neef, Professor für Entwicklungsstudien an der Universität von Aukland, Neuseeland und Autor von „Tourism, Land Grabs and Displacement – The Darker Side of the Feel-Good Industry“ einen Überblick über die globale Reichweite und Dynamik tourismusinduzierter Landnahmen und Vertreibungen. Basierend auf der Analyse von 31 Fällen in Afrika, Lateinamerika, Asien und dem Pazifik teilt er die Enteignung im Kontext des Tourismus in vier Arten ein: 

 

  • Räumung oder physische Vertreibung von einem Ort 
  • Auferlegen von Zugangsbeschränkungen zu Ressourcen 
  • Gewinnung natürlicher Ressourcen von einem Ort auf Kosten der Verfügbarkeit der Ressource für lokale Gemeinschaften 
  • Zerstörung oder Veränderung kulturell bedeutender Orte 

Auf die systematische Analyse von Vertreibung und Enteignung durch Professor Andreas Neef folgten vielfältige Erfahrungen lokaler Gemeinschaften aus verschiedenen Ländern.

Herman Kumara vom „National Fisheries Solidarity Movement“, einer landesweiten Vereinigung der Fischer und Fischerinnen aus Sri Lanka, präsentierte die Erfahrungen mit dem Hafen von Colombo in Sri Lanka. Dort wurden eine Reihe von Änderungen an Richtlinien und Gesetzen vorgenommen, um die Errichtung einer luxuriösen Hafenstadt mit Casinos, Resorts und Spas zu begünstigen. Von der Hafenstadt sind rund 30.000 Menschen betroffen, deren Lebensunterhalt vom Fischfang abhängt.

Solano Da Silva, Professor an der BITS Hochschule im indischen Goa präsentierte die Erfahrungen des Dorfes Tiracol, wo systematische Änderungen an Landaufzeichnungen und Landnutzungs- und Planungsrichtlinien vorgenommen wurden. So wurde die Einrichtung eines Golfplatzes und eines Luxusresorts begünstigt, indem Land von landwirtschaftlichen Pächtern genommen wird. Zur Rechtfertigung des Golfplatzprojekts wurde das Label „Ökotourismus“ verwendet.

Susan Herawati, Generalsekretärin der Fischereivereinigung KIARA aus Indonesien präsentierte die Erfahrungen der Inseltourismusprojekte, die zu Land- und Oceangrabbing geführt haben. Eine dieser Inseln ist die Insel Mandalika, auf der die Armee Zwangskräfte eingesetzt hat, um Menschen zu vertreiben.

Shankar Limbu, von der Vereinigung der Menschenrechtsanwälte für die indigenen Völker Nepals, präsentierte die Erfahrungen des Chittawan-Nationalparks, der eine der beliebtesten Touristenattraktionen in Nepal und ein UNESCO-Weltkulturerbe ist. Der Park beherbergt ursprünglich vier indigene Gemeinschaften. Es gab mehrere Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch die Armee, die zum Verlust von Menschenleben, zur Zerstörung von Dörfern und Häusern und zum Verlust von Lebensgrundlagen geführt haben. Die indigenen Gemeinschaften im Gebiet des Nationalparks leben jeden Tag in Angst.

Signe Leth, Referentin für Landrechte und Gender bei der Internationalen Arbeitsgruppe für indigene Angelegenheiten (IWGIA) stellte die Gefahr einer erwarteten Vertreibung der indigenen Mro-Gemeinde in Chittagong, Bangladesch, vor. In einem Gebiet mit einer Geschichte bewaffneter Konflikte, die das Volk der Mro an den Rand gedrängt haben, hat der Tourismus diesen Konflikt noch verstärkt. Die Angehörigen der MRO-Gemeinschaft stehen wegen geplanten Luxus-Hotelprojekts vor der Vertreibung. Das Projekt wurde ohne die vorherige informierte Zustimmung der Mro geplant.

Macia Blazquez Salom, Dozent an der Hochschule der Balearen, Spanien präsentierte die Erfahrungen auf der Inselgruppe, wo Wohnungen für den Tourismus kommerzialisiert werden, was zur Vertreibung der Einheimischen führt. Im Laufe der Jahre hat es aufgrund des Ferienwohnungs-Tourismus eine systematische Kommodifizierung der Immobilien auf den Inseln gegeben.

Die Sitzung endete mit einer strategischen Diskussion über das weitere Vorgehen. Von den Teilnehmenden kamen eine Reihe von Vorschlägen und Empfehlungen, die im Folgenden zusammengefasst sind:

  1. Der Dialog und die vorherige, informierte Zustimmung, die die Beteiligung der Menschen an der Entscheidungsfindung im Tourismus fördert, haben höchste Bedeutung. 
  2. Das Ideal touristischer Großprojekte ist ein gängiger Diskurs, während kleine Initiativen dämonisiert werden. 
  3. Das Recht auf Zugang und Kontrolle der natürlichen Ressourcen lokaler Gemeinschaften, einschließlich indigener Völker und Fischer, insbesondere der Rechte von Frauen auf natürliche Ressourcen muss gewahrt werden. 
  4. Die indigenen Kulturen und ihr Wissen müssen durch Gesetze auf nationaler und internationaler Ebene gestärkt werden. Eine größere Solidarität zwischen internationalen Organisationen sollte gefördert werden. 
  5. Einbeziehung verschiedener Sektoren in den Tourismus, um ein nachhaltiges und integratives Tourismusmodell zu schaffen. 
  6. Entmystifizierung des Tourismus als „unschuldige“ Branche und „grüne Entwicklung“, die keinen Schaden anrichtet, indem die tourismusbedingten Risiken und erheblichen Herausforderungen für den Planeten und die Menschen anerkannt und verstanden werden. 
  7. Eine größere Notwendigkeit, große Visionen des Megatourismus kritisch gegenüber kleineren, mehr lokalen Initiativen zu prüfen, die die Einbeziehung lokaler Gemeinschaften fördern.

Das Seminarvideo wird bald veröffentlicht.