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Zwischen Strafrecht und Unternehmensverantwortung

Menschenrechte im Tourismus als Herausforderung für die deutsche Politik


Das Thema "Menschenrechte und Tourismus" spielt im Bundestag bislang keine große Rolle. Das könnte sich jedoch demnächst ändern, da sich der Menschenrechtsausschuss des Bundestages in diesem Jahr mit dem Schwerpunktthema "Wirtschaft und Menschenrechte" befasst. Im Mittelpunkt steht die Frage, mit welchen Mitteln wir als nationales Parlament die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen stärken und dadurch in ihren Gastländern die Menschenrechtslage verbessern können.

Ein Problem will ich hier in den Vordergrund stellen, weil es nach unserer Kenntnis zunimmt: Das so genannte "land grabbing". In vielen Gebieten, die für den Tourismus erschlossen werden, erfolgen Landnahmen, die zunächst meist unverdächtig getarnt sind. In Wirklichkeit aber werden die Menschen enteignet. Ich habe das mit eigenen Augen in Kambodscha gesehen. Da wurden Menschen unter unwürdigsten Bedingungen von einem Tag auf den anderen umgesiedelt. Hier stellt sich die Frage, welchen Beitrag wir im Bundestag dazu leisten können, damit solche Menschenrechtsverletzungen erstens erkannt und zweitens verhindert werden und damit drittens, wenn sie denn geschehen sind, Möglichkeiten bestehen, sie zu sanktionieren und Unternehmen zur Entschädigung zu verpflichten.

Was können wir - auf den Tourismus bezogen - konkret tun? Wir können auf der nationalen Ebene schwerwiegende Verfehlungen, an denen deutsche Touristen beteiligt sind, strafrechtlich sanktionieren. Das gilt insbesondere beim sexuellen Missbrauch von Kindern und Frauen. Doch das ist nicht so einfach, wie es klingt, denn es bedarf dazu einer intensiven Kooperation auch der Behörden und Unternehmen in den Zielländern. Wenn Kinder missbraucht werden, haben sie in ihren Ländern, oft auch in ihren Familien, keine unterstützende Lobby. Deshalb ist es nicht einfach, die Täter zur Verantwortung zu ziehen.

Unternehmen in die Pflicht nehmen

Eine weitere Frage ist, was wir tun können, um die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen zu stärken. Wir haben einige Regelungen auch im Bereich der Vereinten Nationen, die aber nach unserer Auffassung unzureichend sind. Das wohl bekannteste Instrument sind die Leitsätze der OECD für multinationale Unternehmen. Diese werden zwar schon seit vielen Jahren angewendet, hatten aber bislang keinen explizit menschenrechtlichen Bezug, sondern weisen in der Einleitung ganz vage darauf hin, dass natürlich auch Unternehmen in ihren Tätigkeiten Menschenrechte zu beachten haben. Die Leitsätze wurden nun überarbeitet und haben ein eigenes Menschenrechtskapitel. Das ist aus unserer Sicht ein ganz großer Fortschritt. Wir hatten im Bundestag eine umfangreiche Debatte zu den OECD-Leitlinien. Sicher haben wir auch dadurch Verbesserungen angestoßen.

Wichtig ist auch der so genannte Ruggie-Bericht, der im Juni* vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verabschiedet wird. Der UN-Sonderbeauftragte für Wirtschaft und Menschenrechte John Ruggie hat pragmatisch menschenrechtliche Normen und Standards für die Wirtschaft zusammengeführt und schafft dadurch Transparenz. Aber auch sein Bericht hat einen Mangel, den man gegenwärtig nicht beheben kann: Die Durchsetzung seiner Empfehlungen liegt in der Kompetenz der Unternehmen. Es gibt gegenwärtig keine Möglichkeit zu Sanktionen, es gibt keine Möglichkeit, hier verbindlich etwas festzulegen. Das möchten wir gerne ändern.

In der Studie** sind viele Punkte angesprochen, die in der Verantwortung der Bundesregierung liegen. Fast alles, was da drin steht, kann ich unterstützen. Ich würde noch eines hinzufügen: Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Unsere politische Forderung ist, dass die Bundesregierung diese Position nutzen soll, um die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen im Rahmen der Vereinten Nationen voranzutreiben. Ich wünsche mir, dass sie dafür auch viel Unterstützung aus der Zivilgesellschaft bekommt.

*Präsentation des Ruggie-Berichts vor dem UN-Menschrechtsrat: www.business-humanrights.org/media/documents/ruggie-statement-to-un-hum…

**Alles was Recht ist - Menschenrechte und Tourismus. Hg. Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) Tourism Watch, Bonn, 2011. www.tourism-watch.de/files/Alles_was_Recht_ist.pdf

Christoph Strässer, MdB, ist menschenrechts- und afrikapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Dieser Beitrag ist eine überarbeitete Fassung seines Redebeitrags zur Podiumsdiskussion "Alles was Recht ist - Menschenrechte und Tourismus" am 11. März 2011 auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin.

(4.057 Anschläge, 55 Zeilen, Juni 2011)