Menschenrechte sind kein neues Thema im Tourismus, aber sie sind ein Thema, bei dem die Branche gefordert ist, neue Wege zu beschreiten. Es geht um Arbeitsbedingungen, den Schutz vor Diskriminierung und die Rechte von Kindern, Frauen und indigenen Völkern. Und es geht um die gestiegene Verantwortung von Unternehmen.
Mit dem Abschlussbericht des UN-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, John Ruggie, liegt seit Ende Mai 2011 erstmals ein verbindlicher Bezugsrahmen für die Verantwortung von Unternehmen vor, der die Rollenverteilung zwischen Staat und Unternehmen in punkto Menschenrechte klar definiert. Die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte existiert unabhängig von der Fähigkeit oder dem Willen von Staaten, ihre Menschenrechtsverpflichtungen zu erfüllen. Sie bedeutet auch, die Rechte Dritter nicht zu verletzen und gegen negative Auswirkungen vorzugehen. Und sie umfasst unter anderem sowohl die eigenen Unternehmensaktivitäten als auch die Beziehungen zu anderen Geschäftspartnern und Akteuren in der Dienstleistungskette.
Herausforderungen für Reiseveranstalter
Damit liegt ein verbindlicher Handlungsrahmen der Vereinten Nationen vor und Unternehmen werden dadurch in der Praxis vor große Herausforderungen gestellt. Das gilt insbesondere für Reiseveranstalter mit einer vielschichtigen Wertschöpfungs- und Dienstleistungskette und einem umfangreichen Länder-Angebot. Studiosus hat aktuell beispielsweise Reisen in mehr als 120 Länder im Programm: von Ägypten über Birma, Italien und Russland bis nach Südafrika. 38 Prozent der Gäste reisten 2011 in Entwicklungsländer.
Der Achtung der Menschenrechte in den von uns bereisten Ländern fühlen wir uns im Rahmen unseres Engagements für einen ökologisch vertretbaren und sozial verantwortlichen Tourismus seit jeher verpflichtet. Reisen schaffen Austausch, Begegnungen, Information und Öffentlichkeit und ein nachhaltiger Tourismus kann langfristig zu einer positiven Veränderung der Menschenrechtssituation beitragen. Zum Ausdruck gebracht haben wir dies unter anderem in unserem Unternehmensleitbild. In der Praxis bedeutet das, dass Studiosus zum Beispiel seit dem Jahr 2000 die Kinderrechtsorganisation ECPAT (End Child Prostitution, Child Pornography and the Trafficking of Children for Sexual Purposes) unterstützt, die sich dem Kampf gegen Kinderprostitution, Kinderpornographie und Kinderhandel verschrieben hat. Alle unsere rund 1.500 Hotels und 100 Incoming-Agenturen sind vertraglich verpflichtet, den internationalen Verhaltenskodex zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung einzuhalten. Verletzungen führen zu einer sofortigen Beendigung der Geschäftsbeziehungen.
Über den Global Compact hinaus
Seit 2007 ist Studiosus Mitglied des UN Global Compact und hat damit zugesichert, die von den Vereinten Nationen festgelegten Kriterien zu Menschenrechten, Arbeitsstandards, Umweltschutz und gegen Korruption strikt zu befolgen. Jetzt sind weitere Schritte vorgesehen, um der gestiegenen Verantwortung gerecht zu werden. In einem intensiven Prozess haben wir zunächst die potenziellen Auswirkungen unserer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte weltweit analysiert, bewertet und konkrete Handlungsfelder definiert, in denen wir uns besonders gefordert sehen.
Ansatzpunkte sind zum Beispiel die Sensibilisierung und Verpflichtung der Leistungspartner im Rahmen von vertraglichen Regelungen, die auch deren Zulieferkette einschließen. Dabei wird es auch um die Arbeitsbedingungen von Hotelangestellten, Schiffspersonal, Busfahrern und Guides vor Ort gehen, wie zum Beispiel angemessene Bezahlung, Arbeitszeit- und Freizeitregelungen sowie andere ILO-Kernarbeitsnormen. Zudem gilt es, transparente und wirksame Kontrollmechanismen zu finden, um die Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen zu überprüfen. Eine Aufgabe ist nach wie vor auch die Sensibilisierung der Gäste durch unsere ca. 600 Reiseleiter.
Im Dialog zu tragfähigen Lösungen
Die generelle Darstellung der menschenrechtlichen Situation in den Zielländern im Vorfeld der Reise ist jedoch eindeutig eine Aufgabe von Politik und Regierung, insbesondere des Auswärtigen Amtes. Reiseveranstalter sind hier im Spannungsverhältnis von Aktualität und wahrhaftiger sowie umfassender Information überfordert.
Bei allem Engagement werden nachhaltige und tragfähige Lösungen nur dann möglich sein, wenn diese im engen Dialog mit allen Beteiligten zustande kommen und einem partizipativen Prozess unterliegen, der die äußerst unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den bereisten Ländern berücksichtigt.
Weitere Informationen: Hintergrundpapier "Wirtschaft und Menschenrechte" des DGC-Netzwerks, www.globalcompact.de
Peter-Mario Kubsch ist Geschäftsführer von Studiosus Reisen München GmbH.
Terminhinweis: Am 8. März 2012 veranstaltet Studiosus auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin eine Diskussionsrunde zum Thema "Menschenrechte im Tourismus: Was wird gefordert, was ist machbar?" (s. ITB-Termine, S. 3)
(9.200 Zeichen, 131 Zeilen, März 2012)