Blog

Auswirkungen des Tourismus in ländlichen Küstengebieten

Perspektiven aus der Dominikanischen Republik


In den vergangenen Jahrzehnten ist der Tourismussektor in der Dominikanischen Republik stark gewachsen, vor allem in den ländlichen Küstengebieten. Parallel dazu haben andere, vornehmlich in ländlichen Gebieten wichtige Wirtschaftszweige (z.B. Landwirtschaft und Fischfang) eine gegenteilige Entwicklung erfahren.

Der Tourismus stellt dort eine der wenigen Alternativen zu bereits vorhandenen Einkommensquellen dar und hilft in vielen Fällen, die Entwicklung in armen Gemeinden voranzubringen. Doch für ein langfristiges Wachstum des Tourismussektors müssen auch die Bewohner der Gebiete mit in die Entwicklung einbezogen werden. Im Rahmen einer umfassenden Feldforschung in den ländlichen Küstengemeinden der Dominikanischen Republik haben wir den Einfluss des Tourismus untersucht. Wir stellen einige Empfehlungen dazu vor, wie die Bewohner der Gemeinden besser von den Vorteilen dieses Wirtschaftszweigs profitieren können.

Perspektiven der Einheimischen

Die Menschen an der dominikanischen Küste beurteilen den Tourismus sehr unterschiedlich. Die Mehrzahl der Bewohner steht dem Tourismus positiv gegenüber. Die meisten halten ihn für ein wichtiges Instrument, das Devisen ins Land spült und neue Arbeitsplätze schafft. Viele Menschen sehen den Tourismus zudem als Motor für mehr Entwicklung und Fortschritt in ihren Gemeinden. Andere erklärten sogar, dass ihre Gemeinden ohne den Tourismus nicht überleben könnten. Trotzdem erwähnten viele Einwohner auch negative Auswirkungen dieses Wirtschaftszweigs. Als erstes wird die "Korruption" genannt. Mit diesem Begriff beschreiben sie den allgemeinen Zerfall in ihren Gemeinden, der durch den Anstieg von Prostitution (Frauen, Männer und Kinder), Kriminalität, Drogenhandel, fehlende Moral und/oder Homosexualität ausgelöst wird. Andere negative Folgen des Tourismus seien verschiedene Restriktionen, vor allem beim Häuserbau oder bei Reparaturarbeiten an Häusern oder Geschäften, sowie Einschränkungen des Zugangs zu bestimmten Gebieten.

Wirtschaftliche Vorteile des Tourismus

Es hat sich herausgestellt, dass Familien, die vom Tourismus leben, ein durchschnitt­lich höheres Einkommen erzielen, als andere Haushalte. Dies scheint jedoch nicht durch eine formale Anstellung in der Tourismusbranche bedingt zu sein, denn vor allem die Besitzer kleiner Geschäfte profitieren vom Tourismus. Ursache hierfür können niedrige Löhne und die Unbeständigkeit der Einkommen im formellen Sektor sein. Darüber hinaus haben Angestellte, abgesehen von Kellnern, Gepäckträgern usw., keinen direkten Kontakt mit Touristen und erhalten demzufolge auch kein Trinkgeld, das ihre niedrigen Löhne aufbessern könnte.

Ein großer Vorteil für viele Kleinhändler in Tourismusregionen ist, dass sie ihre Waren direkt an Touristen verkaufen können und dabei höhere Preise erzielen als auf dem lokalen Markt - wie zum Beispiel Miguelina, José und Salustiano. Miguelina verdient gut mit dem Verkauf von Kakao- und Zuckerkugeln an ausländische Passanten im El Café de Samaná. José verkauft an seinem Stand am Strand der Insel Saona Getränke und Salustiano ist ein Kokosnussverkäufer auf einem Dreirad am Strand von Guayacane.

Die hohe Zahl an registrierten Selbständigen zeigt, dass in der Dominikanischen Republik der informelle Sektor im Tourismus eine wichtige Rolle spielt. Viele Verkäufer berichteten jedoch, dass ihre Verkaufsaktivitäten und -gebiete von Behörden und Großunternehmern immer mehr eingeschränkt würden. Das verdeutlicht die Haltung der Regierung gegenüber dem Tourismus: Parallel zu einer Deregulierung des formellen Sektors (durch Steueranreize und Finanzierungsmöglichkeiten) werden informelle Händler und Kleinunternehmer mit immer mehr Restriktionen konfrontiert.

In den Bereichen Infrastruktur und Dienstleistungen sind durch den Tourismus Verbes­serungen zu verzeichnen. In vielen Gemeinden wurde das Transportnetz ausgebaut, in einigen Gebieten auch die Elektrizitätsversorgung verbessert und Straßen asphaltiert. Der Tourismus hat jedoch keinen positiven Einfluss auf den Zugang zu Trinkwasser. Das zeigt deutlich, dass die Regierung den Gemeinden den Rücken zukehrt, denn das Transportwesen und die Elektrizitätsversorgung befinden sich in privater Hand.

Jede Art von Tourismus bringt unterschiedliche Vorteile für die Gemeinden mit sich. Dort, wo hauptsächlich Tagestouren für Touristen aus dem In- oder Ausland angeboten werden, sind die Löhne höher als an Orten, in denen Hotels oder Ferienhäuser ange­siedelt sind. In den Strandhotels, vor allem in den "All inclusive"-Hotels bezahlen die Touristen fast den gesamten Reisepreis bereits in ihrem Heimatland und geben im Ferienort selbst nur wenig Geld aus. Die wirtschaftlichen Vorteile des Pauschal­tourismus bestehen darin, dass sie der Zentralregierung Devisen und Steuern ein­bringen, die allerdings nicht immer in die Gemeinden zurückfließen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Frauen, die im Tourismussektor tätig sind, übernehmen meist typische Haushalts­arbeiten wie Bedienung, Reinigung und Kochen, die meist keine Möglichkeiten für beruflichen Aufstieg bieten. Dahingegen arbeiten Männer in weitaus vielfältigeren Bereichen mit mehr Aufstiegschancen und der Möglichkeit, den Lohn mit Trinkgeld auf­zubessern. Einige Frauen beklagten sich darüber, dass der Tourismus ihnen zwar Beschäftigungsmöglichkeiten biete, ihre Männer ihnen aber nicht erlauben würden, diese Tätigkeiten anzunehmen. So musste Yudelkis, eine junge Frau aus Cabeza de Toro, ihre Arbeit in einem Hotel aufgeben, nachdem ihr Mann nicht zulassen wollte, dass sie den ganzen Tag nicht zuhause und noch dazu an einem Ort sein würde, an dem sie andere Männer kennen lernen könnte, vor allem Ausländer. Dies zeigt, dass viele Frauen noch immer ihren Männern untergeordnet sind. Davon abgesehen muss allerdings betont werden, dass im Vergleich zu anderen, nicht touristischen Gemeinden in der Dominikanischen Republik schon allein der Zugang zu einer Arbeit eine Verbesserung der Situation darstellt.

Empfehlungen

Die Regulierung des Tourismus darf die lokalen Händler nicht zur Geschäftsaufgabe zwingen. Um den Besuchern ein Ambiente zu bieten, das "frei von Belästigungen und sicher" ist, werden die Bewohner in ihrer Nutzung öffentlicher Räume eingeschränkt. Als Antwort auf dieses Problem wurden bereits verschiedene Modelle zur Regulierung des informellen Handels vereinbart - mit unterschiedlichem Erfolg. Diese Modelle sollten genauer untersucht werden. Die Arbeit aller beteiligten Institutionen muss besser koordiniert werden, denn nur so können gerechte und transparente Regelungen für den informellen Sektor geschaffen werden.

Das Ansehen der im öffentlichen Dienst Beschäftigten (vor allem der Polizei und der Touristenpolizei) muss verbessert werden, wenn die Akzeptanz der Sicherheitskräfte unter den Anwohnern steigen soll. Vor allem sollte dem erpresserischen Verhalten der Polizei in Tourismusorten Einhalt geboten werden. Auch die Prostitution, vor allem von Kindern, muss bekämpft werden. Öffentliche Kampagnen zum Schutz der Kinder und strikte Strafen für die Beteiligten können dazu einen Beitrag leisten, sollten jedoch nicht von der Ursache des Problems ablenken: der Armut in den Gemeinden.

Die Bewohner benötigen Hilfe beim Aufbau von Kleinunternehmen und der Entwicklung von Touristenattraktionen. Viele Gebiete bieten wunderschöne Naturschauplätze und kulturelle Sehenswürdigkeiten, die mit ein wenig Unterstützung zu erfolgreichen Einkommensquellen werden können.

Es müssen außerdem externe Kontrollmechanismen geschaffen werden, um mögliche Umweltschäden aufzudecken. Die befragte lokale Bevölkerung beunruhigten Umwelt­fragen nicht, obwohl in vielen Gebieten bereits deutliche Fälle von Umweltverschmut­zung erkennbar sind. Der Grund für diese Gleichgültigkeit könnte der fehlende Zugang zu Informationen und das mangelnde Umweltbewusstsein im gesamten Land sein. Bei vielen Bewohnern mag sie aber auch daran liegen, dass die Menschen von Tag zu Tag ihr Überleben sichern müssen, was die Achtsamkeit gegenüber Umweltschäden erst einmal in den Hintergrund rücken lässt.

Abschließend muss hervorgehoben werden, dass die befragten Gemeinden zu den in gewisser Weise "privilegierten Gemeinden" gehören. Viele Gemeinden, die wir ursprünglich in die Feldforschung einbeziehen wollten, waren auf Grund von touristischen Entwicklungsprojekten vertrieben worden. Wir sind der Ansicht, dass derartige Vertreibungen schnellstmöglich Gegenstand einer Untersuchung werden müssen. Mit den in diesen Fällen üblichen Kompensationszahlungen kann die ursprüngliche Lebensweise nicht wieder hergestellt werden und die neuen Ansiedlungen zerstören die für das Überleben der Armen so essentiellen sozialen Netzwerke. Somit können diese Wirkungen in einigen Gemeinden den Vorteilen durch den Tourismus, von denen andernorts berichtet wurde, entgegenstehen.

Yolanda León ist Professorin am Technologischen Institut Santo Domingo (Instituto Tecnológico de Santo Domingo, INTEC) und Forscherin der Gruppe Jaragua in der Dominikanischen Republik. Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der Autorin für ein Seminar zu Tourismus und Entwicklung, das im Juli 2010 in der Dominikanischen Republik stattfand.

Übersetzung aus dem Spanischen: Cornelia Gritzner, lingua•trans•fair

(9.355 Anschläge, 124 Zeilen, Dezember 2010)