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Zwei Jahre nach der Revolution - Tunesien-Tourismus während der Demokratisierung


Rund zwei Jahre nach der Revolution in Tunesien im Januar 2011 hat sich der Pauschaltourismus zumindest hinsichtlich der Gästezahlen wieder etwas erholt. Doch noch immer leiden die Hotels, Restaurants und Händler, weil viele Europäer eine Reise nach Tunesien für unsicher und gefährlich halten. Die wirtschaftliche Situation, die die Regierung am dringlichsten verbessern wollte, ist durch Stagnation gekennzeichnet. Im vergangenen Jahr kamen wieder zögerlich ausländische Investoren, doch es sind immer noch viel zu wenige. Um die Demokratisierung voran zu bringen, muss die Wirtschaft wieder in Schwung kommen. Dazu gehören mehr Investoren aus dem Ausland und auch mehr Touristen.

Der Tourismus ist mit sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes. Nach einem extrem schwierigen Jahr 2011, in dem die Gäste mit niedrigen Preisen gelockt wurden und trotzdem zahlreich ausblieben, erreichten die Gästezahlen 2012 immerhin 80 Prozent der Zahlen von 2010, dem Jahr vor der Revolution. 2010 hatten 6,8 Millionen ausländische Touristen Tunesien bereist, die meisten davon Europäer, viele andere aus den Nachbarländern Algerien und Libyen. Aus Europa kamen 2012 noch knapp ein Drittel weniger Touristen als 2010.

Niedrige Preise sind keine Lösung

Um überhaupt an Kunden zu kommen, versucht die Tourismuswirtschaft das Land weiter über niedrige Preise zu verkaufen. Im Moment hilft das, den Hotelbetrieb am Laufen zu halten und die gecharterten Flüge etwas auszulasten, doch auf Dauer ist das keine Lösung. Die Ressourcen der Hoteliers sind aufgebraucht und mit den niedrigen Preisen, die teilweise noch nicht einmal die in Tunesien immer weiter steigenden Kosten decken, ist es nur schwer möglich, einen guten Service zu bieten.

An den politischen Rahmenbedingungen für den Tourismus hat sich bislang noch nichts geändert. Die erste Neuerung wird ab Oktober 2013 gelten. Pro Feriengast und Tag wird eine Kurtaxe in Höhe von einem Euro fällig werden. Dieses Geld soll dem Tourismus in Form von Infrastruktur, Sicherheit und Sauberkeit wieder zugute kommen.

Tunesiens Tourismusministerium versucht den Nischentourismus zu stärken und in der Werbung die kulturellen Sehenswürdigkeiten und den Charme kleiner Pensionen und Herbergen hervorzuheben. Doch Sicherheitshinweise, die regelmäßig vom Auswärtigen Amt herausgegeben werden, verunsichern Rundreiseinteressierte stark. Viele warten ab.

Es wird vor erhöhter Kleinkriminalität gewarnt. Das schreckt viele Individualtouristen davon ab, das Landesinnere auf eigene Faust zu entdecken. Auch die Hotelgäste gehen deutlich seltener in die Altstädte und Souks als zuvor.

Demokratisierung und die westliche Wahrnehmung

Die Wahrnehmung Tunesiens im Westen entspricht oft nicht der Realität und noch nicht einmal der Darstellung in den Medien. So kamen in Tunesien auch in den unruhigsten Zeiten der Revolution keine Touristen und auch keine touristischen Einrichtungen zu Schaden.

In den letzten Monaten war immer wieder von Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der säkularen und der religiösen Politik zu lesen. Diese Auseinandersetzungen nehmen tatsächlich zu. Die Regierung mit der gemäßigt islamischen Partei Ennahda versucht den Spagat, um beiden Lagern gerecht zu werden und verliert auf beiden Seiten Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

Angriffe, auch gewalttätiger Art, auf die Meinungsfreiheit von Künstlern, Journalisten und Freidenkern wurden zaghaft verurteilt, jedoch nicht geahndet, um bei den fundamentalistischen Salafisten nicht in Ungnade zu fallen. Denen wiederum ist die religiöse Haltung nicht streng genug. So wurde bereits beschlossen, dass das islamische Recht, die Scharia, in der Verfassung keine Rolle spielen wird. Bei den nächsten Wahlen, die aller Voraussicht nach noch 2013 durchgeführt werden, wird sich zeigen, ob und welche Rolle die Religion in Zukunft in der Politik spielen wird.

Bei den Demonstrationen nach dem Attentat auf den säkularen Oppositionspolitiker Chokri Belaïd Anfang Februar 2013 gingen Hunderttausende auf die Straße, um ihre Trauer und ihren Unmut an der Regierung zu zeigen. Zur Gegenveranstaltung der Islamisten kamen laut offiziellen Angaben nur 3.000 Menschen, die laut inoffiziellen Angaben teilweise noch dafür bezahlt wurden. Das, was für viele Menschen in Deutschland "neue Unruhen" sind, die scheinbar zeigen, dass "das Land nicht zur Ruhe kommt", ist ein für den Demokratisierungsprozess wichtiges und positives Zeichen. Es zeigt, dass die Zivilgesellschaft Tunesiens stark ist, es zeigt, dass die Bevölkerung die Unentschlossenheit der Regierung, politische Übergriffe streng zu ahnden, nicht akzeptiert und es zeigt, dass die Menschen in Tunesien weiterhin an den Zielen der Revolution festhalten.

Tunesien bietet ein großes touristisches Potenzial. Um das Landwieder dauerhaft zu einem attraktiven Reiseland werden zu lassen, müssen nachhaltige und qualitativ hochwertige Reisen angeboten und, derzeit fast noch schwieriger, auch gebucht werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Bewegung, in die die tunesische Politik nach dem Attentat an Belaïd geraten ist, in die richtige Richtung geht, um Tunesien bei Reiseinteressierten wieder positiv zu besetzen.

Eveline Brändle-Ouertani arbeitet seit 20 Jahren im Tourismus in Tunesien. Sie ist Geschäftsführerin des Spezialreiseveranstalters "Der fliegende Teppich".

(5.194 Zeichen, März 2013)