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Wenn ein "Paradies" versinkt

Tourismus im Pazifik angesichts des globalen Klimawandels


"Das Thema Klimawandel ist nicht länger ein Thema der Zukunft. Es ist ein Thema der Gegenwart und es ist von größter Dringlichkeit im Südpazifik." Mit diesen Worten beschrieb Fidschis Tourismusminister Bannve Kuamaitotoya bei einer UN-Konferenz zu Tourismus und Klimawandel im Oktober 2007 die dramatische Situation seines Landes. Fidschi kann eine halbe Million Reisende im Jahr begrüßen, und der Tourismus trägt etwa 30 Prozent zum Sozialprodukt bei. Als Folge des Klimawandels, so erläuterte der Tourismusminister, nehmen jetzt aber die schweren Stürme zu und es drohe eine Erosion der Strände. Der südpazifische Inselstaat muss deshalb um seine Attraktivität für den internationalen Tourismus fürchten. Fidschi ist keine Ausnahme. Alle südpazifischen Inselstaaten sehen die überlebenswichtigen Einnahmen aus dem Tourismus durch die Folgen des Klimawandels bedroht.

Niue zum Beispiel wurde Anfang Januar 2004 durch einen besonders schweren Wirbelsturm verwüstet. Auch die Tourismus-Infrastruktur wurde stark geschädigt. Nach solchen Katastrophen bleiben die Touristen erst einmal aus und der Wiederaufbau wird noch schwieriger. Zu den bedeutendsten Naturschönheiten und touristischen Attraktionen der pazifischen Inseln gehören die artenreichen Korallenriffe. Sie sind ein Grund für Schnorchler und Taucher, in die Region zu reisen. Aber nach einer Untersuchung der University of North Carolina/USA sind in den letzten zwei Jahrzehnten zwanzig Prozent der Riffe zerstört worden. Dafür sind vor allem die höheren Durchschnittstemperaturen des Pazifischen Ozeans verantwortlich, aber auch die Übersäuerung des Meerwassers als Folge der vermehrten Aufnahme von Kohlendioxid aus der Luft.

Heftige Stürme, sterbende Korallen Regierungen, Umweltschutzorganisationen und Kirchen der pazifischen Region beklagen sich heftig darüber, dass die Inselbewohner, die nur minimal zur globalen Erwärmung beitragen, sehr stark von den Folgen betroffen sind. Besonders der Anstieg des Meeresspiegels und die Zunahme heftiger Stürme gefährden die flachen Südseeatolle, die nur wenige Meter aus dem Ozean ragen. Werden die Atolle überspült, ist auch die Süßwasserlinse gefährdet, also der kleine unterirdische Vorrat an trinkbarem Wasser, der das Leben auf den Atollen erst ermöglicht. Das Absterben der Korallenriffe nimmt den Atollen in dieser prekären Situation den einzigen Schutz, sodass hohe Wellen ungebremst auf das Ufer treffen und die Erosion der Strände beschleunigen. Nachdem bereits einzelne Atolle Kiribatis für immer im Ozean verschwunden sind, bereiten sich vor allem die Einwohner von Tuvalu und Kiribati auf eine Auswanderung nach Australien oder Neuseeland vor. Die etwa 10.000 Bewohner Tuvalus müssen spätestens Mitte des Jahrhunderts vor den Folgen des Klimawandels flüchten. Tavau Teii, der stellvertretende Premierminister Tuvalus, sagte 2007 der Nachrichtenagentur Reuters: "Wir versuchen, unsere Lebensweise so lange wie möglich auf den Inseln zu bewahren. Aber wenn die Zeit gekommen ist, haben wir keine andere Möglichkeit, als sie zu verlassen." Auch andere pazifische Inselstaaten befürchten, dass den Einwohnern das Wasser bald bis zum Hals stehen wird. Der Regierungschef von Niue, Young Vivian, erklärte im Oktober 2007, die Lage sei "sehr, sehr ernst, denn wenn wir jetzt nichts tun, sind wir weg. Das ist sicher." Aber die internationale Gemeinschaft ignoriere die Sorgen der Menschen im Südpazifik: "Niemand hört uns zu."

Klimabewusstsein durch Tourismus Eine Reaktion auf die erschreckenden Zukunftsszenarien für den Tourismus im Südpazifik beschreibt Ayako Ezaki von der "International Ecotourism Society" so: "Einige Unternehmen nutzen den Klimawandel als Marketing-Masche, für ein ’Sieh es Dir an, bevor es verschwunden ist’. So, wie manche Leute unbedingt die letzten Tiger oder die letzten schmelzenden Gletscher sehen wollen, gibt es auch einen Tourismus zu den versinkenden Atollen Tuvalus. Jedes Jahr kommen Hunderte Journalisten, Forscher und Touristen auf die Atolle, wenn die Saison der tropischen Stürme beginnt. Dabei zu sein, wie die Heimat von Menschen im Meer versinkt, liefert offenbar einen besonderen “Kick“. Demgegenüber versuchen Organisationen wie die "International Ecotourism Society" einen Öko- und Naturtourismus zu fördern, der die bedrohte Natur möglichst wenig schädigt und der für die Folgen des Klimawandels sensibilisiert. Aus Touristen, so die Hoffnung, können auf diese Weise Klimaaktivisten werden. Jyotishma Rajan Naicker von der Umweltschutzorganisation "World Wide Fund for Nature" (WWF) in Fidschi stellt das Dilemma dieses Tourismus so da: "Touristen kommen aus aller Welt zu uns. Wenn sie dann zurückkehren, nehmen sie unsere Anliegen mit nach Hause. Auf der einen Seite ist der Tourismus für die globale Erwärmung mitverantwortlich. Auf der anderen Seite ist er eines der wichtigsten Instrumente, um Bewusstsein entstehen zu lassen."

Frank Kürschner-Pelkmann arbeitet als freier Journalist zu entwicklungspolitischen und ökologischen Themen in Hamburg. (5.006 Anschläge, 67 Zeilen, September 2008)